12. Ärger im Paradies

Tag für Tag saß ich auf der Couch, schaute eine Folge Friends nach der anderen. Nur notdürftig bewegte ich mich. Es war schon ein Wunder, wenn mein Beine mich in die Küche trugen, oder in mein Zimmer.

Ich trauerte vor mich hin.

Und ehrlich gesagt wollte ich nicht einmal wissen, wie ich aussah. Wahrscheinlich wie so ein Zombie.

Vielleicht wird das ja mein neuer Trend?

Träum weiter.

Versuchen kann man es ja!

Dad ließ mich, jedoch konnte ich ihm klar ansehen, dass er genau unter meinen Depressionen litt wie ich. Er sagte zwar nie was. Aber ich wusste es auch so. Wir hatten seit meiner Ankunft nicht wirklich miteinander geredet, obwohl wir in demselben Haus lebten.

Aber meist war er arbeiten und ich machte weiter auf Depri-Queen.

Morgen war mein Geburtstag. Und ich hatte sowas von keinen Bock drauf.

Von Taylor hatte ich nur eine kurze Nachricht bekommen, dass sie sich darum kümmern würde und so weiter und sofort. Aber sie hatte zu tun mit ihrem neuen Album. Von Haley kam nichts. Wunderte mich aber auch nicht. Sie saß wahrscheinlich am Schreibtisch und lernte.

Draußen schien die Sonne bei herrlichen 24 Grad.

Eigentlich das perfekte Wetter um Joggen zu gehen.

Meine Ärztin meinte sowieso, dass ich mehr Sport treiben sollte. Soll gut für die Schwangerschaft sein und so. Aber bis jetzt habe ich mehr Pizza in mich hineingestopft als dass ich mich bewegt habe.

Aber ich schaute mir wieder eine weitere Folge Friends an. Es war genau die, in der Mike seiner Phoebe einen Heiratsantrag machte. Ich heulte wie eine Irre, aber ich konnte nichts dagegen machen.

Ich stellte mir vor, dass er Mike und ich seine Phoebe wäre.

Verdammt, dass trieb mir noch mehr Tränen in die Augen.

Ich wollte aufhören, aber ich konnte es einfach nicht.

Ich musste mit ansehen, wie sie glücklich waren.

Und ich nicht.

Mit einem Mal war der Bildschirm aus. Ohne dass ich es mitbekommen habe, hatte ich die Fernbedienung in die Hand genommen und dem allen ein Ende gesetzt. Meine Tränen versiegten langsam. Meine Sicht wurde wieder etwas klarer.

Ich sollte mich verdammt nochmal ändern!

Wie ich es mir auf dem Weg von Miami nach New York versprochen habe.

Ich sollte es einhalten.

Er war es nicht wert.

Ich stand auf und ging die Treppen hoch in mein Zimmer. Dort verwandelte ich meine zombieartige Gestalt in mein wirkliches Ich. Ich musste mich für einen Moment im Spiegel anschauen, denn vor einigen Sekunden war ich nicht Ich. Und wer weiß, wie lange das noch so bleibt.

Leise summend hüpfte ich die Treppe runter, schnappte mir meine Hausschlüssel und Flip Flops und verließ das Haus. Als ich die Straße runterging, entdeckte ich zwei Männer mit Kameras. Sie fixierten mich mit ihren Blicken.

Papparrazzos.

...mal wieder.

Man kann nicht einmal durch die Stadt gehen, ohne von anderen Leuten begafft zu werden.

Haben denn die Leute keine anderen Hobbies als in dem Privatleben anderer Leute herumzuschnüffeln? Ich meine, es heißt ja nicht umsonst PRIVAT, oder?

Ich setzte mir ein gezwungenes Lächeln auf und winkte ihnen zu, bevor ich weiter den Weg zum Campus der Academy of Music machte. Aber vorher machte ich noch einen Abstecher bei Nando's. Einfach mal in der Hoffnung, dass ich eine ganz bestimmte Person nicht treffen würde...

Unruhig sah ich nach vorne, und wieder zurück.

Aber kein blonder Haarschopf weit und breit.

Naja...

