56- Keine Maschine
Seit Stunden lag ich wach und schaute der Sonne beim Aufgehen zu. So habe ich es den ganzen Sommer lang gemacht, jeden einzelnen Morgen, denn lange schlafen konnte ich nicht. Der frühe Morgen ist die schönste Zeit am Tag, man sieht die Sonne strahlen, den restlichen Tag bleibt sie verborgen hinter schwarzen, großen, dicken Wolken. Immer zu muss ich an Ethan denken, wenn ich den Sonnenaufgang anschaue, schließlich war er der jenige der mich auf die Idee brachte. Er meinte, solange dass mit meinem Traumhaus nicht klappt, solle ich doch einfach mein Bett an mein Fenster schieben. Gesagt getan. Nun kann ich nachts die Sterne beobachten und morgens den anbrechenden Tag.
Ich lag noch lange eingekuschelt in meinem Bett und dachte nach. Bis es anfing zu regnen und unzählige Tropfen die Fensterscheibe runter rannen. Das war mein Stichwort, der Tag hat begonnen. Ich schlage die warme Decke zur Seite und stehe auf. Kaum betrete ich das Bad, stürmen Hauselfen in mein Zimmer und machen sich daran mein Bett zu machen. Wie jeden Morgen lasse ich mir ein warmes Schaumbad ein und lasse mich entspannt hineingleiten.
Meine Haare triefen von Nässe als ich mich im Spiegel betrachte. Schon lange glich mein Spiegelbild nicht mehr dem Mädchen, welches zu Beginn der Sommerferien fröhlich in den Spiegel grinste. Nein, dieses Mädchen sieht wesentlich ernster aus. Ihr Ausdruck leer, ohne jegliche Emotionen. Dunkle Schatten trägt sie unter den Augen. Genau das Mädchen, welches mein Vater seit Wochen aus mir macht. Eine Maschine, die einfach nur funktioniert und dabei glänzte, dass war es was mein Vater wollte. Ich cremte meinen Körper ein und ließ mir dabei Zeit. Schließlich habe ich noch genug Zeit bis ich zum Frühstückstisch erscheinen musste. Mit etwas Schminke versuche ich, meine Augenringe abzudecken. Ich föhnte meine Haare und trug zum Schluss etwas Wimperntusche auf. Schließlich hatte ich meinen Eltern gepflegt unter die Augen zu treten.
Als aus dem Badezimmer trete, erwarten mich bereits zwei Hauselfen. Illa ist nicht unter ihnen, ich habe sie schon eine Weile nicht mehr gesehen. Ich habe mich mit ihr zu gut verstanden, dass schickt sich für eine Malfoy nicht. Mittlerweile arbeiten viel zu viele Hauselfen hier. Früher hat meinem Vater eine gereicht, nun sind es über zehn. Die beiden wollen mir ein Kleid überstreifen "Ich kann mich selbst anziehen", sage ich leise, doch sie hören nicht auf mich. Warum auch, schließlich habe ich zu funktionieren und nicht meinen eigenen Willen durchzusetzen. Ich will nicht mehr nur funktionieren, ich will mein altes Ich zurück mit samt meinem alten Leben. Doch ich riss mich zusammen. Man kann nun die Tage an der Hand abzählen, bis es zurück nach Hogwarts geht. Ich freue mich, auch wenn Hogwarts nicht mehr Hogwarts sein wird. Snape ist nun der Schulleiter, die Schule rein von Schlammblütern.
