4. Are you kidding me?!
Leise Musik. Ein Kaffebecher in der Hand. Die Sonnenbrille auf der Nase. Und alles ist perfekt.
Naja.
Nicht ganz.
Da wären noch meine streitenden Mitfahrerinnen. Aber lassen wir die mal außen vor.
„Country-Musik ist scheiße! Wer hört sich so einen Schrott an?!"
„Pass bloß auf, was du da sagst! Du hast hier eine Country-Musik-Legende vor dir sitzen!"
Selbstverliebt, selbstverliebt, echote meine innere Stimme und lachte leicht, ich konnte da nur die Augen verdrehen.
Taylor funkelte El durch den Rückspiegel an, El dagegen schnaubte und fummelte an dem Radio-Sender rum. „Ey, Finger weg!", keifte Taylor und schlug ihre Hand weg. „Aber das ist nicht mehr mit anzuhören, Taylor! Mir gehen davon die Ohren kaputt!", entgegnete diese quälend und reckte sich abermals vor, um an dem kleinen Knopf zu drehen.
Ach.
Das war wirklich spannender als jeder Action-Film, und ich musste nicht einmal was dafür bezahlen. Wie schön.
Allerdings solltest du aufpassen, dass die beiden sich nicht an die Gurgel gehen. Das könnte böse enden, kam es warnend von meiner Stimme.
Jaja, alles mit der Zeit...
„Dann gehen deine Ohren eben kaputt, nicht mein Problem!"
Ich seufzte.
Doch manch mal waren sie auch ziemlich anstrengend.
Ich schaltete das Radio ganz aus. Dann konnten die beiden sich auch nicht mehr an die Haaren ziehen. Oder sonst einen Zickenkrieg-Mist. Was auch immer.
„Ey!", beschwerten sich jetzt beide.
„Ihr habt euch darum gestritten, was wir jetzt hören! Und bevor ihr euch noch hier im Auto prügelt, mach ich lieber die Musik ganz aus", meinte ich und hob unschuldig die Hände. „Aber ohne Musik ist das langweilig..."
Ich seufzte. Wieder.
Aus Taylor's Rucksack bekam ich ein AUX-Kabel in die Hände und schloss es an die Anlage des Kabrios. Ich scrollte mich durch meine Gute Lieder-Playlist, die bestimmt mehr als 1000 Lieder beinhaltete. Schließlich fing ich an zu lächeln, und tippte auf eines meiner Lieblingslieder.
„Hey hey baby tell me your name
I gotta fever for ya I just can't explain
But there's a problem I'm a bit old school
When it comes to lovin' I ain't chasin' you
Cause I lookin' at no one else"
„Nicht. Dein. Ernst." Taylor sah mich ungläubig an und schüttelte langsam den Kopf. „Willst du mich umbringen, oder wieso spielst du diese Scheiße ab?"
„Das ist keine Scheiße, das ist richtige Musik! Tut mir leid, ich muss El leider Recht geben. Country ist echt der letzte Schrott. Guck nicht so getroffen, ich kann ja nichts dafür!" Ich fing an zu lachen, El grinste triumphierend und Taylor schüttelte weiter fassungslos den Kopf. „Ich bin hier in der Irrenanstalt."
Zufrieden lehnte ich mich wieder zurück und schaute in den wolkenfreien Himmel. Die Sonne schien unerbittlich auf uns herab, und ab und zu rollte mir eine Schweißträne die Stirn hinab. Mein Shirt wäre sicherlich schon vollkommen durchgeschwitzt, wäre da nicht der kühle Fahrtwind, der an uns vorbeizog.
Ich schloss meine Augen.
Das war schön.
Am liebsten würde ich den ganzen Tag so liegen, am besten noch einen - alkoholfreien - Cocktail mit Schirmchen, Eis und Strohhalm - vielleicht sogar noch eine Zitronen- oder Orangenscheibe - in der Hand.
Einfach nur mal diesen Luxus ausnutzen und genießen.
Das Lied endete, und die ersten Töne von Towers erklangen.
Es erinnerte mich an mein Leben, irgendwie. Als wäre es nur dafür geschrieben worden.
You never brought me flowers
Never helped me in my darkest hours
And you left it so late that my heart feels nothing nothing in towers
Etwas Heißes traf auf meine Wange.
Scheiße, war das etwa eine Träne?
Fing ich gerade an zu weinen?
