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Als ich am selben Abend um neun Uhr das kleine, mexikanische Restaurant betrat in dem sich die Redaktion vor der eigentlich Feier verabredet hatte, stolperte ich schon an der Garderobe in Jenny und ihren Begleiter.
„Liv! Das ist Nico."
Sie warf dem großen, dunkelhaarigen Mann einen schmachtenden Blick zu, als er mir mit einem freundlichen Lächeln die Hand reichte.
„Schön dich kennenzulernen.", begrüßte er mich höflich. Seine Stimme war tief und angenehm und als er mich aufrichtig anlächelte, blitzten seine dunklen Augen sanft auf. Ich verstand, dass Jenny sich in ihn verguckt hatte.
„Bist du alleine gekommen?", erkundigte sich Jenny mit einem besorgten Blick in meine Richtung, nachdem sie sich bei Nico untergehakt hatte und wir in Richtung unseres Tisches liefen. Ich verdrehte die Augen, musste allerdings auch schmunzeln.
„Ja, bin ich. Und ich bin froh darüber.", versicherte ich ihr und tätschelte sanft ihren Oberarm, bevor ich mich Jonah, Ashlyn, Damien und einige andere Menschen, die ich nicht besonders gut kannte, zu wand, die Karte aufschlug und das Menü scannte. Am Tisch herrschte ausgelassene Stimmung.
Zu meiner linken saß Ashlyn. Sie hatte ihren Freund mitgebracht und war in ein Gespräch mit ihm verwickelt, weswegen ich gelangweilt in die Runde schaute, um einen Gesprächspartner zu finden. Doch ich musste dabei feststellen, dass tatsächlich jeder mit einem Begleiter gekommen war. Jeder außer mir. Seufzend lehnte ich mich im Stuhl zurück und schaute mich im Restaurant um. Überall standen große Holztische dekoriert mit bunten Tischdecken und die Wände waren plakatiert mit Fotos von Stierkämpfen, mexikanischen Tänzen und hübschen Frauen. Im Hintergrund spielte eine Live Band mexikanische Musik und das Licht war leicht gedimmt. Eigentlich war es hier ja sogar ganz hübsch, trotzdem konnte ich es kaum erwarten, wieder nach Hause zu kommen. Ich hatte einen langen Tag gehabt und das ich immer noch kein geeignetes Thema für meinen Artikel gefunden hatte, zerrte an meinen Nerven.

„Wo ist denn eigentlich dein Date, Liv?", riss Damien mich aus meinen Gedanken und sein spöttischer Blick über den Tisch hinweg durchbohrte mich beinahe.
„Er verspätet sich nur. Er sollte aber bald kommen.", log ich ihn eiskalt an und fühlte mich dabei nicht einmal schlecht. Er war ein Mistkerl, er hatte es verdient.
„Gib's zu, es wollte sich einfach keiner dazu herablassen, mit dir zu kommen."
Er lachte dümmlich auf und die wasserstoffblonde Barbie neben ihm tat es ihm gleich. Angewidert schüttelte ich den Kopf und beschloss, die beiden einfach zu ignorieren. Was besseres hatten sie sowieso nicht verdient.
„Weißt du schon was du nimmst?", fragte Jenny mich plötzlich, die aufgehört hatte, Nico anzuschmachten und sich nun mir zugerichtet hatte.
„Wein und Tacos.", sprach ich knapp und säuerlich, ohne meinen Blick von Damien und der aufgetakelten Blondine vor mir zu nehmen und ignorierte den verwirrten Blick der Rothaarigen, den ich im Augenwinkel erkennen konnte. Sie zuckte darauf hin nur die Schultern und begann die Karte zu studieren, während ich mit leicht verzogenem Gesicht Damien und seine Schnalle beobachtete. Selbst so ein Kotzbrocken wie er hatte jemanden gefunden, den er zu dieser Feier mitbringen konnte. Wie war so etwas überhaupt möglich?

