{𝟏𝟏.𝑲𝒂𝒑𝒊𝒕𝒆𝒍} 𝑷𝒆𝒂𝒄𝒆

Einige Zeit später lagen sie im fast dunklen Zimmer, nur das warme Licht der Nachttischlampe erhellte den Raum. Sie hatten sich wieder angezogen und jetzt ruhte Jans Kopf auf Tims Brust. Er ließ seine Hände immer wieder durch die dunklen Haare des Kleineren fahren, fühlte sich so ausgeglichen und geerdet wie schon lange nicht mehr. Als hätte sich der Sturm, der in seinem Herzen gewesen war, nach draußen verzogen, denn dort schüttete es in Strömen und immer wieder konnten sie Donner und krachende Blitze hören. Aber das machte es nur umso schöner, hier drinnen im Trockenen mit Jan zu liegen.

Noch immer konnte er nicht so recht glauben, was passiert war. Wann immer er die Augen schloss, sah er Jans Gesicht vor sich und sein Herz schmolz beim Gedanken daran, wie er ihn die ganze Zeit über angesehen hatte. So ungläubig und glücklich. Er würde diesen Moment für immer in seinem Herzen bewahren.

Und er wollte um alles in der Welt dafür sorgen, dass er ihn immer so ansah.

„Worüber denkst du nach?", hörte er plötzlich die leise Stimme seines Freundes, der zu ihm aufsah. Er strich zärtlich über seinen Kopf, lächelte.
„Ich hab gerade darüber nachgedacht, dass ich will, dass wir immer so glücklich sind", erwiderte er wahrheitsgemäß und sein Herz schlug schneller, als er Jans Lächeln sah. Nie wieder würde er ihm irgendwas verheimlichen. Damit war jetzt Schluss.
„Das wünsche ich mir auch." Seine Stimme war sanft und er rückte ein Stück hoch, so dass sie sich küssen konnten. Ein unglaubliches Gefühl überkam ihn und er zog Jan näher zu sich heran, fragte sich, ob sich das jemals normal anfühlen würde. Er konnte und wollte es sich nicht vorstellen.
Als sie sich wieder voneinander gelöst hatten, sah Jan ihn an und seine braunen Augen glühten intensiv. „Kann ich dich etwas fragen?"
„Alles, was du willst."

Für einen kurzen Augenblick zögerte er, dann schien er sich aber doch ein Herz zu fassen. „Wie lange...bist du schon in mich verliebt?", seine Stimme war leise, „Also wann hast du gemerkt, dass da irgendwie mehr ist als Freundschaft, dass du nicht hetero bist?"
Tim merkte, wie sein Herz wieder zu rasen begann. Er war neugierig, wie lange es Jan schon so ging, wer von ihnen der Erste gewesen war.
„Kurz nachdem wir nach Berlin gefahren sind, um mit Kiss Fm zu drehen", erwiderte er und Jan sah ihn ungläubig an.
„Die ganze Zeit schon? Aber ich hab nie was gemerkt." Er klang ungläubig, fuhr sich dann aber verlegen durch die Haare, „Allerdings waren wir wohl – Fick dich, du kleiner Lügner – beide ziemlich gut darin, es zu verbergen."
„Naja, so wie die Fans spekuliert haben, bin ich mir da nicht so sicher. Wie lange ist es denn bei dir her?" Jan setzte sich auf und lehnte sich neben ihm an das Kopfteil des Bettes.
„Okay, aber ich hoffe, du verurteilst mich jetzt nicht dafür", begann er vorsichtig und Tims Blick fiel in Jans Schoß, in dem er seine zuckenden Hände nervös knetete., „Eigentlich wollte ich dich die ganze Zeit ficken", kam Gisela ihm zuvor und er lachte nervös, „Damit hat Gisela gar nicht mal so unrecht. Als wir nach der Schule mehr miteinander gemacht haben, hat das angefangen, war aber nie wirklich dauerhaft – He. Fotze. He. – so richtig präsent ist es erst geworden, als wir auf Mallorca waren." Lachend beugte er sich zu Jan rüber, um ihn zu küssen.
„Naja, im Nachhinein hat es sich ja gelohnt", erwiderte er, als sie sich wieder voneinander gelöst hatten und Jan nickte, „Ich finde es trotzdem krass, dass du das schon so lange mit dir herumgetragen hast. Für mich war es ja schon schlimm genug über das Jahr."
„Ich hab mir einfach nichts daraus gemacht, weil ich mir eh sicher war, dass ich keine Chance haben würde."

