27. Don't be scared.

Die nächsten Tage verliefen ereignislos. Wir ließen es uns gut gehen, verbrachten die meisten Stunden am Strand und genossen die Wärme der Sonne. Niall hatte bereits nach dem ersten Tag eine krebsrote Haut, sodass ich es mir nicht verkneifen konnte, ihn auszulachen. Daraufhin hätte mein Kopf beinahe Bekanntschaft mit der Sonnencreme gemacht. Ich tat es seitdem nicht mehr, aber lachte innerlich trotzdem.

Dann beschloss das Wetter uns allerdings einen Streich zu spielen. Wir lagen auf unseren Badetüchern, ich gerade in ein Buch vertieft und Niall halb am Dösen, zogen sich die Wolken zu und es fing aus Eimern an zu schütten.

Einfach so.

Dass wir klatschnass wurden, musste ich gar nicht erwähnen.

Auf drei waren wir wieder auf den Beinen, sammelten unsere Sachen ein und rannten so schnell es ging zurück zu dem kleinen Strandhaus. Die Haare klebten mir im Gesicht und ich fror wie sonst was. Umso erlösender war es, als mich die wohlige Wärme des Hauses umgab.

„Das Wetter erinnert mich schon fast an London", bemerkte Niall und strich eine nasse Strähne aus seinem Gesicht. „Nur, dass es hier mehr Schön-Wetter-Tage gibt und nicht dieses scheiß Regenwetter."

Mir kam London gar nicht mehr als Zuhause vor. Vielleicht lag es daran, dass ich mich schon so lange hier in Frankreich aufhielt, dass mir jegliches Empfinden dafür verloren gegangen ist.

Ich zuckte nur konservativ mit den Schultern und stellte die kleine Strandtasche auf einen Stuhl.

Mein Bauch hatte an Umfang zugenommen, wodurch es für mich schwerer wurde, mich zu bücken. Außerdem plagten mich seit einigen Tagen fiese Rückenschmerzen, die einfach nicht weggehen wollte. Das Problemparket schien aber noch nicht komplett zu sein, also wurde mir von Zeit zu Zeit ein wenig schwindelig.

Meine Frauenärztin meinte beim letzten Termin, dass dies alles normal für eine Schwangerschaft wäre, aber lästig war es trotzdem. Und vor allem schmerzhaft.

Da fragte man sich ja, ob der Mann mehr Schmerzen erleiden musste oder ob es doch die Frau war.

Niall begab sich in die Küche, während ich langsam hinterher trottete und mich auf einen der drei Barhocker sinken ließ. Stöhnend fasste ich mir an den Kopf. „Ich hasse Kopfschmerzen."

„So schlimm?"

Ich spürte seinen Blick auf mir. Stumm nickte ich. „Wenn ich wieder so einen Migräneanfall bekomme, schreie ich", sprach ich und massierte mir leicht die Schläfe. „Aber mich wundert jetzt sowieso gar nichts mehr." Ein Lacher erklang und fragend hob ich den Kopf. Niall schien sichtlich amüsiert zu sein: „Mich wundert es nicht, dass du das gesagt hast." Er setzte sich auf den freien Barhocker neben mir.

„Und wieso wundert es dich nicht?"

„Weil es mal wieder so typisch du ist."

Da hat er allerdings Recht.

„Ach, ist das so?"

Niall nickte grinsend und ich konnte nur eine Augenbraue hochziehen. Ein Blitz erschien am Himmel, gefolgt von einem lauten Donnern, das uns zusammenzucken ließ und Nialls Grinsen aus seinem Gesicht fegte.

„Nun, ich würde sagen, dass wir hier erst einmal festsitzen", sprach er die nackte Wahrheit aus und ich konnte ihm da nur zustimmen.

Ein weiterer heller Blitz erschien am Himmel.

Jetzt war ich froh, hier drinnen zu sitzen.