Ich wischte einmal mit meiner Hand über meine Wange - und tatsächlich, ich hatte angefangen zu weinen. El legte mir von hinten eine Hand auf meine Schulter und sah mich mit einem mitleidigen Lächeln an. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass nur die beiden wirklich wussten, wie ich fühlte. Nicht Haley. Nicht Dad. Und besonders nicht Niall.
Nur sie hatten eine Ahnung dessen, was ich gerade durchmachte.
'Cause once you owned my heart
...einst hat dir mein Herz gehört...
I still feel loved when I see your face
...ich fühle mich noch geliebt, wenn ich in dein Gesicht sehe...
But all these tears I can't erase
...aber diese Tränen kann ich nicht ungeschehen machen...
„Scheiße, man", fluchte ich leise und wischte mir die nächsten Tränen weg.
Wie war das nochmal mit dem Nicht-weinen?
Lass es ruhig raus, Layla. Lass es raus.
Als hätte Taylor sie gehört, nahm sie mein Handy und stellte das Lied auf Dauerschleife. Beide sprachen kein Wort. Immer mehr und mehr Tränen rollten meine Wange hinab. In letzter Zeit war ich zur Heulsuse geworden, aber um ehrlich zu sein interessierte es mich einen Scheiß. Ich hatte nicht mehr so viel geweint seit der Beerdigung meiner Mum, also hatte ich ein gutes Recht dazu.
Ich werde mich niemals mehr so binden.
Es tat viel zu sehr weh, wenn jemanden einen verließ, der wahre Liebe verspürte.
Scheiße. Es tat verdammt scheiße weh.
Er hatte mir meine Luft zum Atmen genommen, und das Herz, worauf er nun herumtrampelte.
Am liebsten würde ich schreien.
Aber kein Laut kam über meine Lippen.
Ich brauchte einen Boxsack, auf dem ich einprügeln konnte. So richtig. Meiner Trauer freien Lauf lassen. Ja, das ist es, was ich brauche.
Ich will dieses Model, das sich jetzt seine neue Freundin nennen darf, erwürgen. Mit meinen eigenen Händen. Sie soll das fühlen, was ich gerade fühlte. Diesen Schmerz. Meinetwegen darf sie dann tot umfallen. Sie hat ihn mir genommen. Oder er hat mich verlassen, weil sie um so vieles schöner war, das man denken könnte, das Gott auf Droge war als er sie erschaffen hatte. Oder erfolgreicher. Ich war nicht einmal beides. Ich war weder schön noch erfolgreich. Mittlerweile hatte ich gar nichts mehr.
Ich konnte nicht mehr Eislaufen.
Singen erinnerte mich zu sehr an ihn.
Tanzen erinnerte mich an Mum.
Verdammt, ich konnte nichts mehr machen, was mich an geliebte Menschen erinnerte!
Auf einmal ruckelte es und der Wagen blieb stehen.
„So eine verdammte Scheiße!", schrie Taylor und sprang aus den Wagen. Ohne zu gucken, ob da irgendwo irgendwelche Autos kamen, ging sie vorne zur Haube und öffnete die Klappe. Qualm stieg raus. „Man, der ist ja vollkommen durchgeheizt!" Sie fing an zu husten und wedelte den Qualm weg. „Das können wir ja vergessen!"
„Kannst du ihn nicht reparieren?", fragte El und kletterte ebenfalls aus dem Wagen. „Vergiss es. Der ist zu nichts mehr zu gebrauchen!" Taylor schüttelte den Kopf. „Dann müssen wir wohl oder übel die letzten 300 Kilometer zu Fuß laufen."
Ich sprang aus meinem Sitz. „Willst du mich verarschen?! Weißt du, wie lange wir da unterwegs sind? Jedenfalls mehr als zwei Tage! Wir haben weder Geld noch besonders viel Wasser dabei! Und die Handys haben hier kein Netz!"
„Ich weiß, aber anders geht es nun mal nicht!"
Ich schlug die Hände vor's Gesicht und versuchte, mich zu beruhigen.
Atmen, Layla. Atmen.
Irgendeine Lösungen wird sich ja finden lassen.
Ich stimme Taylor ungerne zu. Aber du musst jetzt wohl oder übel einen Abstecher durch die Wüste oder Wälder oder sonst was machen. Es sind doch nur 300 Kilometer - hört sich doch gar nicht so weit an. Oder?
Scheiße. Echt.
Ich seufzte erneut und schnappte mir meinen Rucksack. „Dann schlage ich mal vor, wir fangen an zu laufen, oder?" Taylor schnappte sich ihren und zu dritt gingen wir dann los. In die endlose Landschaft mit den endlosen Straßen.
Hoffentlich überlebe ich das.
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