Was?

Ich würde das mal ganz schnell zurücknehmen.

Wieso?

Ich drehte mich um.

Oh nein.

Nicht gut.

Gar nicht gut.

Und er war nicht alleine.

Seine neue tolle Supermodelfreundin war auch mit von der Partie...

Ach ja...das kann mal wieder spaßig werden, seufzte meine innere Stimme. Mich würde es nicht überraschen, wenn gleich ein gewaltiger Zickenkrieg ausbricht.

Ich glaube, du bist die Letzte, die da ein Wort mitzureden hat.

Verkrampft drehte ich mich wieder um.

Es war doch keine gute Idee gewesen, hier her zu kommen. Wieso bin ich nicht einfach weiter gegangen? Ich hätte ja auch was bei Subway oder McDonald's holen können. Aber nein. Ich gehe genau in sein Lieblingsrestaurant. So doof kann auch nur ich sein. Wirklich. Und das wundert nicht mal mich.

Innerlich bete ich, dass die Schlange schneller vorwärts geht.

„Weiß du schon, was du willst?"

„Nein, noch nicht."

„Hättest du dir nicht vorher schon überlegen können, was du haben willst?"

„Sorry, ich bin halt nicht so oft hier wie du und kenne die Speisekarte auswendig."

Oh. Es gibt Ärger im Paradies.

Ich könnte mir jetzt gut vorstellen, wie Niall die Augen verdreht. Das macht er nämlich immer, wenn er genervt ist. Besonders wenn es dabei um Nando's geht.

Ich weiß nicht wieso, aber ich muss mir wirklich schmerzhaft ein Kichern unterdrücken. Keine Ahnung, aber irgendwie finde ich es witzig. Zwar könnte ich sie immer noch umbringen. Aber lassen wir das mal außen vor.

Die beiden streiten sich leise um die Essensauswahl, während ich amüsiert vor ihnen an der Schlange stehe und keiner der beiden mich anscheinend weder bemerkt noch wiedererkannt hat. Auch gut.

Als ich schließlich drankam, schicke ich Gott ein Gebet hoch, sage der Frau, was ich haben will und warte. Niall streitet immer noch mit seiner Modelfreundin, deren Namen mir noch immer nicht einfällt. In mir stieg so ein Gefühl auf...Zufriedenheit? Ja, ich glaube, das war es. Wahrscheinlich fand ich es einfach nur toll, dass seine neue Beziehung nicht wirklich toll war. Zumindest sah er auf den Bildern mit ihr ziemlich genervt aus.

Und wieso trennt er sich dann nicht von ihr? Jeder Blinder kann sehen, dass er sie nicht ausstehen kann, bemerkte meine innere Stimme ernst. Ich meine, es kann ja sein, dass man mal Streit hat, aber wenn der wirklich auf jedem Bild so aussieht, dann ist doch irgendetwas. Vielleicht solltest du mal Nachforschungen oder so anstellen.

Pfff.

Ich mische mich doch nicht in die Angelegenheiten meines Ex-Freundes ein.

So eine bin ich dann doch nicht.

Die Frau bringt mir meine Bestellung, lächelt mich noch einmal an - obwohl ich mir sicher bin, dass es gekünstelt ist - und ich gebe ihr das passende Geld. Ohne den beiden auch nur eines Blickes zu würdigen, verlasse ich das Restaurant und gehe weiter meines Weges.

Der Campus der AML ist voll mit Studenten. Sie nutzen wohl das gute Wetter aus und lernen an der frischen Luft.

Wäre da nicht das Baby, wer weiß, vielleicht wäre ich auch eine dieser Studenten hier geworden. Musik ist mein Leben und die AML ist die beste Uni mit Schwerpunkt Musik in Großbritannien. Dad hätte es wahrscheinlich gefreut, zumal ich endlich was mit meinem Leben anfange. Außer eislaufen. Aber das ist sowieso erst einmal gestrichen.

Der Wohnblock, indem sich Haley's Zimmer befindet, ist voll mit kiffenden Leuten. Leicht angewidert durchquere ich schnell den Gang, damit ich die nie wieder sehen muss, und klopfe an Haley's Zimmertür an.