Nachdem mich die Hauselfen mich fertig gekleidet haben, laufe ich mit erhobenem Kinn an den Hauselfen vorbei. Ohne mich bei ihnen zu bedanken, so wie es sich gehört, auch wenn es schmerzt. Ich trage einen Rock und eine schlichte Bluse, die Bluse reingestopft. May tritt fast gleichzeitig wie ich aus ihrem Zimmer, gemeinsam laufen wir die Treppen herunter. Die Flügeltüren zum Essbereich werden geöffnet "Die Zwillinge erscheinen zu Tisch", verkündet ein Hauself. May und ich verschränken gehorsam unsere Hände hinter dem Rücken "Einen schönen Morgen, Mutter und Vater", begrüße ich die beiden. Vater sieht kurz auf und nickt uns zu. Ich laufe um den Tisch herum, als mein Vater mich fauchend zurecht weißt "Deine Haltung Kira", umgehend richte ich mich auf und setze mich elegant auf meinen Platz. Während dem Essen, fällt mein Blick auf meinen Zwilling, sie scheint das alles was in den letzten Wochen passiert ist besser aufzunehmen als ich. Äußerlich gibt es nicht mehr was uns voneinander unterscheidet. Seitdem wir unsere Klamotten nicht mehr selbst aussuchen, laufen wir gleich rum. Aufgrund des Zauberverbots außerhalb von Hogwarts, kann ich mir keine Locken mehr machen, was mittlerweile zu meinem Markenzeichen gehört. Nun laufe ich mit glatten Haaren rum, genauso wie May. Vater liest einen Artikel vor, indem von weiteren Verhaftungen von Muggelstämmigen berichtet wird. Daraufhin sieht er uns abwechselnd an "Gut so", sage ich ohne mit der Wimper zu zucken "Es sollten nur die unseren zaubern dürfen", fügt May hinzu. Mein Vater lächelt zufrieden, sofern man es lächeln nennen kann. Nur scheint er nicht bemerkt zu haben, dass ich sowie May dabei auf unsere Hände gestarrt haben und alles gelogen war. Rationales Denken, das ist es was er uns seit Wochen versucht einzutrichtern. Alles fing an, als er meinte er würde mir schon noch alle Flausen austreiben, nachdem er das mit Leia herausfand. Seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen. Er stellte klare Regeln auf, die ich zu befolgen habe, ansonsten wird es auf eine Bestrafung hinaus laufen. May wurde automatisch mitreingezogen. Doch auch wenn er es mit allen Mitteln versucht, wird er unsere Persönlichkeit nie komplett unterdrücken können. Selbst wenn wir ihm eine heile Welt vorspielen.
Zu solch einer Situation kommt es beim Mittagstisch. May und ich unterhalten uns meistens über Telepathie, denn dort sind wir wirklich ungestört. So erfand meine Schwester eine Geschichte über ein Gemüse Monster um mich aufzuheitern. Als Vater beschäftigt war und eine Weile nicht mehr aufgesehen hat, nutzt May die Chance. Sie legt sich zwei Gurkenscheiben auf die Augen, drückt eine halbe Tomate auf ihre Nasenspitze und schiebt sich ein Paprikastreifen zwischen die Lippen. "Du bist verrückt. Absolut verrückt und du willst meine Schwester sein?", wir lachen beide aus vollem Herzen. Bis er uns entdeckt und seine Hand mit solch einer Wucht auf den Tisch schlägt, dass das Geschirr nur so scheppert. Blitzschnell nimmt May das Gemüse vom Gesicht und sieht betreten auf ihren Teller. "Tut mir leid", sagt sie. Mein Vater springt auf, genauso wie meine Mutter "Sie sind doch noch Kinder", meint sie und versucht ihn zu besänftigen. "Sie sind bald fünfzehn, sie sind schon lange keine Kinder mehr. Ihr habt weder Anstand noch Disziplin, ihr solltet euch was schämen!", wütet er "Eine Malfoy hat sich angemessen zu verhalten und ein tadelloses Benehmen an den Tag zu legen. Nicht einmal das könnt ihr. Verschwindet auf eure Zimmer, wenn ihr nicht mal im Stande seid zu essen wie es sich gehört."
Wir stehen auf, als mein Blick auf Draco fällt. Sein Blick ist ebenfalls ausdruckslos, doch ich weiß dass es ihm nicht gefällt wie Vater sich verhält. "Nur noch ein paar Tage", murmle ich meiner Schwester zu.
*
Der erste September, endlich ist er da. Der Tag an dem ich mein viertes Schuljahr antrete. Ungeduldig warte ich auf meinen Bruder, ich will hier endlich weg. Weg von diesem Haus, welches sich nicht mehr wie ein Zuhause anfühlt. "Wir können los", ruft Draco und läuft auf uns zu. Er nimmt uns an den Händen, gemeinsam apparieren wir zum Gleis.
