6. Kapitel
Im Unterricht hatte ich Sarah von meiner Begegnung mit den Jungs erzählt und sie war wirklich stolz auf mich. In der Pause setzten wir uns in die Cafeteria und machten ein bisschen Hausaufgaben.
Luke, Dennis und die anderen Jungs saßen am Tisch neben uns und diskutierten wild. Ich bemerkte immer wieder böse Blicke von Dennis doch ich ignorierte sie. Ich war einfach froh, dass er nichts Schlimmeres tat.
„Was meinst du, worüber sie diskutieren?", fragte Sarah und sah zu ihnen hinüber.
„Entweder darüber, ob sie wirklich alle mit Nadine geschlafen haben, oder wie sie mich raffiniert fertig machen!", antwortete ich und beobachtete die Gruppe.
„Hattest du nicht voll Angst, als du vor ihnen standest?" Sie zog eine Grimasse. „Ich wäre vor Angst gestorben, ich habe echt schreckliche Geschichten über sie gehört!"
„Die Angst kam erst, als Dennis mich schlagen wollte!", gestand ich.
„Es beruhigt mich, dass du wenigstens dann angst hattest!"
Den ganzen restlichen Schultag gab es kein weiteres Zusammentreffen mit der Jungsgruppe und darüber war ich auch wirklich froh, denn ich musste das Treffen von heute Morgen erst mal verarbeiten.
Nach Schulschluss stiegen Sarah und ich dann lachend in mein Auto und fuhren in die Stadt. Wir gingen erst ein wenig nach Anziehsachen bummeln und als wir beide dann jeweils drei volle Tüten in der Hand hatten, setzten wir uns in ein Café und aßen Eis.
„Was gibt es besseres als Eis?", fragte Sarah und schloss genießerisch ihre Augen.
Ich überlegte. „Vielleicht ein Shopping-Nachmittag mit mir?", schlug ich grinsend vor.
„Nur wenn es viel Eis gibt!", antwortete sie und öffnete ihre Augen wieder.
„Wenn du meinst!"
Wir bezahlten und gingen weiter durch die Stadt. Da stand plötzlich Jace vor uns. Braune Haare, grün braune Augen und anderthalb Köpfe größer als ich.
„Hallo Lila!", sagte er und grinste mich schief an.
Mir stand der Mund offen. Wegen diesem Mistkerl hatte ich die Droge genommen, ich hatte ihn für eine Weile vergessen wollen. Und jetzt stand er vor mir und grinste mich an, einfach so, als wäre nichts gewesen!
Ich hob meine Hand und gab ihm eine schallende Ohrfeige. „Was machst du hier?", zischte ich und sah ihn mit wütend funkelnden Augen an.
Er hielt sich seine Wange, doch als er antwortete, grinste er immer noch. „Ach Babe, noch so feurig wie eh und je!"
„Nenn mich nicht Babe!" Ich sah ihn böse an.
„Und wenn es mir leid tut?", fragte er plötzlich ernst.
„Ist mir egal!" Ich schnappte mir Sarahs Arm und zog sie mit mir davon.
„Ich liebe dich, Lila, und ich werde dich nicht aufgeben!", rief er uns hinterher.
Ich zeigte ihm meinen Mittelfinger über die Schulter hinweg und ging weiter.
„Wer war das denn?", fragte Sarah als wir weit genug entfernt waren.
„Ein totaler Idiot aus meinem früheren Leben, halt dich bloß von so welchen Jungs fern!", antwortete ich und starrte wütend auf den Boden.
„Erklärst du mir irgendwann alles?", fragte Sarah und sah mich von der Seite an. „Also was er gemacht hat, warum du die Klasse wiederholen musst und warum deine Eltern dich so sehr kontrollieren?"
Ich seufzte und nickte. „Irgendwann!" Noch war ich nicht bereit darüber zu reden.
„Lass uns fahren, es ist schon 18:30 Uhr und du musst um 19:00 Uhr Zuhause sein!", beschloss Sarah und so gingen wir zum Auto zurück.
Auf der Fahrt hingen wir beide unseren eigenen Gedanken nach und schwiegen. Ich ließ Sarah vor ihrem Haus raus und fuhr dann zu mir nach Hause.
Am nächsten Morgen weckte mich wieder mein Wecker und ich schreckte auf. Heute war Donnerstag, der Tag an dem die Therapiestunden waren.
Ich seufzte und stand auf. Am liebsten wäre ich den ganzen Tag im Bett geblieben aber ich hatte schließlich Schule und ich konnte Sarah da nicht alleine lassen.
Während der Fahrt drehten sich meine Gedanken um gestern und um Jace. Was viel ihm ein, mich einfach so anzusprechen als wäre nichts gewesen? Und warum kam er ausgerechnet jetzt wo ich wieder ein einigermaßen normales Leben hatte?
In der Schule hatte ich etwas Angst vor Luke und den anderen Jungs aus seiner Truppe und so gingen Sarah und ich ihnen möglichst aus dem Weg. Die Pausen verbrachten wir auf dem Schulhof unter einem Baum und erzählten uns Witze.
„Ich habe echt grausame Geschichten über Luke, Linus, Ben, Kris und Dennis gehört. Vor allem über Dennis!", erzählte Sarah.
„Was für welche denn?", fragte ich neugierig.
„Also mit Dennis sollte man sich nicht anlegen denn er verliert öfters mal die Kontrolle. Er hat wohl schon einmal einen Lehrer Krankenhausreif geschlagen!" Sie warf mir einen besorgten Blick zu. „Ben und Kris sind Meister im Streiche ausdenken und sie machen dabei vor nichts halt. Außerdem fahren die beiden wohl illegale Autorennen!"
