{𝟓.𝑲𝒂𝒑𝒊𝒕𝒆𝒍} 𝑮𝒊𝒏

Der Motor brummte beruhigend und kaum hörbar. Im Auto roch es zwar immer noch ziemlich künstlich, aber Tim fand es nicht unangenehm. Dafür war er viel zu gefesselt von der Landschaft, durch die sie jetzt seit knapp zwei Stunden unterwegs waren. Es war später Nachmittag und weil sie lang geschlafen hatten und das Wetter in Strandhill immer noch ziemlich schlecht war, hatten sie beschlossen, nur etwas essen zu gehen, bevor sie sich weiter auf den Weg nach Galway machten. Jan schien es heute deutlich besser zu gehen als gestern, er redete mehr, vor allem darüber, wie sehr er sich auf die Stadt freute. Und darauf, in einen Irish Pub zu gehen, was ihr Plan für den Abend war. Tim war erleichtert, dass er sich nach dem Vorfall in der Nacht so gut erholt hatte, und dass nichts mehr passiert war. Gisela sang gerade ziemlich schief im Hintergrund zu einem Song von SXTN mit.

Du riechst nach Schinken", ertönte es dann auf einmal von der Rückbank und Tim konnte sein Lachen nicht mehr zurückhalten. Er stimmte mit ein und sang gemeinsam mit Gisela den Rest des Refrains von Rezos Lied.

„Willst du lieber das hören?", fragte Jan und Tim konnte ihn im Rückspiegel grinsen sehen, „Ich glaub aber, der ist nicht auf Spotify."

„Nein, alles gut", erwiderte er lachend, „Ich muss nur einfach mitsingen, ich kann nicht anders."

Jan lächelte und Tim spürte, wie sein Kopf für einen Moment abdriftete. Dieses Lächeln war jedes Mal wie ein Schlag gegen die Brust an der Stelle, wo sein Herz war.

So langsam tauchten immer mehr Industrie-und Wohngebiete zwischen den Feldern auf und Jan sah auf dem Rücksitz wieder gebannt aus dem Fenster. Tim war sich ziemlich sicher, dass sein Blick nicht wirklich auf der Stadt, sondern auf den Hafengebieten und dem Meer lag, das man dahinter erkennen konnte. Jetzt wo sie weiter südlich waren, schaute tatsächlich auch die Sonne ein Wenig hinter den Wolken hervor und warf ihr Licht auf die Häuser. Auch wenn alles sehr groß war wirkte es kein Bisschen wie eine Großstadt. Eher so, als würde man ein Filmset betreten.

„Hier werden wir bestimmt einen Pub finden", hörte er Jan sagen und es dauerte kurz, bis er begriff, dass der Kleinere gerade in die Vlog-Kamera sprach, „Und hier ist auch deutlich – Arschloch – besseres Wetter als in Strandhill."

„Definitiv", erwiderte er von vorne und bremste ab, als er auf das Ortsschild zufuhr. Sofort vermisste er die schnelle Geschwindigkeit. „Hör auf zu rasen, du Fotze."

„Danke, Gisela, dass du mich daran erinnerst, mich an die Verkehrsregeln zu halten", erwiderte er mit einem Grinsen.

„Naja, manchmal ist das zugegebenermaßen auch notwendig."

Tim schüttelte den Kopf, gestand aber mit einem Lachen, dass er recht hatte.

„Vielleicht wäre jetzt Zeit für Galway Girl?", fragte er ironisch als der Kleinere die Kamera wieder weggepackt hatte, aber Jan machte es tatsächlich an. Und während Ed Sheeran von seinem Galway Girl sang, freute sich Tim einfach nur darauf, mit Jan feiern zu gehen. Mit Jan unterwegs zu sein. Mit Jan einzuschlafen. Gott, wann hatte es ihn eigentlich so erwischt?

Während er die letzten paar Straßen auf dem Weg zu ihrem Hotel entlangfuhr dachte er zurück an die Zeit vor einem Jahr, als sie mit Youtube angefangen hatten. Damals hatte er es noch nicht wirklich gewusst, aber je mehr sie gemeinsam gemacht und desto stärker sie in der Öffentlichkeit gestanden ahtten, umso mehr hatte er angefangen, sich auf eine andere Art als früher Sorgen um seinen besten Freund zu machen, die Zeit mit ihm zu genießen. Und dann kamen die ersten Kommentare, die ersten Fragen, ob sie zusammen waren, und er hatte nicht damit aufhören können, sich zu fragen, wie das wäre. Und ob es so abwegig war. Sie hatten nie darüber gesprochen und er versuchte seine Gefühle so fest wie möglich in seinem Herzen zu verschließen, aber an Abenden wie gestern fiel es ihm unfassbar schwer.

Er liebte Jan schon so lange, und der konnte es nie erfahren. Er würde nie so für ihn da sein können, ihn so berühren können, wie er es wollte.

