9. Kapitel ~

home sweet home~

"Ich bin wieder da!", rief ich, als ich zuhause angekommen war und die Haustür geöffnet hatte. Statt einer Antwort emfping mich aber nur Stille und seufzend trat ich ein, stellte meine Schuhe auf dem Läufer ab und ging langsam den schmalen Flur entlang, bevor ich die erste Tür auf der rechten Seite aufmachte und in die Küche eintrat. Innendrin war es dunkel und nur das Licht, welches im Flur brannte, erhellte den weißen, gefließten Raum ein wenig. Ich mochte unsere Küche nicht, sie war viel zu kalt, kahl und steril. Sollte sich dieser Ort nicht heimisch und vertraut anfühlen?

Seufzend betätigte ich den Lichtschalter und nach einem kurzen Aufflackern der Lampe, wurde die Küche von weißem Licht erstrahlt. Sofort glitt mein Blick hinüber zum Esstisch in der Mitte des Raumes und natürlich lag dort ein kleiner Zettel. So wie eigentlich jeden Tag. Man gewöhnt sich auf Dauer daran immer Heim zu kommen und allein zu sein, aber was konnte ich daran schon ändern? Ich ging zum Tisch, wobei meine Schritte auf den harten Fließen unnatürlich laut klangen, wodurch ich mich noch unwohler fühlte. Ich nahm das Stück Papier mit der rechten Hand auf und las es, wobei ich die Worte leise vor mich hermurmelte, wie ein Mantra.

"Hallo Eika mein Liebling,

ich und dein Vater sind heute bei Freunden und wir werden warscheinlich auch mit ihnen zu Abend essen. Keine Sorge, wir haben dir etwas in den Kühlschrank gestellt, damit du nicht hungern musst ;) Wir werden uns erst morgen früh wiedersehen, da es spät werden könnte, also bleib nicht zulange auf, verstanden? Hoffentlich hattest du heute einen schönen ersten Schultag und morgen kannst du uns bestimmt mal davon erzählen.

Wir lieben dich über Alles <3"

Die Nachricht war kurz und etwas anderes hatte ich gar nicht erwartet. Sie waren fast immer unterwegs, aber ich konnte ihnen nicht böse sein. Immerhin war es ihr Leben und ich wollte ihnen nicht im Weg stehen. Mit der Notiz in der Hand ging ich zum Mülleimer, öffnete diesen und ließ den Zettel in den Müllbeutel fallen. Langsam segelte er hinunter und ich verfolgte seinen Flug solange mit den Augen, bis er endlich gelandet war. Dann ging ich zum Kühlschrank und sah hinein. Fast sofort fand ich das erwähnte Essen, aber es war mit einer Folie abgedeckt, weshalb ich nicht wusste, was es war.

Es war mir aber auch egal.

Ohne zu zögern, nahm ich den Teller und ging wieder zurück zum Mülleimer, um das Essen dann auf dem gleichen Weg zu entsorgen, wie ich es schon vorher mit dem Zettel getan hatte.

"Wir lieben dich über Alles <3"

So oft schon habe ich diese Worte gelesen, aber trotzdem taten sie einfach nur weh. Langsam war ich es Leid diese Worte immer und immer wieder zu lesen! Es waren nur geschriebene Worte auf Papier, nichts weiter. Eigentlich bedeutete ich meinen Eltern doch überhaupt nichts und diese dämlichen Herzen immer hinter diesem Satz machten mich noch wütender, weil sie nichts an der Tatsache änderten, dass es nur leere Worte waren. Worte ohne tieferen Sinn oder irgendeine Bedeutung. Sie schrieben nur die Dinge auf, die ich hören wollte, nicht das, was sie wirklich fühlten und das nahm ich meinen Eltern übel. Nicht, dass sie mich immer allein ließen, sondern, dass sie mir fast noch nie gesagt haben, dass sie mich über Alles lieben . . .

Ich verließ die Küche wieder, schaltete das Licht aus und lief weiter den Flur entlang, bis zur letzten Tür, welche in mein Zimmer führte. Seufzend ließ ich meine Tasche neben den Schreibtisch fallen und ließ die Rollläden hinunter, da es draußen dunkel wurde und ich immer das Gefühl hatte beobachtet zu werden, wenn einfach jeder so durch mein Fenster nach drinnen schaue konnte. Als dies erledigt war, setzte ich mich auf mein Bett und holte mein Handy aus der Hosentasche, um zu schauen wie spät es war. Überrascht stellte ich fest, dass es erst 19 Uhr war und ich somit noch den ganzen Abend Zeit hatte. Ich ließ mich nachdenklich mit dem Rücken auf mein Bett fallen und starrte die Zimmerdecke an, während ich in Gedanken den ersten Schutag revue passieren ließ, wobei ich aber eigentlich fast nur über eine Sache nachdachte:

Das Mädchen mit den roten Haaren und den tiefblauen Augen.

Das Mädchen, das so traurig und geheimnisvoll erscheint.

Das Mädchen, das mir so sehr vertraut, wie ich ihr, obwohl wir uns kaum kennen.

Das Mädchen mit dem Namen Deidre.

Ich verstand es einfach nicht, aber ich wollte mehr über sie erfahren und herausfinden, wieso sie so ist und wie es dazu kam. Langsam stand ich wieder auf und streckte mich. Meine Gelenke waren eingeschlafen und fühlten sich taub an, obwohl ich doch nur wenige Minuten im Bett gelegen hatte. Doch ein erneuter Blick auf die Uhrzeit zeigte mir, dass es 22 Uhr war, also hatte ich mir die letzten Stunden den Kopf über Deidre zerbrochen.

Aber wieso? Warum denke ich so oft an sie, nur weil sie so einsam und traurig erscheint? Es scheint, als ob sie viel Leid durchmachen musste, ABER ICH MUSSTE DAS AUCH! ALSO WARUM INTERESSIERE ICH MICH SO FÜR IHRE PROBLEME, OBWOHL ICH BEREITS SCHON GENUG EIGENE HABE!?

Tränen liefen über mein Gesicht und schon nach wenigen Sekunden waren meine Augen rot und verquollen vom Weinen. Mit zitternden Schritten ging ich auf den großen Spiegel zu, der an einer meiner Wände hing, es war ein Ganzkörperspiegel. Noch immer weinend betrachtete ich mich: "Ich habe eigene Probleme, also kann ich sowieso niemandem helfen, solange ich nicht mit meinen zurechtkomme. Vielleicht übertreibe ich auch nur, vielleicht will ich nur Aufmerksamkeit", murmelte ich mit brüchiger Stimme und fasste dann mit beiden Händen mein T-Shirt, um es mir über den Kopf zu ziehen. "Mache ich das nur, um im Mittelpunkt zu stehen? Hatten die Anderen auf meiner alten Schule recht? Übertreibe ich einfach nur und spiele diese miese Mitleidsnummer ab, weil ich von den Menschen beachtet und geliebt werden will?", fuhr ich leise fort und brach dann ab, als ein ersticktes Keuchen meine Kehle verließ. Ich war selbst geschockt von meinem Spiegelbild, denn diese Person dort kannte ich nicht und wollte ich nicht kennen. Ein bleiches Mädchen starrte mir direkt in die Augen. Ihre Lippen waren aufgerissen und ihr Haar noch immer wild und zerzaust, doch etwas ganz anderes stach einem sofort ins Auge: Ihre Figur. Sie war abgemagert und Rippen stachen unter ihrer unnatürlich hellen Haut hervor. Alles in allem sah sie einfach nur krank aus.

"Krank. Bin ich wirklich krank oder ist das auch nur wieder so eine billige Show?"

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