Die Tür der Hobbitbehausung wurde aufgerissen. Gandalf starrte mich ungläubig an und öffnete und schloss den Mund. Der Hobbit und die Zwerge starrten mich an, als hätte ich erzählt, dass Smaug mein Schoßhündchen wäre. Ich striff die Kapuze von meinem Kopf und merkte an: "Ist was? Er kommt gleich, falls ihr deshalb so schaut."

Naja, ich denke es gab einen anderen Grund. Man konnte mich nicht wirklich einer Rasse zuordnen. Ich selbst zählte mich zu den Zwergen, ich war ungefähr so groß wie sie, war im Erebor aufgewachsen und benahm mich wie ein Zwerg. Das Alter würde auch eher zu Zwergen passen, 190. Aber ich war schmaler und hatte keinen Bart, was mir mehr den Anschein eines Menschen verlieh.

Ohne abzuwarten, dass sie zur Seite traten ging ich hinein und nahm den Mantel ab, meine Waffen behielt ich bei mir, ich hatte sie seit Ewigkeiten nicht mehr abgelegt und hatte auch nicht vor, das jetzt zu tun.

"Was machst du hier?", Gandalf hatte als erster die Überraschung überwunden.

"Ich hab keine Lust alles zweimal zu erzählen. Er ist gleich da, nachdem er sich zweimal verirrt hat.", meinte ich grimmig und ließ mich auf einen Platz an dem großen Tisch fallen und legte meine Füße darauf. Nach ein paar Minuten in denen Schweigen herrschte klopfte es wieder, diesmal war es wirklich Thorin, der bei meinem Anblick erstarrte: "Wer ist das?"

Als alle Zwerge mich ansahen und ihr Unwissen bekundet hatten, stellte Gandalf nochmal die selbe Frage: "Was machst du hier, und erzähl bitte alles!"

Es bleibt bei dem Nötigsten. "Ich will Rache an Smaug.", stellte ich klar.

"Du bist ja nicht mal alt genug, geh wieder zu deiner Mutter.", sagte Thorin verächtlich.

Ich nahm die Füße vom Tisch und stand auf, die Arme vor der Brust verschränkend. "Ich komme mit, ob ihr wollt oder nicht, es geht mir nur um Smaug, allein würdet ihr es ja sowieso nicht schaffen.", sagte ich und sah sie verächtlich an, "Allein du hast drei Orkangriffe verschlafen." Ich sah zu Thorin, der jetzt etwas wütend aussah.

"Was soll das heißen?" "Du hast dreimal geschlafen als Orks kamen."

"Ach und du willst sie davon abgehalten haben?" "Warum nicht, obwohl, wenn ich so überlege, ich hätte sie besser machen lassen sollen!", ich funkelte ihn herausfordernd an. Ich war definitiv kein Kind mehr und konnte besser kämpfen als so manch einer von ihnen.

"Wie heißt du?", wollte Gandalf wissen und unseren Streit schlichten.

"Alle nennen mich Lin.", antwortete ich knapp, "Aber ich dachte es sollte um den Erebor gehen." Und schon lag das Thema wieder dort wo es sein sollte. Smaug. Rache. Erebor. Der Hobbit verkraftete das alles nicht ganz so gut, naja, er war ja auch kein Zwerg, Hobbits waren viel weniger zäh.

Am nächsten Morgen brachen wir in aller Frühe auf, der Hobbit schlief noch, ob der noch kommen würde? Thorin gab mir nur widerwillig ein Pony, als Gandalf ihn streng anblickte.

Nach einer Weile rannte jemand auf uns zu und schrie: "Wartet!" Bilbo, er war doch gekommen. Ich drehte mich etwas überrascht um, bedachte ihn aber mit einem zweifelnden Blick. Wie lange er überleben würde.

Die folgenden Tage verliefen schweigsam, ich ritt meistens ganz hinten und sprach mit niemandem. Eines Abends, am Lagerfeuer, ich saß mal wieder abseits und aß schweigend meinen Teil.

"Komm doch ans Feuer, dir muss ja kalt sein", ich sah Kili an, dass er noch etwas anhängen wollte, auf meinen Blick dann aber verstummte.

"Ist doch gut so.", grummelte Thorin. "Willst du uns nicht langsam mal ein bisschen was von dir erzählen?", fragte Balin freundlich.

"Nein.", gab ich harsch zurück, sie wussten was sie wissen mussten. Als Bilbo fragte, was das für Schreie waren, die ganz offensichtlich von Orks und Wargen kamen, erzählten die beiden jüngsten Zwerge Schauermärchen. Ich sprang auf und knurrte: "Das ist kein Spaß!" und besah sie mit vernichtenden Blicken.

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass auch Thorin aufgesprungen war und die Beiden schalt. Ich ließ mich auf den Boden zurückfallen, ich hatte guten Grund die Orks zu hassen. Genau wie Thorin auch, rief ich mir ins Gedächtnis. Wir waren beide dabei, bei der Schlacht um Moria.