Und er würde irgendwann mit ansehen müssen, wie er sich in jemand anderen verliebte.

Sein Herz fühlte sich mit einem Mal an wie ein fester Klumpen und schnell konzentrierte er sich auf die restliche Fahrt, während Gisela auf der Rückbank irgendwas über eine Puff-Schlampe rief.

Es war schon später Abend, als Tim im Bad des Hotelzimmers seine Haare noch etwas mit Gel nachbearbeitete. Die Vorfreude auf das Feiern erfüllte ihn und erinnerte ihn an die Zeit auf Madeira, wo sie fast jeden Abend in großen Gruppen unterwegs gewesen waren. An den Dreh des Jause-Videos und das Lachen über die Kommentare von Gisela, vor allem Rewi gegenüber.

Nachdem sie eingecheckt hatten, hatten sie schon mal die nähere Umgebung des Hotels angeschaut und zwei Straßen weiter einen ziemlich coolen Pub mit Tanzfläche gefunden. Auch Jan hatte sich umgezogen als Tim aus dem Bad kam, er trug jetzt ein schwarzes Hemd und seine rot-schwarz karierte Hose und sah einfach umwerfend aus. Es fiel ihm einen Moment schwer, ihn nicht anzustarren.

„Ich finde wir könnten morgen hier frühstücken", sagte Jan als sie dann die Eingangshalle durchquerten und an dem kleinen Restaurant vorbeikamen, das zum Hotel gehörte, „Immerhin bekommen wir es ermäßigt und es ist typisch irisch. Und die Kellnerin hat rote Haare."

„Klingt gut", erwiderte er nur und ignorierte Giselas Kommentar. Wenn Jan nur wüsste wie kalt ihn rothaarige Frauen inzwischen ließen.

Zehn Minuten später standen sie vor dem Pub, aus dem schon leise Musik herausdrang. Schon auf den ersten Blick war klar, dass hier deutlich mehr Leute in ihrem Alter waren. Ein paar Jugendliche standen vor dem Eingang und rauchten, und sobald sie eintraten, sahen sie eine Menge junger Leute zwischen Tanzfläche und Bar. Die Luft war stickig und es roch nach Alkohol, die Musik war aber nicht so laut, dass es unangenehm war.

Gemeinsam gingen sie zur Bar und bestellten sich beide einen Gin. Jan hörte zwar nach dem zweiten Glas auf, aber Tim bestellte sich trotzdem noch weiter Drinks, weil er in Feierlaune war und auch noch nicht wirklich eine Wirkung merkte. Sie lachten viel und unterhielten sich auf Englisch über den anstehenden Tag, damit Jan weniger Tics hatte.

Nach einiger Zeit sank seine Stimmung dann aber ziemlich plötzlich, als Tim bemerkte, dass Jan immer wieder zu einem dunkelhaarigen Typen rübersah, der ihn auch bemerkt zu haben schien. Mit einem strahlend weißen Lächeln kam er immer näher und er spürte, wie sich sein Magen zusammenzog.

„Findest du den heiß?", fragte er inzwischen schon leicht angetrunken über die Musik hinweg und die Art und Weise wie sein bester Freund wegsah, war Antwort genug.

„Stört es dich, wenn ich ein Bisschen rübergehe?", erwiderte er stattdessen schüchtern und fast hätte er aufgelacht, weil es ihm verdammt bitter vorkam, dass er ihn sogar in dieser Situation noch süß fand. Angespannt biss er stattdessen die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. Schließlich gab es keinen Grund, es ihm zu verbieten. Keinen, den er ihm erklären konnte.

„Alles gut." Er versuchte, seine Stimme möglichst locker klingen zu lassen, und anscheinend reichte es dem Kleineren, denn er stand auf und ging rüber zu dem Typen, der schon viel zu nah bei ihnen stand. Scharfe, schmerzhafte Eifersucht durchzuckte Tim und schnell ließ er sich noch einen Drink geben.

Soviel zum schönen Abend zu zweit. Nach ein paar Minuten, als er den Shot bereits geext hatte, kam Jan gemeinsam mit dem Kerl rüber.

„And this is my best friend, Tim. We're doing the trip together", stellte Jan ihn in einwandfreiem Englisch vor. Er nickte nur zur Begrüßung, aber der Mann streckte ihm die Hand entgegen.

„I'm Johnny", sagte er und der Blauäugige tat so, als hätte er es nicht gesehen, woraufhin der sie leicht irritiert wieder fallen ließ. Er kam sich vor wie in einem schlechten Film, gezwungen einfach nur dazusitzen, und nichts tun zu können, als dieser Johnny neben Jan auf einem Hocker Platz nahm und ihm wie beiläufig eine Hand auf den Arm legte.