Mir kam Nialls Satz von vorhin wieder in den Sinn. „Das Wetter erinnert mich schon fast an London." Als er diesen Satz gesagt hatte, war mir wieder erst richtig klar geworden, dass Frankreich eigentlich nicht mein Zuhause war. Sondern eher ein Ich-Meide-Meine-Probleme-Ding. Dieser Satz erinnerte mich schmerzhaft aber auch daran, dass ich irgendwann den Heimantritt wagen musste, auch wenn mir der Gedanke nicht gefiel.

Ich würde gerne meine ganzen Freunde hierher holen – aber leider ging das nicht. Sie haben alle ihre Verpflichtungen und ich bin schließlich nur eine von vielen.

Grandma hat mich auch schon ein paar Mal darauf angesprochen. Ich habe jedoch das gemacht, was ich am besten konnte. Ich habe es einfach ausgeblendet.

Man sollte dir dafür einen Preis verleihen, dass du so ziemlich alles ausblenden kannst, egal ob es wichtig ist oder nicht, bemerkte meine innere Stimme mal wieder.

Ich gab ihr keine Antwort.

Wie sooft.

Und dann spürte ich ihn wieder. Den Countdown.

Ich hörte das kleine Ticken einer Uhr in meinem Kopf. Bald war sie bei 0 angelangt und ich stritt mich innerlich immer noch.

„Layla, alles in-"

Es war vielleicht ein Stück weit dumm, es aus Verzweiflung zu versuchen, nur um zu schauen, ob man die richtige Entscheidung treffen konnte. Aber Menschen taten vieles, wenn sie verzweifelt waren. Niall unternahm nichts, als ich ihn mit dem Kuss unterbrach. Er erwiderte ihn einfach und ich war ihm dankbar dafür, dass er einfach nichts sagte.

Ein Schalter legte sich in mir um, alles blendete sich aus. Wie ein Mechanismus, der nur darauf gewartet hatte, umgestellt zu werden.

Wir bewegten uns von den Stühlen, die Treppe hinauf. Nur am Rande bekam ich mit, wie Niall die Tür aufmachte, viel zu sehr stand ich unter diesem pulsierenden Strom, der durch mich floss. Als nächstes spürte ich die Matratze unter meinem Rücken. Meine Haut brannte, als Nialls Lippen zu meinem Dekolleté streiften.


Mein Shirt segelte zu Boden, seines gesellte sich dazu, genauso wie die anderen Sachen. Ich hatte die Augen geschlossen, gab mich voll und ganz Nialls Berührungen hin und blendete alles andere aus.

Ich merkte, wie er bei meinem Bauch Stopp machte. Leicht hob ich meinen Kopf an und sah, wie er ihn betrachtete und gar nicht richtig glauben konnte, dass sich dort ein Leben entwickelte. Er platzierte einen sanften Kuss auf die Mitte des leicht gewölbten Bauches, es zauberte mir ein kleines Lächeln auf die Lippen. Es war schön zu sehen, wie er mit seinem ungeborenen Kind umging.

„Ich schätze, ein Kondom brauchen wir nicht mehr", hörte ich Niall sagen und augenblicklich lachte ich auf: „Gut erkannt, Sherlock."

Es war beinahe wie früher, wenn wir in einer solchen Situation angelangt waren, nur hatte es kein Baby gegeben und keine Lügengeschichte, die die mein Vater gesponnen und dafür gesorgt hatte, dass es zwischen Niall und mir nur noch ein Ende. gab.

Ich spürte wieder seine Lippen auf meinen, er lenkte mich mit seinen Liebkosungen ab, während er in mich eindrang. Ein merkwürdiges Gefühl und ein schmerzhaftes Ziehen machten sich in meinem Unterleib bemerkbar, gegen die ich versuchte anzukämpfen. Meine Hände krallten sich im Laken fest, wir suchten nach einem gemeinsamen Rhythmus und er versuchte mir den Schmerz weniger schmerzhafter zu machen.

„Layla", keuchte Niall in mein Ohr.

Ich lachte leise. „Bist du mit deiner Kondition schon am Ende?" Mein Lachen nahm ein jähes Ende, als sich der Schmerz in wachsende Erregung verwandelte und mich aufstöhnen ließ. Ich stand mit beiden Beinen noch auf der Erde, starrte in den Himmel und wartete nur noch, dass man mich dorthin katapultierte.