Nur hatte niemand mich gefunden, ich war direkt danach, bevor sie nach Überlebenden suchten, verschwunden. Zu feige um mich dem Tod der Letzten, denen ich vertraut hatte, zu stellen. Ich merkte, wie ich wütend meine Hände zu Fäusten geballt hatte und von allen angestarrt wurde. Was hatte ich jetzt schon wieder getan?

"Alles in Ordnung?", fragte Gandalf stirnrunzelnd. Ohne zu antworten drehte ich mich um und legte mich an meinen Schlafplatz. Seufzend wandte Gandalf sich ab, sicher, dass er kein Wort mehr aus mir herausbekommen würde.

In den nächsten Tagen häuften sich die Fragen an mich, doch die Meisten wies ich unwirsch ab. Erst als alle wieder mal um das Feuer versammelt waren und Gandalf mich bittend und zugleich streng ansah gab ich nach. "Gut, fragt halt", sagte ich zähneknirschend.

"Wer bist du wirklich?", wollte einer wissen. "Ich weiß es nicht", gab ich knapp zurück.

"Wie alt bist du?", fragte Fili. Ich zögerte kurz bevor ich antwortete. "Hundertneunzig. Ich glaub das war genug für heute." Ich ließ die ungläubigen Zwerge am Feuer zurück und legte mich schlafen.

Jetzt wussten sie aber wirklich mehr als genug. Ich konnte mal wieder nicht schlafen, die Frage, wer ich wirklich war, geisterte in meinem Kopf herum. Woher kam ich? Hatte ich richtige Eltern? Schon allein dieses Wort. Ich war immer bei einer Zwergin gewesen, doch sie war alt und starb bei Smaugs Angriff, danach hatte ich nur noch ihren Sohn, mit dem ich mich einigermaßen verstand, doch als auch er starb war ich allein.

So wie eigentlich mein ganzes Leben. Das einzige was jemals mein Zuhause war, war der Erebor. Ich entfernte mich noch ein Stück von der Gruppe und setzte mich auf einen Stein. Warum war alles so kompliziert, ich wollte nur den Erebor in Sicherheit wissen, oder?

"Du solltest schlafen!", Thorin hörte sich an als würde er mir etwas befehlen wollen. "Ich kann sehr gut entscheiden, wann ich schlafen muss. Ich brauche niemanden, ich hatte nie jemanden." Zumindest nicht wirklich. Warum hatte ich ihm das gesagt, es ging ihn nichts an, mein Leben ging niemanden etwas an.

"Vergiss es.", hängte ich schroff an. Er zuckte mit den Schultern und ließ mich wieder allein, doch ich spürte, dass er noch lange in meine Richtung sah. Sollte er doch. Warum konnte ich ihn eigentlich nicht ausstehen, eigentlich hatte ich keinen Grund dazu, gut, der Anfang war etwas unschön, aber seither behandelte er mich fair.

Er war auch nur ein Zwerg, er war auch nicht besser, als irgendwer, oder? Gut, er war nicht wie alle Zwerge, aber ich brauchte niemanden, ich war immer gut mit mir selbst zurechtgekommen, auch wenn es ganz nett war ein paar Leute zu haben, die sich um fast alles kümmerten.

Die nächsten Tage kamen wir nur langsam voran, zumindest fühlte es sich so an. Ich sprach mit niemandem mehr als ein paar Worte. Eines Abends machten wir an einem alten Bauernhaus Pause, Gandalf rannte beleidigt davon, Thorin war beleidigt und nach einer Weile waren auch noch Fili, Kili und Bilbo verschwunden.

Als Fili und Kili ohne Bilbo zurückgerannt kamen wurde mir klar, dass irgendetwas passiert sein musste. Ich erhob mich seufzend und bevor Kili und Fili zuende gesprochen hatten fragte ich: "Retten wir ihn jetzt oder wollt ihr noch ewig hier bleiben bis es zu spät ist?"

Thorin besah mich mit einem unfreundlichen Blick, ging dann voraus durch den Wald. Das war der Grund weshalb ich nicht so begeistert war hier zu sein. Er befahl mich andauernd herum. Das konnte ich nicht ausstehen, ich hatte noch nie auf jemanden gehört und wollte es auch nicht, ich konnte sehr gut selbst denken.

Ich hielt mich etwas im Hintergrund und ließ erstmal den achso schlauen, mich herumkommandierenden Anführer kämpfen. Ich schlenderte langsam auf das Schlachtfeld, die Trolle bemerkten mich erst gar nicht. Also fing ich an, mich von hinten auf einen zu stürzen, wobei dieser Fili fallen ließ.

Ich stach ihm in den Rücken was er gar nicht lustig fand und sich nach hinten schmiss. Jetzt sah er aus wie ein Insekt, das auf den Rücken gefallen war. Leider wurde der Hobbit von den Trollen gepackt und Thorin ließ dann auch noch das Schwert fallen, genau das was die erreichen wollten.

"Ach komm, manchmal muss man Opfer bringen.", maulte ich, bevor ich schließlich auch meine Waffen fallen ließ, nachdem alle mich entgeistert ansahen und Thorin irgendwas in meine Richtung schnauzte. Dann halt nicht.