{𝟏𝟎.𝑲𝒂𝒑𝒊𝒕𝒆𝒍} 𝑳𝒊𝒈𝒉𝒕𝒏𝒊𝒏𝒈
Das Klingeln riss Jan aus seiner Trance. Sein Herz ballte sich enttäuscht zusammen als Tim wegsah und nach seinem Handy griff.
„Hallo?", fragte er in das verfluchte Ding und Jan versuchte die Zeit zu nutzen, um sich zu sammeln. Was hatte das gerade zu bedeuten gehabt? Tim hatte ihn so sehnsuchtsvoll angesehen...konnte es etwa sein, dass Rewi wirklich recht hatte? Seine Gedanken schossen in seinem Kopf herum, und abwesend sah er Tim an, der in die Ferne blickte während er redete. Seine Wangen waren leicht gerötet und er ignorierte seinen Blick. Jans Herz schlug unfassbar schnell. Das konnte doch nicht sein.
„Nein, es ist alles gut. Du musst dir keine Sorgen machen. Heute Abend gehen wir wahrscheinlich nur was essen und morgen fahren wir wie geplant weiter." Zwar konnte er sie nicht reden hören, aber Jan schloss, dass Tims Mutter am Telefon war. Am Morgen hatte sie auch schon einmal angerufen. Er konnte ihr nicht übel nehmen, dass sie sich Sorgen machte.
„Ja, ich schreibe dir dann", verabschiedete sein bester Freund sich und beendete das Gespräch. Er seufzte, fuhr sich durch die Haare. Nervös stand Jan auf.
„Wollen wir gehen? Langsam wird es doch kalt. Es wird gefickt." Jetzt merkte er, wie auch ihm Röte ins Gesicht stieg, aber Tim lachte nur als hätte Gisela gar nichts gesagt.
„Das kommt davon, wenn man keine Jacke mitnimmt. Aber du hast Recht."
Er kannte Tim zu gut, um ihm die Ruhe abzunehmen, die er auf dem Rückweg nach außen zeigte. Betont lässig hatte er die Hände in die Hosentaschen gesteckt und den Rucksack geschultert, aber Jan bemerkte genau, wie er sich durch die Haare oder übers Gesicht fuhr, wenn er glaubte, dass er nicht hinsah.
„Was hältst du davon, wenn ich morgen wenn wir im Hotel sind, abends schon mal eine Vlog fertigmache?", fragte er ihn. Jan ließ den Blick schweifen, unsicher ob er weiterhin so würde tun können als wäre nichts gewesen, wenn er ihn ansah. In den Cafés und Restaurants waren immer noch viele Menschen und auf der gegenüberliegenden Straßenseite liefen zwei kleine Mädchen mit Eiswaffeln.
„Gute Idee", erwiderte er ruhig, aber sein Herz schlug immer noch aufgeregt. Es gab so viel worüber sie reden mussten, zum Beispiel wie sie das blaue Auge erklären wollten, aber nichts davon brachte er über die Lippen. Seine Gedanken kreisten immer noch um die Frage, was Tim ihm hatte sagen wollen. Wofür war es zu spät? Er wollte es mehr wissen, als alles andere auf der Welt. Mit aller Kraft versuchte er sein Herz vom Hoffen abzuhalten, aber er konnte es nicht verhindern während sie die restliche Strecke schweigend zurückgingen. Im Hotel angekommen gähnte Tim.
„Sollen wir den - Fettsack - Aufzug nehmen?", schlug er vor, denn er konnte sich vorstellen, dass Tim vermutlich immer noch alles wehtat, auch wenn er sich kein einziges Mal darüber beschwert hatte.
„Ja, ich glaube das wär besser." Sein Gesicht sah angespannt aus und er hätte ihn am liebsten gefragt, was in ihm vorging. Aber dafür war seine Angst immer noch zu groß und so breitete sich wieder die unangenehme Stille aus, während sie auf den Aufzug warteten.
Mit einem lauten Rattern öffnete sich kurze Zeit später die Tür.
„Na so ganz neu sieht der ja nicht mehr aus", sagte Tim und lachte, „Mal schauen, ob wir heil oben ankommen."
„Oder ob wir überhaupt ankommen", gab Jan skeptisch zurück und Gisela fügte noch ein „Ich stecks dir sonst worein" hinzu. Wieder stieg ihm Röte ins Gesicht. Heute hatte sein Tourette ja wirklich total passende Kommentare auf Lager.
„Hast du eigentlich schon eine Idee, wie du das mit dem blauen Auge erklären willst?", fragte er ihn als sie nach oben fuhren schnell, um davon abzulenken und Gisela ließ ihn ein paar „ganz natürliche" Bewegungen ausführen. In dem Moment kam der Aufzug mit einem lauten Ruckeln zum stehen und er verlor wegen des Tics das Gleichgewicht.
Irgendwie schaffte er es nicht, zu reagieren und sich abzufangen. Er sah den Boden schon näher kommen, als Tim einen Schritt in seine Richtung kam, so dass er anstatt hinzufallen, gegen ihn prallte. Auf einmal lag sein Kopf auf der Brust des Größeren und er spürte, wie starke Arme ihn hielten, hörte einen schnellen Herzschlag und war sich nicht sicher, ob es Tims oder sein eigener war. Desorientiert wie er war, brauchte er ein paar Sekunden bis er dann aufschaute.
