{𝟏.𝑲𝒂𝒑𝒊𝒕𝒆𝒍} 𝑻𝒐𝒎𝒐𝒓𝒓𝒐𝒘

Seit sie mit dem Frühstück begonnen hatten, waren bereits zwei Eier in der Küche herumgeflogen: Ein gekochtes und leider auch ein rohes. Gisela war auf Hochtouren dafür, dass es noch recht früh war, aber Tim lachte auch genauso wie sonst darüber, ziemlich erleichtert, dass in der Nacht nichts mehr weiter vorgefallen war. Am Morgen war er vor Jan aufgewacht und hatte sich vorsichtig von ihm gelöst, um sich schon mal fertig zu machen. Sein Herz hatte auch nach dem Aufstehen immer noch viel zu schnell geklopft, und am liebsten wäre er noch eine Weile so bei ihm liegengeblieben, aber er hatte nicht gewusst, wie er ihm das hätte erklären sollen, falls der Kleinere aufwachte. Ach, was solls? Ich wollte einfach nur noch ein Bisschen bei dir liegen bleiben, weil es sich so gut anfühlt. Die Reaktion wollte er sich gar nicht vorstellen.

Jan wirkte ebenfalls gut gelaunt und Tim war froh, dass er so entspannt war. Gemeinsam lachten sie und putzten die Sauerei weg, die durch das Ei entstanden war.
„Ich muss mich heute noch um ein paar Sachen kümmern", sagte Tim dann, nachdem sie gegessen hatten und Jan gerade das Geschirr zusammenstellte.
„Um was denn? Arsch. Fick dich." Er zuckte unter ein paar motorischen Tics zusammen und pfiff einmal laut.
„Ich muss Henry zu Dave bringen", ihr Freund hatte sich bereiterklärt, auf ihn aufzupassen, „Und dann nochmal die Wohnung aufräumen. Momentan herrscht da ziemliches Chaos."

„Ja, aufräumen wäre vermutlich keine so schlechte Idee", Jan runzelte die Stirn, „Meinst du es reicht, wenn wir nur Vlogs aus dem Urlaub hochladen?" Er stellte die Teller in die Spüle und setzte sich dann wieder, während Tim immer noch an seinem Kaffee nippte. Das Getränk half leider nicht viel, er war trotzdem komplett übermüdet und der Schlafmangel machte sich inzwischen mehr als deutlich bemerkbar.
„Ich denke eigentlich schon. Die Zuschauer wissen ja, dass wir wegfahren. Und außerdem sollen wir ja auch ein Bisschen die Zeit für uns genießen. Auf Madeira haben wir auch nicht so viel hochgeladen."

Bei dem Gedanken mit Jan für fast zwei Wochen alleine zu sein, überschlug sich sein Magen auf eine Weise, die er lieber ignorierte. Der Tourettekranke warf ihm einen langen Blick zu, den Tim nicht so richtig deuten konnte.

„Ja, vermutlich hast du recht. Der Tim will nur Zeit haben um die Rothaarigen ficken."
Tim lachte und vergrub gespielt verzweifelt das Gesicht in den Händen. Natürlich wollte er das nicht, aber das Gisela zu erklären würde sowieso nichts bringen und ihn nur daran erinnern, worüber er nicht nachdenken wollte. Nicht solange Jan mit ihm am Tisch saß und vielleicht bemerken würde, dass er in Gedanken versunken war. Keiner von ihnen hatte etwas zu der Situation in der Nacht gesagt, und das war vermutlich auch besser so.
„Eigentlich dachte ich, dass wir uns Irland einfach nur ein Bisschen anschauen", er seufzte theatralisch.
„Ich weiß", sagte der Touretter mit einem Grinsen, das von einem freundlichen Mittelfinger abgerundet wurde, und stand auf, „Ich muss mich auch fertigmachen, ich fahre nachher noch zu meinen Eltern, um mich zu verabschieden."

Tim nickte und konnte nicht verhindern, dass sich Aufregung in ihm breitmachte. Er freute sich wahnsinnig auf diesen Urlaub, Jan und er hatten ewig daran geplant, eine Route festzulegen, die sie mit einem Leihwagen abfahren würden. Vom Norden, über den Osten bis in den Süden, fast jede Nacht in einem anderen Hotel. Es würde anstrengend werden, vor allem für Jan, aber auch unfassbar interessant. Umso wichtiger war es, dass er heute Nacht nochmal ordentlich Schlaf bekam.

Eine halbe Stunde später hatte auch Jan sich fertiggemacht, und gemeinsam hatten sie noch die Chipstüten und den Müll vom Lieferessen von gestern Abend weggeräumt. Als Tim sich mit einer kurzen, aber festen Umarmung von seinem besten Freund verabschiedete, hatte Gisela sich wieder beruhigt. Es war kühl, als er vor die Tür trat und zu seinem Auto ging. Während er nachhause fuhr summte er gut gelaunt ein paar Lieder mit und verlor sich in Gedanken über den Urlaub. Schon übermorgen würde er ewig weite Wiesen und Felder vor sich haben, und nicht mehr die Straßen von Bonn.

