8. Kapitel ~

the beginning~

"Schließ deine Augen."
...
"W..warum sollte ich dass tun?"
...
"Vertraust du mir?"
..
"Ja, ich weis nicht wieso, aber ich vertraue dir."
.
"Dann tu es einfach."
.

Ich musterte das Mädchen mit geduldigem Blick und war über ihre Aussage noch immer verwundert. Sie vertraute mir? So wirkte es vorhin im Klassenzimmer nicht. Ganz im Gegenteil. Aber sie log mich auch nicht an, immerhin stand sie vor mir, hatte eine entspannte Körperhaltung und ihre Augen waren geschlossen. Um dies zu prüfen, holte ich mit meiner rechten Hand aus und holte zum Schlag aus. Wenige Millimeter vor ihrem Gesicht hielt meine Hand abrupt an, doch sie zuckte nicht zusammen. "Du bist merkwürdig...", kommentierte ich leise, worauf Eika mit einem beleidigten Schmollmund reagierte, welcher mich leicht lächeln ließ.
Dann wand ich mich ab und fasste dabei wieder vorsichtig nach ihrer Hand, um sie sanft hinter mir herzuziehen. Meine Schritte waren ruhig und während wir schweigend weitergingen, zog ein kühler Wind auf. Ich war es gewöhnt, doch mein Hintermann zitterte ein wenig, was ich durch das leichte Schütteln ihrer Hand bemerkte. "Nur noch einen kleinen Augenblick.", versprach ich und blieb stehen, als der Weg endete. Vorsichtig löste ich meine Hand von Eikas und tauschte unsere Plätze, sodass ich nun hinter ihr stand und meine Hände auf ihren Schultern ruhte. Nun blies der Wind etwa stärker und zerzausten die dunklen Haare des Mädchens noch mehr. "Du kannst deine Augen öffnen.", sagte ich, mit einem Hauch Strenge in der Stimme, wodurch es wie eine Aufforderung klang. Ohne zu zögern, gehorchte sie und sah sich um. Da ich ihre Augen und ihr Gesicht nicht sehen konnte, wusste ich nicht, wie genau sie im ersten Moment reagierte, aber sie versuchte nicht mich wegzuschubsen und wegzulaufen und das beruhigte mich schon einmal. Darum ließ ich sie nicht zu Wort kommen und redete weiter. "Ich komme hier immer her, wenn ich gestresst und am Ende bin. Hier kann ich allein sein und fühle mich frei. Hier habe ich meine Ruhe, niemand stört mich und für einen kurzen Moment fühlt sich das Leben wieder gut an. Es fühlt sich richtig gut an, so verdammt richtig und gut. Es ist zwar nur ein kleiner, unscheinbarer Moment, der unbedeutend erscheint, aber würde es ihn nicht geben, würde ich vermutlich nicht mehr hier sein, um dir diesen Ort zeigen zu können.", erklärte ich mit einer unglaublichen Ruhe und nahm die Hände von Eikas Schultern, um mich anschließend umzudrehen und ein paar Schritte zu gehen. Meine Hände bettete ich in die Taschen meiner grauen Strickjacke und meinen Kopf ließ ich zurück in den Nacken fallen, um den Himmel betrachten zu können. Die Sonne schien herab und ein paar weiße Wolken zogen vorüber, zusammen mit ein paar dunklen Umrissen, die Vögeln gehörten, welche am Himmel vorbeizogen.
"Wieso bist du so traurig?", brach Eika das Schweigen, das erneut entstanden war und bei ihren Worten wand ich mich in ihre Richtung, wobei man anhand meines Gesichts erkennen konnte, wie verdutzt ich über ihre Aussage war. Sie stand noch immer an der gleichen Stelle, wie vorher, direkt an der Kante des Daches, des Schulgebäudes, nur hatte sie sich zu mir gewandt. Die Hände hatte sie zu Fäusten geballt und sie zitterte ein wenig, sie mir bei genauerem Hinsehen auffiel. Offensichtlich war sie verärgert, wenn nicht sogar wütend, aber ich wusste nicht wieso. Statt zu antworten, stand ich nur da und begegnete ihrem Blick, wartend darauf, dass sie weitersprechen würde, was sie dann auch tat: "Du wirkst so, als hättest du alles Leid und Elend, dass es gibt, bereits erlebt, aber das kann nicht sein. Willst du von allen anderen bemitleidet werden, um im Mittelpunkt zu stehen? Schleppst du immer alle neuen Mitschüler hierher, damit du sie sofort einlullen kannst?? Du wirkst so depressiv und verschlossen, ist das Alles ein einzige Show? Du bist echt erbärmlich."
Ihre Worte trafen mich unvorbereitet, vor allem aber der letzte Satz.
Erbärmlich. Du bist erbärmlich. Wertlos. Du bist wertlos. Niemand will dich ...
Dieser eine Satz reichte, um mich nun wütend werden zu lassen, aber nicht annähernd vergleichbar mit Eikas Wut auf mich. Meine Wut war kalt und viel stärker, weil sie meinen wunden Punkt gefunden hatte. Binnen von Sekunden war ich bei ihr angelangt und packte sie grob, aber auch fest, Kragen. Ich zog sie ein Stück zu mir hoch, damit sie mich direkt anschauen musste und unsere Gesichter nur wenige Zentimeter von einander entfernt waren. "Du kennst mich nicht, also glaube nicht du könntest auch nur annähernd verstehen, was ich bereits durchgemacht habe. Ich wollte mich entschuldigen und nett sein, nachdem ich so abweisend zu dir, im Klassenzimmer, war. Ich brauche kein Mitleid der Anderen, ich habe sowas nie gebraucht und so wird es auch immer sein. Auch brauche ich niemanden sonst, am Liebsten wöllte ich ganz allein sein auf dieser Welt.", stellte ich klar, wobei meine Stimme ruhig und beherrscht war. Dann ließ ich Eika los, wobei ich sie von mir stieß und sie ein paar Schritte nach hinten taumelte. Ein Keuchen ihrerseits war zu hören und sie musterte mich für einen Moment abschätzend. Ihre Wut war wie weggeblasen und auch ich fühlte mich wie befreit und aus irgendeinem Grund war ich Eika dankbar dafür, dass sie mich provoziert hatte und ich keinen Worten freien Lauf lassen konnte.
Sekunden vergingen und wir sahen uns weiterhin nur an, bis Eika den Kopf drehte und nach unten sah. Sie stand genau am Rande der Kante, doch wirkte trotztest entspannt, als wäre es das Normalste auf der Welt. Dann sah sie mich erneut an und es kam zu einer kurzen, aber bedeutenden Konversation, die sich für immer in unser beider Gedächtnis brennen und alles verändern sollte ...

"Was wäre, wenn ich nun fallen sollte, würdest du mich dann versuchen festzuhalten?"
...
"Ja, würde ich und zwar ohne zu zögern."
...
"Aber wieso? Warum solltest du das tun, Deidre?"
...
"Weil ich dich nicht verlieren wöllte."
...
"Du kennst mich kaum, wieso würdest du mich also retten wollen? Es kann dir doch egal sein, ob ich sterbe oder nicht!"
...
"Ganz einfach: Weil ich das Gefühl habe, dass du die Einzige bist, die mich wirklich versteht."
...

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