2. Kapitel ~

family story ~

Ich trat in den Flur und schloss die Tür so leise, wie möglich, hinter mir zu. Aber ich wusste, dass er mein Heimkommen schon längst bemerkt hatte.
"Na, wie lief es heute in der Schule. Diesmal was hinbekommen?", begrüßte mich auch schon die kühle, trockene Stimme meines Vaters aus der Küche, welche direkt an den Flur angrenzte.
Ich wollte ihm antworten, wollte sagen, dass er endlich aufhören soll mich so fertig zu machen. Ich wollte ihm einfach ein für alle mal sagen, was Sache ist, damit er endlich begreift, dass sein dummes Gelaber sinnlos ist und wennschon alles nur noch schlimmer macht, als es ohnehin schon ist!
Mit ausdruckslosen Augen sah ich direkt in seine. So verharrte ich für wenige Sekunden, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten. Dann aber wand ich mich, ohne ein Wort gesagt zu haben, von ihm ab und ging mit langsamen Schritten zur Treppe, griff verzweifelt nach dem Geländer um Halt zu finden und zog mich dann die Stufen nach oben zu meinem Zimmer.
Oben angekommen, drehte ich mich nochmals auf dem Absatz um und starrte nach unten in den schmalen, kalten Flur. Es war so ruhig, dass ich, selbst durch die geschlossene Tür, die Uhr in meinem Zimmer ticken hören konnte und auch das alte, rauschende Radio aus der Küche, welches mein Vater fast immer aufdrehte. Immer lief dieses eine Lied. Ihr Lied: Seins und Mums.
Wieso musste es soweit kommen? Wieso ist Mum nicht mehr da, musste uns beide für immer verlassen? Sie hat versprochen immer für mich da zu sein, wenn ich sie brauchen würde, doch dieses Versprechen brach sie vor 3 Jahren.
Das Einzige woran ich mich erinnern kann, ist ihr Schreien und Flehen. Ich habe gesehen, wie sie starb. Direkt vor meinen Füßen, doch ich konnte nichts tun, oder wollte ich ganz einfach nicht?
All meine Erinnerungen an diesen Tag sind verschwommen und unklar, doch seitdem hasst mein Vater mich und geht mir so gut wie immer aus dem Weg. Er kann es nicht ertragen mir ins Gesicht zu sehen. Er dachte es würde besser werden, wenn wir umziehen würden, doch alles wurde nur noch chaotischer.
Er selber ist psychisch total am Ende und meist treffe ich ihn betrunken an oder er schläft bereits. Ich selber bin auch nicht gerade in einem viel besseren Zustand, abgesehen davon, dass ich, dank ihm, eine Abneigung gegen Alkohol entwickelt habe. An ihm zu sehen, wie man dadurch enden kann, hat gereicht, damit ich die Finger davon lasse, immerhin braucht er mich doch...
Auch wenn er es nicht will und nicht merkt: Ich bin immer für ihn da. Ich räume die leeren Flaschen weg und putze so gut es geht, in der Zeit wo er schläft. Ich bin die, die ihn zudeckt, wenn er sich mal wieder hat zulaufen lassen und danach eingenickt ist. Er weiß es nicht, aber ich würde ihn niemals im Stich lassen, auch wenn ich weis, dass er mir niemals danken wird. Er gibt mir die Schuld an allem, was passiert ist und mittlerweile kann ich ihn deswegen sogar verstehen.

Hätte ich nur reagiert... Etwas unternommen... Einfach mal gehandelt, anstatt da EINFACH NUR RUMZUSTEHEN UND NICHTS, ABER AUCH GAR NICHTS ZU TUN!

Eine Träne lief mir über die Wange und tropfte zu Boden. Schnell wischte ich sie mit dem Ärmel meiner Strickjacke weg. Ich wollte nicht, dass er es sieht...
Ich wand mich wieder meiner Zimmertür zu und öffnete diese mit einem leisen Knarzen. Schnell verschwand ich in dem Raum, meinem Zufluchtsort, dem Platz, wo ich sicher vor der Welt war und einfach nur ich sein konnte.
Hinter mir fiel die Tür ins Schloss und mit einem leisen Klicken schloss ich sie ab.
Es herrschte Dunkelheit, dennoch machte ich kein Licht an. Ich kannte dieses Zimmer besser als jeder andere und steuerte zielstrebig geradeaus, blieb dann stehen und ließ mich nach vorne fallen.
Mein Fall wurde von meiner Bettdecke abgefedert. Seufzend vergrub ich mich Gesicht in dieser und spürte dann, wie sich links und rechts von mir etwas weiches an mich drückte. Ich hörte leises Atmen und ein kurzes Winseln, dann war wieder Ruhe.
Gedankenverloren kraulte ich durch das Fell der Beiden Hunde und sah noch kurz auf meinen Wecker, welcher mir in neongrünen Buchstaben die Zeit mitteilte.
Es war noch recht früh... noch nicht allzu spät, jedoch zu spät, um das Geschehene zu verändern.
Zu spät, um sie Vergangenheit zu vergessen ...

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