Es dauerte nur bis die Kellnerin die Bestellung aufgenommen hatte, da hatte ich schon genug von der ganzen Truppe und entschuldigte mich, bevor ich aufstand und das Restaurant nach der Toilette absuchte. Eigentlich musste ich ja gar nicht, doch die ganze Gesellschaft und Damien sowie sein Anhängsel war mir einfach zu viel geworden.
Ich hatte gerade eine Tür mit einem Schild gefunden, auf welchem in geschwungener Schrift Toiletten stand, als genau diese Tür plötzlich schwungvoll geöffnet wurde und ich einen erschrockenen Sprung zurück machte, um nicht das massive Holz schmecken zu müssen.
Heraus trat ein Mann, etwa Mitte Zwanzig, gekleidet in dunkle Jeans und einem recht eng anliegenden, cremefarbenen Pullover und schaute mich erschrocken an.
„Oh, tut mir, leid! Ich habe dich doch nicht erwischt, oder?", erkundigte er sich und schien sich aufrichtig zu sorgen. Doch ich schaute den Mann einfach nur dümmlich an. Seine braunen Haare waren schulterlang und in seinem Nacken zu einem kleinen Zopf zusammengebunden. Er hatte einen leichten, gepflegten Bart und seine hellgrünen Augen stachen durch seine leicht gebräunte Haut attraktiv hervor. Er sah gut aus, das musste ich zugeben.
„Nein, alles gut."
Ich schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln und durfte dann beobachten, wie sich sein Mund zu einem strahlend weißen Grinsen verzog.
„Da bin ich aber froh.", lachte er und schaute mir dabei direkt in die Augen.
„Ich bin Liv.", sagte ich, als er auch nach ein paar Sekunden noch immer nicht den Blick von mir abgewandt hatte und ich das Gefühl verspürte, etwas sagen zu müssen.
„Max.", antwortete er mit dem gleichen Lächeln von eben und hielt mir freundlich die Hand hin, welche ich mit einem zurückhaltenden Schmunzeln ergriff.
„Aus einem besonderen Anlass hier?", fragte er dann plötzlich und ich schaute ihn verwirrt an, bis er mit der Hand an mir herunter deutete und mir wieder einfiel, dass ich ein schlichtes, aber schickes, schwarzes Kleid und hohe Schuhe trug.
„Betriebsfeier. Oder jedenfalls der erste Teil davon. Erst einmal sind nur das Personal und die Begleiter eingeladen. Später geht's dann noch zur großen Party.", lachte ich verlegen und fuhr mir mit einer Hand über den linken Oberarm.
„Verstehe. Dein Begleiter kann sich ja wirklich glücklich schätzen."
Er flirtete mit mir. Ich flirtete eigentlich nie mit Männern, aber ich war durchaus in der Lage zu erkennen, wenn man mit mir flirtete.
„Ich bin ohne Begleiter hier, um ehrlich zu sein.", gab ich zu und zuckte mit den Schultern.
„Wieso auch nicht? Ich habe mich auch dazu entschieden, alleine essen zu gehen, aber irgendwie ist es ja schon langweilig."
Max lachte leise, während er sich am Nacken kratzte und ich lächelte ihm belustigt zu.
Und plötzlich kam mir eine Idee. Eine Idee, mit der ich Damien ein wenig ärgern und etwas angenehme Gesellschaft genießen könnte.
„Warum setzt du dich nicht einfach zu uns?"

Ich spürte Damiens komische Blicke schon auf mir seitdem ich mit Max zu unserem Tisch zurückgekehrt war und ihn als mein Date bezeichnet hatte, das sich leider verspätet hatte. Ich war mir aber ziemlich sicher, dass das Problem nicht war, dass ich doch einen Begleiter zu haben schien, doch dass selbst Damien nichts gegen Max hatte und sich sogar eine Weile lang angeregt mit ihm über Basketball unterhielt. Zufrieden bestellte ich mir noch einen Wein und zwinkerte dann Jenny zu, welcher ich eben kurz und im Flüsterton erzählt hatte, wo ich Max gefunden hatte. Belustigt grinsend schüttelte sie den Kopf.
„Dein Glück muss man haben.", raunte sie mir zu und ich zuckte nur amüsiert mit den Schultern, bevor ich mich Max zuwandte, der sein Gespräch mit Damien mittlerweile beendet hatte.
„Also, Max. Erzähl mir doch mal, was du so beruflich machst."
Interessiert stützte ich mein Kinn auf meiner geschlossenen Hand und stellte meinen Ellbogen auf dem Tisch ab, während ich mich komplett dem gutaussehenden Mann neben mir zugewandt hatte.
„Ich bin seit ein paar Monaten stellvertretender Geschäftsführer einer Architektenfirma.", erzählte er mir und drehte sich ebenfalls in meine Richtung, sodass sich unsere Knie unterm Tisch streiften. Überrascht vergrößerten sich meine Augen. Stellvertretender Geschäftsführer? Nicht schlecht. Ich nickte beeindruckt.

„Und du so?", erkundigte er sich dann und nahm einen Schluck von seinem Rotwein. Ein Architekt der gerne Rotwein trank und Sport trieb. Jenny hatte Recht, mein Glück musste man erst einmal haben.
„Ich fange demnächst hoffentlich mit dem Studieren an. Journalismus."
Er lachte leise und ich legte fragend den Kopf schief.
„Journalismus? Das passt gut zu dir."
Er grinste und auch wenn ich nicht wirklich wusste, was er damit meinte, erwiderte ich sein Grinsen. Einfach weil es mir richtig erschien.

Als es langsam dunkel wurde und die Nacht über Jacksonville hereinbrach, machte sich unsere kleine Gesellschaft schließlich dazu auf, in die extra aufgeräumte und geschmückte Redaktion umzuziehen, um dort mit mehr Gästen zu feiern. Ich musste gar nicht erst überlegen, ich fragte Max einfach, ob er mitkommen wollte und er hatte sofort breit lächelnd zugestimmt.