"Und du kommst wirklich nicht mit?", frage ich Draco, als unser Gepäck verstaut ist. "Nein", sagt er. "Schade, ich werde dich vermissen", sage ich und presse meine Lippen aufeinander. "Du wirst mich vermissen? Kein frecher Konterspruch, kein Sarkasmus?", ich schüttle den Kopf und sehe zu ihm auf. Er nimmt mich daraufhin in den Arm und drückt mich fest an sich. "Weißt du eigentlich dass ich stolz auf dich bin?", verwundert sehe ich ihn an. Er nickt als Bestätigung für das was er eben gesagt hatte. Ich drücke mich instinktiv fester an ihn und schmunzle. Er küsst meine Stirn. Danach verabschiedet er sich von May, indem er sie hochhebt und fest an sich drückt.
Die Uhr schlägt demnächst elf Uhr, als Draco uns noch mal zu sich zieht "Nun geht und seht zu, dass ihr mir meine beiden frechen, nervigen kleinen Schwestern zurückbringt", sagt er so leise das nur wir es hören. Das ist Draco, so wie ich ihn kenne und nicht der Draco, denn all die anderen kennen.
Ethans Sicht
Gerade schiebe ich die Tür zum Slytherin Abteil auf, als ich Kira Malfoy darin sitzen sehe. Verwundert sehe ich zu ihr, sie saß noch nie in diesem Abteil. Sie saß immer in einem normalen Abteil. Neben ihr sitzt ihre Zwillingsschwester, die ihren Kopf mit geschlossenen Augen an die Fensterscheibe gelegt hat. Kira sieht wie ausgewechselt aus. Sie sieht nicht mehr so fröhlich aus. Früher hat sie fast immer gelacht, selten habe ich sie ohne Lächeln und gute Laune erlebt. Fertig und ausdruckslos, sieht sie aus. Ihre Beine hat sie überschlagen, ihre Hände ruhen auf ihren Knien. Die Haare hängen, glatt ohne eine einzige Welle runter. Sie sind länger geworden, fällt mir auf. Kira sieht zu mir und erwischt mich dabei, wie ich sie angestarrt habe. Sie schenkt mir ein kleines Lächeln, vor peinlicher Berührung winke ich ihr grinsend zu. Dann wendet sie ihren Blick wieder von mir ab. Plötzlich bekomme ich eine riesen Wut auf diesen Menschen, der ihr Lächeln gestohlen hat.
Kiras Sicht
Schon seit einigen Sekunden spüre ich einen Blick auf mir. Ich hebe meinen Blick und sehe Ethan am Abteil Eingang stehen. Ich lächle ihm zu, ich freue mich ihn zu sehen. Als meinen Blick von ihm abwende, sehe ich aus dem Augenwinkel wie er seine Hand zu einer Faust ballt und auf mich zu schreitet. "Hey", begrüßt er mich, ich stehe zügig auf und umarme ihn. Als wir uns voneinander lösen und ich merke was ich getan habe, laufe ich rot an. "Na Mulciber ist das deine kleine Freundin?", spottet ein Junge. Mit gesenktem Kopf nehme ich wieder meinen Platz ein. "Manchmal hat man einfach das Bedürfnis andere Menschen zu umarmen, es muss nicht sich nicht gleich um Liebe handeln. Nun halt endlich deine Klappe und setz dich auf deinen Hintern", meckert meine Zwillingsschwester ihn an.
Ethan setzt sich mir gegenüber "Ich vermisse deine frechen Antworten." Ich seufze, er ist schon der zweite Mensch der das zu mir sagt. "Ich schätze mal, ich muss mich erst mal selbst wieder finden", sage ich daraufhin. Ich bin ein Mensch und keine Maschine. Diese Worte versuche ich mir in meinen Kopf zu brennen, sollte ich es jemals vergessen. In Hogwarts kann ich zwar so sein wie ich bin, ich brauche mich nicht zu verstellen. Doch wenn ich meine Maske nun ablege, endet das in einem niemals endenden Wasserfall voller Emotionen.
× × ×
Helllooooo :)
Ziemlich mies was Kira wegen ihrem Vater durchmachen musste...
Wie findet ihr es eigentlich das May und Kira sich über Telepathie unterhalten können?
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