Seine Stöße wurden kräftiger, aber dennoch kontrolliert. Niall achtete darauf, mir nicht allzu sehr wehzutun, doch das spielte für mich keine Rolle mehr, so sehr war ich in dem Spiel der wachsenden Erregung und den Drang, endlich in den Himmel zu können gefangen.

Niall trieb meine Nerven bis zum äußersten.

„Lass los", drang es wieder in mein Ohr. Er hatte sowas von Recht, aber stand noch mit beiden Beinen auf dem Boden und wartete das große Finale ab. „Lass einfach los", wiederholte er mit gepresster Stimme.

Mein Herz pumpte, als wäre es auf 180, meine Haut brannte, als hätten wir tausend Grad im Zimmer – und dann schoss ich in den Himmel.



Mein Blick war an die Decke gerichtet, der Regen goss immer noch, ein paar Blitze erschienen in ihrer hellen Pracht am Himmel. Die Uhr zeigte mittlerweile halb zwei an, und ich konnte mich nicht dazu aufraffen, meine Augen zu schließen, meine innere Lampe auszumachen und zu schlafen. Ich wusste nicht einmal, was mich wach hielt. 

Über meine rechte Schulter strich ein warmer Atem. Nialls Augen waren geschlossen, er schlief tief und fest.

In den letzten Stunden hatten wir unsere Zeit hier im Bett verbracht und uns über belangloses Zeug unterhalten, einfach weil wir es konnten. Es hatte gut getan, nur dazu liegen und sonst nichts im Kopf zu haben. Das Gefühl des Countdowns in meinem Inneren habe ich jedoch umso mehr gespürt.

Wenn du mich fragst, weißt du die Antwort schon längst, schaltete sich meine innere Stimme mit einem Gähnen ein. Deshalb weiß ich nicht, weshalb du solange wach bleibst und grübelst. Du könntest die Stunden auch mit Schlaf rumkriegen.

Ich würde ja gerne, aber ich kann nicht, gab ich zurück.

Ein Seufzer ertönte in meinem Kopf. Du wirst dich noch Stunden fragen, wieso du nicht schlafen kannst. Die Antwort liegt bereits vor deiner Nase. Bist nur zu blind, um sie zu erkennen.

In meinem Kopf ratterte es, aber ich hatte immer noch keinen Plan.

Wieso rede ich überhaupt mit dir.

Frage ich mich auch.

Ha ha. Nicht.

Ich fuhr mir leise gähnend durch meine verwuschelte Haarpracht. Mein Blick glitt zu dem friedlich schlafenden Niall herüber. Ein kleines Lächeln bildete sich auf meinen Lippen. Ich saß eine Weile so da, beobachtete ihn beim Schlafen, dann stand ich auf, zog mir was über und begab mich nach unten in die Küche.

Vielleicht würden mich eine Tasse Tee schläfrig machen.

Draußen wütete es immer noch und es sah nicht so aus, als würde sich das in den nächsten Stunden ändern.

Der Tee war schnell gemacht, ich suchte nach einer warmen Decke und pflanzte mich mit beiden auf die Couch. Die Tasse dampfte fröhlich vor sich hin, war jedoch noch zu heiß, um einen Schluck vom Tee nehmen zu können.

Also wartete ich,

Wie gesagt, du könntest auch schlafen gehen.

Klappe.

Sorry, habe es nur gut gemeint. Damit verzog sie sich wieder und mein Kopf fühlte sich schon ein wenig leerer an.

Als ich das nächste Mal auf die Uhr schaute, zeigte sie mir halb vier an und ich war immer noch nicht müde genug, dass ich auf der Stelle einschlafen konnte. Ganz im Gegenteil, mein Körper wurde nur so von Energie durchströmt.

Vielleicht war es keine gute Idee gewesen, den Tee zu trinken. Jetzt würde ich definitiv an Schlafmangel leiden.

Ich zog die Decke bis zu meiner Nase und schloss die Augen.

Tick Tack Tick Tack. 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top