Wirklich glamourös sah es in der Redaktion ja nicht gerade aus, doch es war wenigstens schöner, als es noch am Nachmittag gewesen war. Der große Besprechungssaal war von seiner normalen Ausstattung befreit worden und nun mit zahlreichen Stehtischen und einer großen Bar ausgestattet.
„Ich hol uns mal was zu trinken.", bot Max sich gleich an und verschwand auch schon zur Bar, ohne dass ich ihm überhaupt antworten konnte. Ich gesellte mich also zu Jenny und Nico, die kichernd an einem der Stehtische miteinander tuschelten.
„Wo ist Max?", fragte Jenny sofort, als ich bei ihnen angekommen war.
„Der holt uns was zu trinken."
Sie nickte bedächtig.
„Er ist heiß, du solltest ihm nach einem zweiten Date fragen.", befand sie und selbst Nico stimmte ihr mit einem eifrigen Nicken zu.
„Das hier ist doch kein Date.", lachte ich leise und warf einen Blick zur Bar, wo Max gerade zwei Sektgläser in Empfang nahm. Rasch wandte ich mich wieder ab, damit er nicht sah, dass ich ihn beobachtete.
„Ich hoffe Sekt ist okay?"
Max war mittlerweile an unserem Tisch angekommen und reichte mir ein Glas, bevor er sich neben mich stellte. Ich nickte.
„Perfekt."
An meinem Sektglas nippend schaute ich mich im Raum um, während Jenny Max in ein Gespräch verwickelte. Ich war überrascht, wie viele Leute tatsächlich gekommen waren. Kaum zu glauben, dass diese mickrige Zeitschrift so viele Anhänger hatte. In der Mitte des Raumes war genug Platz um zu tanzen, doch bisher tat dies noch niemand, obwohl sogar einigermaßen gute Musik gespielt wurde. Im Moment schallte P!nks What About Us uns entgegen, doch der schöne Song wurde fast gänzlich von den lebhaften Gesprächen der Gäste übertönt, welche ich aus Langeweile, Jenny und Nico beanspruchten Max ganz für sich, zu beobachten begann. Es war offensichtlich, dass die meisten sich hier für etwas Besonderes hielten, nur weil sie bei einer Zeitschrift arbeiteten. Die Männer, die meisten waren um die 40 und älter, betranken sich, während sie Geschäfte abwickelten und ihre Frauen in engen Cocktailkleidern lautstark miteinander tuschelten. Plötzlich wurde ich neugierig und wollte wissen, was diese einigermaßen wohlhabenden Ehefrauen wohl so zu besprechen hatten, dass ich mich kurzer Hand von meiner Gruppe loslöste, es fiel nicht einmal auf, dass ich sie allein ließ und mich einfach zu einigen Frauen stellte, die ganz bestimmt nicht mehr nüchtern waren. Es fiel gar nicht auf, dass ich mich einfach so unter sie gemischt hatte und so war es mir ein Leichtes, den neusten Tratsch zu erfahren. Zum Beispiel hatte Barbara Johnson ihren Ehemann mit einem zwanzig Jahre jüngeren, männlichen Model betrogen und das, obwohl sie vier Kinder hatten. Interessant.
Es war schon echt unterhaltend, die Geschichten der verschiedensten Ehebrüche mitzukriegen und wie die Frauen mit diesen Familienzerstörungen umgingen, fand ich äußerst interessant. Auf Gefühle wurde nicht geachtet, dass fand ich heraus, als eine Frau über das Gewicht ihrer besten Freundin lästerte, welches nach ihrer Scheidung angeblich so extrem gestiegen war.
Nach einer Weile hatte ich dann aber genug gehört, teilweise waren die Geschichten sich auch einfach total ähnlich und die Frauen waren so betrunken, dass sie manche sogar zweimal erzählten und dann jeder auf total überrascht tat. Ich leerte mein Sektglas, bevor ich mich umdrehte und auf den Weg zurück zu Jenny, Nico und Max machte und während ich das hämische, intrigante Lachen der Frauen hinter mir hörte, kam mir plötzlich eine Idee. Nein, nicht einfach nur eine Idee. Es war die Idee. Ein siegessicheres Grinsen legte sich auf meine Lippen und als ich wieder neben Max stand legte ich ihm, noch immer mit dem Grinsen im Gesicht, eine Hand auf die Schulter. Überrascht drehte er sich zu mir herum, doch erwiderte mein Grinsen, als er sah, dass ich es war.
„Gutes Timing. Ich wollte mich gerade verabschieden.", meinte er und ich nickte verstehend. Ich hatte ihn schon lang genug beansprucht und sollte ihm wirklich für diesen Abend danken.
„Aber wie wär's, wenn wir demnächst mal einen Kaffee zusammen trinken gehen?"
Ups, da war er mir wohl zuvor gekommen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Jenny mich aufgeregt angrinste. Ich lächelte Max leicht an, bevor ich schließlich nickte.
„Das wäre sehr schön."


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