Der Satz klang zwar traurig, aber der Kleinere zuckte nur mit den Schultern. Danach ließ Gisela ihn wie wild mit den Armen fuchteln.
„Ich hab echt hunger, wollen wir noch – Pommes – was essen gehen?"
„Du willst ernsthaft raus in dieses Mistwetter?", fragte er gespielt bestürzt, stand aber trotzdem auf, „Ich muss zugeben, dass ich auch noch was vertragen könnte", stimmte er dann zu und griff nach seiner Steppjacke, woraufhin ihm Gisela nur ein „Fettsack" an den Kopf warf. Mit einem Grinsen fing er Jan neben der Badezimmertür ab, der sich gerade eine Sweatshirtjacke überzog und legte eine Hand auf seinen Rücken, zog ihn zu sich.
„Also Gisela, so kann das jetzt aber nicht mit uns weitergehen", sagte er streng und er sah ihn entschuldigend an, „Da ist schon eine Entschädigung fällig, finde ich." Jan lachte und verdrehte die Augen, streckte sich und küsste ihn kurz.
„Du willst doch nur ne – Bombe – Ausrede haben, damit ich dich öfter küsse."
„Ach quatsch." Er griff sich noch schnell sein Handy vom Nachttisch und warf einen Blick darauf. Seltsamerweise hatte er schon wieder eine Nachricht von Rewi.

19:31 Uhr
Jo Mann, was geht? Na, bist du wieder ausgenüchtert? Wie läuft's so bei euch?

„Hast du Rewi erzählt, dass ich im Krankenhaus war?", fragte er Jan skeptisch, aber der schüttelte den Kopf.
„Nein. Fick dich. Wie kommst du darauf?" Schnell ließ er ihn die Nachricht lesen und der Touretter fuhr sich verlegen durch die Haare.
„Ich glaub er ist einfach neugierig. He. Als du gestern aus der Bar verschwunden bist, hab ich ihn angerufen, weil ich mit jemandem über alles reden wollte und mich dann in dem ganzen Stress nicht mehr bei ihm gemeldet."
Ungläubig sah Tim ihn an. „Du hast es Rewi erzählt?", entfuhr es ihm überrascht und jetzt nickte Jan, „Warum ausgerechnet ihm?"
„Naja, ich hatte nicht das Gefühl, dass er es weitererzählen würde. Und ich wusste nicht wirklich, mit wem ich sonst darüber reden soll."

Ticbedingt fuchtelte er wie wild mit den Armen und sein Gesicht zuckte, und Tim merkte deutlich, dass er angespannt war. Prinzipiell waren seine Tics heute zum ersten mal seit sie angekommen waren so wirklich stark, was irgendwie eigenartig war.
„Hey, alles gut. Ist doch kein Problem. Besser du redest darüber, als dass du es in dich reinfrisst. Und dann am Ende irgendwelche Leute in dunklen Seitengassen verprügelst." Er lachte und Jan schien sich ein Bisschen zu entspannen, als sie gemeinsam das Hotelzimmer verließen.

Sie beschlossen, sich etwas bei einem Italiener zu holen, der nicht weit entfernt war, damit sie nicht ewig durch den strömenden Regen laufen mussten. Das Hotelrestaurant hatte leider schon geschlossen.
Als sie in der kleinen Pizzeria ankamen war Tim eiskalt und Jan komplett durchnässt. Das, was da draußen vor den Fenstern passierte, war kein warmes Sommergewitter sondern kalter Regen, der einen binnen Sekunden fast erfrieren ließ.
„Willst du meine Jacke haben?", schlug er sanft vor, aber sein Freund winkte nur ab. Sein Freund. Das klang irgendwie immer noch ungewohnt. Aber auch wunderschön.

Sie beschlossen die Pizza in dem kleinen Lokal zu essen, weil es dort angenehm warm war und man außerdem einen Blick auf die Häfen hatte, zu denen Jan immer wieder sehnsüchtig hinübersah, während sie ihre Jacken auf der Heizung trockneten und Gisela versuchte, sich Salz und Pfefferstreuer zu angeln, die Tim auf seiner Tischhälfte in Sicherheit gebracht hatte.
Es war ein angenehmes Essen. Ihre erstes Essen als Paar. Irgendwie erschien es ihm selbstverständlich, dass sie das jetzt waren, und auch Jan verhielt sich nicht anders.