Zuhause angekommen ließ er die Tür hinter sich ins Schloss fallen und lehnte sich einen kurzen Moment dagegen, schloss die Augen. Er seufzte schwer.
„Okay Tim. Zwölf Tage. Du wirst es ja wohl hinbekommen, dich zwölf Tage zusammenzureißen", sagte er leise zu sich selbst und hängte dann entschlossen seine Jacke an die Garderobe. Vielleicht würde ihm beim Aufräumen der Kopf ein Bisschen freier werden.

„Henry?", rief er dann laut, weil sein Hund ihn nicht wie sonst freudig an der Tür begrüßt hatte. Schnell ging er ins Schlafzimmer, wo sein Körbchen stand, und stellte erleichtert fest, dass er ruhig schlief. Eigentlich ließ er ihn nicht gerne über Nacht allein, und die Vorstellung, dass sie die nächsten zwei Wochen getrennt verbringen würden, versetzte ihm einen Stich ins Herz, aber trotzdem schien er ihm nicht böse zu sein. Verschlafen hob er den Kopf und sanft kraulte Tim ihn zwischen den Ohren, „Na, mein Kleiner? Wir gehen heute nochmal eine große Runde, bevor ich dich heute Abend weg bring."

Henry sah ihn kurz aus seinen treuen Augen an, dann schloss er sie wieder und ließ den Kopf zurücksinken. Lächelnd machte Tim sich daran, das Schlafzimmer aufzuräumen. Sein Koffer lag schon fast vollständig gepackt auf der rechten, unbenutzten Betthälfte und als er sich sein Bett und sein Schlafzimmer ansah, schweiften seine Gedanken für einen Moment zurück zu der letzten Nacht. Ob es Jan auch so gut getan hatte, so nah bei ihm zu liegen? Er atmete einmal tief ein und aus und schüttelte den Gedanken ab. Jan hatte so entspannt ausgesehen, sobald er wieder eingeschlafen war, als hätte er überhaupt keine Angst mehr gehabt. Irgendwie hatte er es geschafft, dem Kleineren gegenüber so eine Ruhe auszustrahlen, dass der es geschafft hatte, weiterzuschlafen. Und das war am Ende das allerwichtigste – dass er auf jegliche erdenkliche Art für ihn da sein konnte, egal was kam. Aber dafür musste er es irgendwie schaffen, über diese dumme Schwärmerei hinwegzukommen. Er hatte sich schließlich auch davor noch nie für einen Mann interessiert.

Wäre da nur nicht diese leise Stimme in seinem Hinterkopf, die ihm sagte, dass es viel mehr als das war und dass das keine Rolle spielte.

Am Abend, als er Henry schon lange bei Dave abgegeben hatte, der Koffer gepackt und geschlossen neben der Tür stand und es vor den Fenstern der kleinen Wohnung in Bonn bereits dunkel war, vibrierte Tims Handy noch einmal leise. Im Halbschlaf griff er neben sich, tastete in der Dunkelheit ziellos herum, bis er es schließlich zu fassen bekam und es mit dem Fingerabdruck entsperrte. Das grelle Licht nahm ihm für einen kurzen Augenblick die Sicht, aber dann machte sein Herz einen Satz. Es war eine Nachricht von Jan.

0:20 Uhr
Ich freu mich auf morgen.

Mit einem müden Lächeln tippte er eine kurze Antwort.

0:21 Uhr
Ich mich auch. 

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𝐒𝐨 𝐯𝐢𝐞𝐥 𝐢𝐬𝐭 𝐛𝐢𝐬𝐡𝐞𝐫 𝐳𝐰𝐚𝐫 𝐧𝐨𝐜𝐡 𝐧𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐩𝐚𝐬𝐬𝐢𝐞𝐫𝐭, 𝐚𝐛𝐞𝐫 𝐢𝐜𝐡 𝐡𝐨𝐟𝐟𝐞, 𝐞𝐮𝐜𝐡 𝐡𝐚𝐭 𝐝𝐚𝐬 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝐭𝐫𝐨𝐭𝐳𝐝𝐞𝐦 𝐠𝐞𝐟𝐚𝐥𝐥𝐞𝐧. 𝐃𝐚𝐬 𝐧ä𝐜𝐡𝐬𝐭𝐞 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝐢𝐬𝐭 𝐰𝐚𝐡𝐫𝐬𝐜𝐡𝐞𝐢𝐧𝐥𝐢𝐜𝐡 𝐚𝐮𝐬 𝐉𝐚𝐧𝐬 𝐒𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐠𝐞𝐬𝐜𝐡𝐫𝐢𝐞𝐛𝐞𝐧. 𝐅𝐞𝐞𝐝𝐛𝐚𝐜𝐤 𝐢𝐬𝐭 𝐢𝐦𝐦𝐞𝐫 𝐠𝐞𝐫𝐧 𝐠𝐞𝐬𝐞𝐡𝐞𝐧, 𝐢𝐜𝐡 𝐧𝐬𝐜𝐡𝐞 𝐞𝐮𝐜𝐡 𝐧𝐨𝐜𝐡 𝐞𝐢𝐧𝐞𝐧 𝐬𝐜𝐡ö𝐧𝐞𝐧 𝐓𝐚𝐠! ^^

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