„You wanna dance?", fragte er mit gekünstelt verführerischer Stimme und Tim war sich nicht sicher, ob er sich nicht gleich übergeben musste. Der Typ war absolut widerlich und Jan schien es noch nicht einmal zu merken.

„Geh nur", erwiderte er möglichst unbeteiligt und nahm noch einen Schluck aus dem Glas, das vor ihm stand. Inzwischen hatte er aufgehört mitzuzählen und trank einfach nur noch, erleichtert, dass das zumindest ein Bisschen gegen die Übelkeit in seinem Magen half.

Die bunten Lichter der Tanzfläche verschwammen vor seinen Augen, als er die beiden beobachtete, wie sie weggingen und dann zusah, wie sie tanzten. Jan war kein Tänzer, war es noch nie gewesen, und als er sah, wie der Typ bei Giselas plötzlichen Bewegungen lachte, wäre er am liebsten rübergegangen und hätte ihm das Grinsen aus dem Gesicht geschlagen. Scheiße, er konnte das nicht mit ansehen, wollte es gar nicht mitansehen. Und trotzdem saß er wie gefesselt auf dem Stuhl, als der Ire seinen besten Freund antanzte und seine Hand über die Schulter und schließlich unter das schwarze Hemd des Tourrettekranken schob.

Das war zu viel. Ein Schub rasender Eifersucht überkam ihn und viel zu schnell stand er auf. Er sollte das sein, er sollte Jan so berühren, aber nicht auf einer Tanzfläche in einem schäbigen Pub, wo er sich normalerweise unwohl fühlte. Sondern irgendwo an einem schönen Ort, wo sie nur zu zweit waren und der ihm gerecht wurde. Benommen durch den Alkohol musste er sich an dem Hocker abstützen, um nicht umzukippen, und wollte schon weitergehen, als er plötzlich eine viel zu laute Frauenstimme neben sich hörte.

„You're okay?" Er ignorierte es, ging aus dem Pub, aber nicht ohne nochmal einen letzten Blick zurück auf Jan und seine Begleitung zu werfen. Seine Gedanken waren verschwommen, unklar, als er sah, wie dieser Johnny seine Hände auf die Hüften des Kleineren legte.

Die Eifersucht wandelte sich in Wut, scharfe brennende Wut, die ihn urplötzlich durchströmte. Doch obwohl seine Hemmschwelle gewaltig abgesunken war, schaffte er es, sich zusammenzureißen, und die Bar zu verlassen ohne eine Schlägerei anzufangen.

„Fuck, Fuck, Fuck", rief er lallend als er draußen stand und eine verschwommene Gruppe Raucher drehte sich nach ihm um.

Er ließ Jan stehen, ließ ihn allein und machte sich auf den Weg zurück zum Hotel. Etwas, was er eigentlich niemals tun würde.

Aber er war ja nicht allein. Und bestimmt würde er noch eine großartige Nacht haben.  

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𝐒𝐨, 𝐝𝐚𝐬 𝐰𝐚𝐫𝐬 𝐚𝐥𝐬𝐨 𝐦𝐢𝐭 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟓. 𝐈𝐜𝐡 𝐡𝐨𝐟𝐟𝐞 𝐢𝐡𝐫 𝐡𝐚𝐛𝐭 𝐧𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐬𝐨 𝐬𝐞𝐡𝐫 𝐠𝐞𝐥𝐢𝐭𝐭𝐞𝐧 𝐰𝐢𝐞 𝐢𝐜𝐡, 𝐚𝐥𝐬 𝐢𝐜𝐡 𝐞𝐬 𝐠𝐞𝐬𝐜𝐡𝐫𝐢𝐞𝐛𝐞𝐧 𝐡𝐚𝐛. 𝐕𝐢𝐞𝐥𝐞𝐧 𝐯𝐢𝐞𝐥𝐞𝐧 𝐃𝐚𝐧𝐤 𝐟ü𝐫 𝐦𝐢𝐭𝐭𝐥𝐞𝐫𝐰𝐞𝐢𝐥𝐞 ü𝐛𝐞𝐫 𝟏𝟎𝟎 𝐀𝐮𝐟𝐫𝐮𝐟𝐞. 𝐈𝐜𝐡 𝐟𝐫𝐞𝐮 𝐦𝐢𝐜𝐡 𝐰𝐢𝐫𝐤𝐥𝐢𝐜𝐡, 𝐝𝐚𝐬𝐬 𝐢𝐡𝐫 𝐡𝐞𝐫𝐠𝐞𝐟𝐮𝐧𝐝𝐞𝐧 𝐡𝐚𝐛𝐭. Stört euch das mit dem Englisch? 𝐅𝐞𝐞𝐝𝐛𝐚𝐜𝐤 𝐢𝐬𝐭 𝐢𝐦𝐦𝐞𝐫 𝐠𝐞𝐫𝐧 𝐠𝐞𝐬𝐞𝐡𝐞𝐧. ^^

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