„Aber sie verletzten einen nicht oder tun einem schlimme Dinge an, also können sie ja nicht so schlimm sein!", antwortete ich und zuckte mit den Schultern.
„Aber sie bedeuten Ärger!"
Ich nickte und sah sie abwartend an. „Was ist mit den anderen beiden?"
„Luke ist ihr Anführer und das ist er geworden, weil er immer erst beobachtet und dann etwas tut. Er ist der einzige, der seine Kumpels unter Kontrolle bekommt und keiner weiß genau wie er das macht. Die anderen tun nichts ohne seine Erlaubnis! Ach und es heißt, er habe Beziehungen zu den größten Klubbesitzern und Dealern in der ganzen Stadt!"
Das klang ja nach einem großen Geheimnis. Vor ihm sollte man vielleicht am meisten Angst haben, denn er war nicht wie Dennis berechenbar.
„Und Linus ist der beste Freund von Luke. Er hilft ihm die anderen im Griff zu behalten und ist der zweite in ihrer Rangordnung. Über ihn gibt es eigentlich nicht so viele Geschichten, es heißt nur, er sei gerecht und hilfsbereit!"
„Hilfsbereit? Einer von ihnen?", fragte ich erstaunt.
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nur, was man mir erzählt hat!"
Ich nickte. „Gut das alles zu wissen, jetzt habe ich noch mehr Angst vor ihrer Rache!"
„Tut mir leid, du solltest es aber wissen!" Sie seufzte und sah in die Blätter des Baumes über uns. „Wollen wir heute Nachmittag etwas machen?"
Meine Miene verdüsterte sich. „Geht leider nicht, ich habe einen Termin!"
„Du musst mir nicht sagen warum, ich setze es einfach auf die Liste für später!", grinste Sarah und nickte.
„Danke!"
Da klingelte es und die Pause war vorbei. Seufzend machten wir uns auf den Weg in unseren Unterricht.
Nach der Schule fuhr ich nach Hause und machte meine Hausaufgaben.
„Lila, wir müssen los!", rief meine Mutter gerade als ich mit den Hausaufgaben fertig war.
Ich seufzte und lief nach unten. Meine Mutter würde mitkommen zur Therapie, sie wollte sicher gehen, dass ich nicht schwänzte und danach wollte sie noch mit Frau Schröder reden. Wie jedes Mal.
Wir stiegen schweigend in das Auto meiner Mutter und fuhren los. Ich setzte meine Kopfhörer auf und sah aus dem Fenster. Ich hasste diese Therapietermine.
„Denk an unsere Abmachung mit dem Auto!", erinnerte mich meine Mutter.
Ich nickte. Wenn ich ausführlichere Antworten auf die Fragen von Frau Schröder gab, durfte ich weiterhin alleine zur Schule fahren. Das hatte ich nicht vergessen.
Im Wartezimmer mussten wir noch 20 Minuten warten und dann setzte ich meine Kopfhörer ab und ging in den Raum.
„Hallo Lila, setz dich!"
Ich tat es schweigend und sah die Therapeutin abwartend an.
„Ich habe gehört, du gehst seit Montag wieder zur Schule?", fragte sie. „Hattest du dort einmal den Drang verspürt, zu rauchen oder Alkohol zu trinken?"
„Nein, auf jeden Fall kann ich mich nicht mehr daran erinnern!", antwortete ich wahrheitsgemäß.
Sie nickte zufrieden. „Hast du gemalt oder Gedichte geschrieben?"
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich hatte viel mit Hausaufgaben zu tun!" Und außerdem werde ich niemals Gedichte schreiben!
„Letztes Mal hast du erzählt, dass du nur ein Mal Drogen genommen hast, warum?"
Ich holte tief Luft. „Nun, meine Freunde haben nie Drogen genommen, einer kam dann plötzlich mit einer kleinen Tüte und wir wollten es alle Mal ausprobieren!" Das war die Halbwahrheit aber sie musste heute ausreichen.
„Also wolltet ihr es einfach mal ausprobieren?", fragte die Therapeutin.
Ich nickte.
„Und was ist mit dem Alkohol? Warum hast du angefangen zu trinken?"
Meine Eltern wussten nichts von Jace und so sollte es auch bleiben. Sie würden mich fragen, was mir denn einfiele, einfach so mit jemandem zusammen zu sein, den man aus einem Club kannte.
„Ich hatte Liebeskummer und in der Schule lief es auch nicht so gut!", antwortete ich. „Außerdem trinkt doch jeder in meinem Alter auf einer Party Alkohol!"
„Nein, das machen nicht alle. Manchen ist sehr wohl bewusst, was dann passieren kann und sie sind starkgenug, gegen den Drang anzukämpfen!" Frau Schröder fragte zum Glück nicht weiter über den Liebeskummer nach.
Sie stellte mir noch ein paar Fragen und ich beantwortete sie so gut es ging.
„Gut, danke für deine ganzen Antworten. Die Stunde ist vorbei und du kannst gehen!"
Ich stand auf und verließ das Zimmer. Ich hatte es mir irgendwie schlimmer vorgestellt.
Meine Mutter ging noch einmal zu ihr und ich wartete solange und hörte Musik.
Als sie dann wieder kam, lächelte sie leicht. Wir fuhren zurück nach Hause und ich ging in mein Zimmer.
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