Was er sah löste ein feuriges Kribbeln unter seiner Haut aus. Die blauen Augen sahen mit einem Ausdruck voller Zuneigung auf ihn hinab und er spürte, wie ihm schwindelig wurde und das nicht, weil er gerade fast umgefallen war. Trotzdem löste er sich widerwillig von ihm, weil sie aus dem Aufzug raus mussten.
„Hast du die Keycard?", fragte Tim ihn dann mit heiserer Stimme und er nickte wortlos, zog sie heraus und gab sie ihm. Er bekam nicht wirklich mit, wie er die Tür aufschloss, er war zu sehr damit beschäftigt das Verlangen ihn zu küssen, endlich diese Distanz auszulöschen, zu unterdrücken.
Tim ging voraus nach drinnen und Jan folgte ihm schweigend. Er hatte keine Ahnung, was er sagen oder tun sollte, ohne dass er endgültig die Beherrschung verlieren würde. Am besten war es wohl, wenn er kurz ins Bad ging um ein paar mal durchzuatmen.
Dazu kam es aber nicht, denn auf einmal kam Tim näher, drückte die Tür hinter ihm zu, die mit einem lauten Klicken nachgab, und stemmte seine Hand dagegen. Jan spürte das Holz im Rücken und sah zu Tim auf, der fast schon verzweifelt zu ihm hinabsah.
„Jan...ich kann das nicht mehr", seine Stimme klang verzweifelt und Jan spürte wieder das Kribbeln, süß und schmerzhaft zugleich. Überwältigt von Sehnsucht stand er vor ihm und sah ihm in die Augen. Ich auch nicht, dachte er, war aber zu erstarrt, um etwas sagen zu können, „Wir können so nicht mehr weitermachen. Ich...ich kann dich nicht mehr anlügen und jeden Tag so tun, als wäre alles normal." Tims Hand zitterte als er sie vorsichtig ausstreckte und dann an seine Wange legte.
„Tim", brachte er leise hervor und sah ihn einfach nur an, fixierte seine blauen Augen. Das Meer in ihnen war jetzt dunkler und aufgewühlt.
Sein bester Freund sah ihn an und er merkte, dass der Ausdruck in seinen Augen sich veränderte, etwas in ihm schien aufzubrechen und endlich seine wahren Gefühle durchzulassen. Das Blau wurde noch dunkler und er sah ihn fast schon bittend an, so als wollte er um Erlaubnis fragen. Sie brauchten keine Worte um sich zu verstehen, dafür kannten sie sich viel zu lange. Alles zwischen ihnen war vertraut.
Er hatte immer angenommen, dass die Gefühle schwächer werden würden, wenn er nur lange genug durchhielt, wenn er sie nur lange genug zurückdrängte. Aber vielleicht war es mit Gefühlen ja wie mit Tics - je mehr man sie zu unterdrücken versuchte, desto stärker traten sie hervor. Und jetzt war es unaufhaltsam. Nur, dass es eben nicht wie bei den Tics war. Tim wollte es auch. Und er konnte es nicht glauben.
Obwohl alles darauf hingeführt hatte, war Jan nicht vorbereitet, als sein bester Freund den Abstand zwischen ihnen schloss. Sein bester Freund, der nicht sein bester Freund war. Ihre Lippen trafen sich und er überrumpelte ihn wie der Donner bei einem Gewitter über die Felder rollt. Eine brodelnde Mischung aus Leidenschaft, Verlangen, Sehnsucht und Glück machte sich in ihm breit als er spürte wie Tim sich näher an ihn und ihn stärker gegen die Tür presste.
„Darauf hab ich so lange gewartet", hauchte der Größere heiser, als sie sich für den Bruchteil einer Sekunde voneinander lösten und ansahen. Jan schwirrte der Kopf, er konnte nicht fassen, was gerade passierte, dass sich endlich all das erfüllte, wonach er sich schon so lange sehnte. Und dass Tim sich auch danach gesehnt hatte. Er wollte ihn so viel fragen, aber nicht jetzt. Jetzt zählte nur dieser Moment.
Stattdessen ließ er sich fallen, ließ seinen Gefühlen die Oberhand und umfasste seine Schultern, vertiefte den Kuss. Er war dankbar, dass Gisela in solchen Situationen ruhigblieb, auch wenn er sich ziemlich sicher war, dass Tim der erste Junge gewesen wäre, den es nicht störte.
Auf einmal packte Tim ihn auch an den Schultern, nur viel fester, und drehte ihn herum, ohne dass ihre Lippen sich voneinander lösten. Dann warf er ihn sanft, aber energisch aufs Bett, ließ sich mit ihm fallen und unterbrach kurz den Kuss, um ihn anzusehen. Jans Körper glühte jetzt schon fast, weil Tim ihm so nah war und er nicht damit gerechnet hatte, dass er jemand war, der dominant sein wollte. Er musste an den Strand in Strandhill zurückdenken, an das kalte Wasser und Tims warmen Körper auf seinem. Die Erinnerung vermischte sich mit der Realität und er versuchte immer noch zu begreifen, dass kein Spaß oder Tic sie hierher geführt hatte, sondern dass es real war, sie es beide wollten.