Es polterte.

Hm.

Okay...

„Äh, ja?", kam es dumpf von drinnen. Sie klang ein wenig außer Atem. Das war ja merkwürdig. „Hey, Hale, hier ist Layla. Deine beste Freundin. Weißt du noch?", erwiderte ich und lachte sarkastisch. Von drinnen ertönte wieder ein Poltern, dann Gemurmel.

Wie lange dauert das denn noch?

Ich schätze mal noch ewig und drei Tage.

„Einen Moment noch!", rief sie, als dachte sie, ich würde jede Sekunde mit einem Rammbock die Tür durchbrechen und ins Zimmer stürmen. Naja. Wenn ich einen hätte, würde ich es vielleicht sogar machen, denn ich bin gerade extrem neugierig geworden.

Zwei Sekunden später öffnete sich die Tür.

Aber es war nicht Haley, die erschien.

Sondern ein Kerl mit dunkelbraunen Haaren und stechend grauen Augen. Er lächelte mir kurz freundlich zu und eilte dann in den Gang hinaus. Vollkommen erstarrt schaute ich ihm hinterher, mein Mund war leicht aufgeklappt.

Wow.

Ja...

Der sieht ja mal gut aus.

War ja klar, dass sie nur an das denkt.

„Heeey", begrüßte mich meine beste Freundin und empfing mich mit einer überschwänglichen Umarmung. Ich erwiderte sie noch halb in Starre versetzt. Haley schiebt mich in ihr...ziemlich chaotisch aussehendes Zimmer. „Das nennst du also effektives Lernen?" Ich zog grinsend eine Augenbraue hoch und schmiss mich auf ihr ungemachtes Bett. Haley kratzte sich nervös am Hinterkopf. „Ehm...ja?"

Ich fing wegen ihrer Unsicherheit zu lachen. „Hale, ich bin die Letzte, vor der du Angst haben musst", meinte ich lachend. Ich griff nach der Nando's-Tüte und holte das Essen heraus.

Haley nahm vor mir Platz und sah mir dabei zu, wie ich gerecht das Essen verteilte.

„Wie lange läuft das mit euch schon?"

„Zwei Wochen."

„Und wie heißt er?"

„Dave. Er ist 25."

„Wievieltes Jahr?"

„Drittes."

„Cool."

Sie hob skeptisch eine Augenbraue, sagte aber nichts.

„Darf ich dich mal was fragen?", kam es schließlich leise von ihr. Sie wirkte auf einmal gar nicht mehr unsicher, sondern aufgelöst. Meine Alarmglocken fingen an zu klingeln. „Natürlich. Alles was du willst." Ich nahm ihre Hände in die meine und sah sie an. „Hört...hört der Schmerz irgendwann auf?" Ich wusste erst nicht recht, was sie meinte. Dann fiel der Groschen.

Ich brauchte einen Moment, ehe ich hörbar schluckend antwortete: „Es braucht seine Zeit. Aber ja. Er wird irgendwann weggehen. Wieso? Ist es wegen Sean?" Leicht ertappt wendete sie den Blick von mir ab. Ihre Wangen färbten sich leicht rötlich. „Haley. Was ist los?"

„Ich hab ihn letztens getroffen", sagte sie schließlich. „Wo?" Der Gedanke an meinen ehemals besten Freund vermieste mir augenblicklich meine Laune. „In der Stadt", antwortete Haley. „Es war zufällig. Er war mit Irina da."

War Irina nicht die...

Jup.

„Was?!" Jetzt checkte ich gar nichts mehr. „Wieso denn das? Ich dachte, er hasst sie?"

Haley zuckte mit den Schultern. „Laut Jessy läuft zwischen den beiden wieder was. Keine Ahnung..." Sie blickte traurig auf den Boden. Ich stellte das Essen auf den vollen Schreibtisch und nahm sie erst einmal in die Arme.

Es beruhigte mich irgendwie, dass ich nicht der einzige Mensch mit Liebeskummer war.

*

Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen ;) Über Kommentare würde ich mich freuen.

Stand: 21.09.2015

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