„Ich finde, wir sollten Rewi morgen mal anrufen", sagte er, „Ich kann – diesen hässlichen Untermenschen – es aber auch alleine machen, wenn dir das lieber ist."
„Nein quatsch, ich will es ihm auch sagen", erwiderte Tim sofort und biss ein großes Stück von der Salamipizza ab, „Und außerdem will ich hören, wie er reagiert."

Sie unterhielten sich eine Weile entspannt und irgendwann beruhigte sich Gisela wieder ein Bisschen und hörte auf ihm zu drohen, ihm die Pizza ins Gesicht zu klatschen. Irgendwann kamen sie dann zurück zum Abend in der Bar und Jan erzählte ihm, dass mit Johnny nichts weiter passiert war, worüber er zugegebenermaßen ziemlich erleichtert war. Und Tim erzählte ihm genauer, warum er überhaupt so überstürzt gegangen war. Es tat gut darüber zu reden, endlich offen und ehrlich sein zu können.

Als sie eine Stunde später aufbrachen und sich bei den netten Kellnern die jedes Verständnis für das Tourette gezeigt hatten, bedankten, war Tim schon etwas erschöpft. Er konnte kaum mit ansehen, wie Jan in seine immer noch feuchte Jacke schlüpfte.
„Nein, es ist in Ordnung. Du weißt, dass mir nicht so schnell kalt wird", schlug er sein Angebot wieder aus, als er nochmal nachfragte.
„Nagut", gab er sich geschlagen. Als sie das Restaurant verließen, war das Gewitter vorbeigezogen und es regnete nur noch leicht. Kurz zögerte er, griff aber dann nach Jans Hand als sie auf die Straße traten, verschränkte ihre Finger. Es war ein schönes Gefühl und als der Kleinere zu ihm sah, drehte er ihn herum, umfasste seine Hüfte und küsste ihn sanft. Eigentlich sollte es nur ein kurzer Kuss sein, aber sie vertieften ihn dann doch.

„Jetzt ist mir schon wärmer", hauchte er an Jans Lippen und er spürte, wie ihn ein Schauder überkam. Seine Gedanken schweiften zu dem Moment, als er Jan seine Liebe gestanden hatte, „Vor nicht mal vierundzwanzig Stunden hätte ich niemals gedacht, dass wir irgendwann so zusammen sind. Ich bin so froh, dass alles so gekommen ist."
„Ich auch." In Jans Stimme schwang ein Gefühl mit, für das er das Wort nicht kannte. Aber in seinen Augen stand der gleiche Wehmut, den Tim auch fühlte.

„Wollen wir heute endlich den Film zu Ende schauen?", fragte er ihn dann, als sie zurückgingen und Jan stimmte zu. Sobald sie wieder im Hotel waren, ging er aber noch kurz warm duschen und währenddessen checkte Tim Social Media und entschloss sich kurzerhand dazu, ein Selfie mit seinem blauen Augen in seiner Instagram-Story zu posten. Mehr dazu morgen im Video, schrieb er dann noch dazu. Zwar war ihm immer noch keine Idee eingefallen, was sie sagen sollten, aber bis dahin war ja auch noch ein Bisschen Zeit.

Den restlichen Abend verbrachten sie aneinander gekuschelt im Bett und beendeten endlich ohne weitere Zwischenfälle den Film. Jan lag wieder auf seiner Brust, sah fasziniert dabei zu, wie Mark Watney es schaffte vom Mars zu fliehen und Tim beobachtete ihn, musste lachen, weil Gisela ab der Hälfte des Films fest davon überzeugt war, dass das alles „reine Illusion" war und es immer wieder sagte. Irgendwann wurden die Tics dann jedoch weniger und als der Abspann lief, war der Kleinere auf seiner Brust eingeschlafen, die Haare zerzaust und das Gesicht entspannt. Kurz überlegte Tim, ihn nochmal zu wecken, dann entschloss er sich aber dagegen, stellte nur den Laptop weg und rutschte ein Stück nach unten, küsste ihn sanft auf die Stirn und ließ sich dann von den ruhigen Atemzügen seines Freundes in den Schlaf wiegen. Sein Freund. Es war einfach unglaublich.

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So, das wars mal wieder. Nach dem letzten Kapitel heute einfach mal ein Bisschen Fluff. Ich hoffe es hat euch gefallen, auch wenn nicht so viel passiert ist. Und ja ich weiß, ich sag es nahezu jedes Kapitel aber ich wollte mich nochmal bei euch bedanken für das ganze Feedback auf das letzte Kapitel, die lieben Kommentare und inzwischen fast 600 Aufrufe. Das ist echt der Wahnsinn ^^

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