„Ist das okay?", fragte Tim sanft und sah ihn aus seinen dunklen, blauen Augen leidenschaftlich an. Noch nie hatte ihn ein Mann so angesehen, wenn er mit ihm intim geworden war. Zwar hatte er dank Gisela auch nicht übermäßig viel Erfahrung, aber genug um zu Wissen, dass es Tim dabei nicht nur um sich und den Orgasmus ging. Aber das wusste er auch so und es war ein wundervolles Gefühl.
„Ja ist es", erwiderte er leise und seine Stimme bebte, „Tu einfach das, wonach dir ist, ich sage dir wenn es zu viel ist."
Tim lächelte unsicher und stemmte seine Arme wie am Strand neben seinen Kopf, küsste ihn hart und voller Verlangen. Jan konnte seine Nervosität spüren, aber vor allem, wie überladen er war vor Gefühlen und Sehnsucht. Und ihm ging es nicht anders, auch wenn sich all das surreal anfühlte, weil er so lange darauf gewartet hatte. Er legte seine Arme um die Taille des Größeren und zog ihn näher zu sich.
„Ich finde, du hast ein Bisschen zu viel an", hauchte er und sah ihn aus diesen unglaublichen Augen an. Er rückte ein Stück zurück und ließ sich dann langsam auf ihn sinken. Jan wusste genau, was er zutun hatte, es war als wären ihre Gedanken verschmolzen. Schnell setzte er sich auf und Tim griff nach dem Saum seines T-Shirts, zog es ihm über den Kopf. Seine Finger zitterten und er legte den Kopf gegen seine Stirn, sah nach unten auf seine Brust. „Du bist wunderschön."
Jans Herz pochte ihm bis zum Hals, als er Tim zuerst die Jeansjacke und dann den Hoodie auszog. Auch er war perfekt, auch wenn die blauen Flecken und Blutergüsse ihm kurz einen Stich versetzten. Alles an ihm war einfach nur Tim. Sein Tim.
Sie küssten sich, weil keiner von beiden es mehr ertrug, ohne die Lippen des anderen zu sein. Dafür waren sie es viel zu lange gewesen. Jan öffnete seinen Mund, als Tim den Kuss vertiefte. Wieder drückte er ihn hinab in die Kissen und er umfasste ihn sehnsüchtig, zog ihn zu sich herunter. Eine Weile berührten sie sich leidenschaftlich, erkundeten den Körper des anderen und dann fasste Tim an den Bund von Jans Hose, sah ihn einen Moment abwartend an. Er nickte nur, half ihm, indem er die Hose wegtrat und Tim stand auf und entledigte sich seiner. Seine Gefühle kochten über als er ihn vom Bett aus musterte. Sein Tim, nur in Boxershorts. Er war so schön.
„Bist du sicher, dass du das willst?", fragte der Größere ihn sanft und lächelte unsicher, „Du musst mich vielleicht ein Bisschen anleiten." Er lächelte nur zurück, es war ihm vollkommen egal, dass er sich mit dieser Art von Sex besser auskannte. So wie er sich jetzt fühlte, hatte er sich noch nie gefühlt, sie würden beide etwas neues erleben.
„Kannst du das nicht in meinen Augen sehen?", erwiderte er und küsste ihn liebevoll, „Es stört mich überhaupt nicht."
Er schien sich ein Bisschen zu entspannen und küsste ihn wieder und mit der Zeit wurden die Berührungen schneller, fahriger und verlangender. Irgendwann landeten auch die Boxershorts neben dem Bett, und als es vor den Fenstern dunkel wurde und zu gewittern begann, waren sie sich so nah, wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Jan erhaschte einen Blick in Tims verschleierte Augen, die ihm so vertraut waren, und schloss sie dann, als die Welt um ihn zuerst schwarz und danach gleißend hell wurde. Der Größere keuchte auf, beugte sich zu ihm hinunter, um sanft ihre Lippen zu vereinen und lehnte dann erschöpft seinen Kopf gegen die Stirn des Kleineren.
„Ich liebe dich", hauchte er einfach nur und Jan hatte noch mehr als zuvor das Gefühl zu schweben.
„Ich liebe dich auch", antwortete er mit bebender Stimme, während die Abenddämmerung und das dunkle Zimmer von einem Blitz erhellt wurden.
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So Leute,das wars mit diesem Kapitel. Ich hoffe, ihr hattet so viel Spaß beim Lesen, wie ich beim schreiben. Außerdem wünsche ich euch allen Frohe Ostern. Genießt den Tag, auch wenn dieses Jahr alles ein Bisschen anders ist. Ich bin sehr gespannt auf euer Feedback, vor allem würde es mich interessieren, wie ihr meine Schreibstil in diesem Kapitel fandet. Danke für mittlerweile über 400 Aufrufe und 70 Votes. Das ist unglaublich! ^^
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