{𝑷𝒓𝒐𝒍𝒐𝒈} 𝑭𝒆𝒂𝒓

Der Mond stand hoch am Himmel und warf sein weißliches Licht durch die Fensterscheiben in das kleine Schlafzimmer in Bonn. Zwei Körper zeichneten sich in dem schwachen Licht auf dem Bett ab, der eine eingerollt in eine dicke Decke mit gestreifter Bettwäsche und gleichmäßig atmend, während der andere aufrecht neben ihm saß, und ihn in der gräulichen Dunkelheit beobachtete. Seine blauen Augen ruhten auf dem Körper des Kleineren, dessen Hände verkrampft die Decke umklammerten. Jan krampfte ab und zu im Schlaf, und Tim ließ sich davon nicht unbedingt aus der Ruhe bringen. Dennoch war er wachsam und sich mehr als bewusst, dass aus verkrampften Händen schnell etwas schlimmeres werden konnte. So fand er keinen Schlaf, auch wenn es nicht nur deswegen war. Da war auch noch sein anderes Problem, über das er aber lieber nicht nachdenken wollte, so lange Jan so nah bei ihm lag. Vielleicht morgen, wenn er wieder in seiner eigenen Wohnung schlief. Es war spontan gewesen, dass er hierblieb, nachdem ihr Filmeabend etwas zu lange gegangen war. Und jetzt lag er in Jans Jogginghose und seinem Hoodie hier und konnte trotz der späten Uhrzeit nicht schlafen.

Auf einmal zuckte Jans Körper stark und Tim setzte sich ruckartig auf, als er es bemerkte. Sofort war alles in ihm in Alarmbereitschaft und sein Herz pochte während Jans Füße die Decke wegtraten, nur um sich dann plötzlich krampfhaft zu beugen. Der Körper des Tourettekranken zuckte und er murmelte etwas im Schlaf, so dass der Größere mit einem schnellen Satz direkt bei ihm war, und behutsam an seinen Schultern rüttelte.

„Jan, Jan kannst du mich hören?" So schnell wie es gekommen war, war es auch schon wieder vorbei. Der Kleinere schien gar nichts davon mitbekommen zu haben als er mit flatternden Lidern die Augen aufschlug und Tim verwirrt ansah. Sofort fiel die Panik von dem Größeren ab, er seufzte erleichtert, konnte aber nicht sofort die Hände von seinen Schultern nehmen.
„Was ist los?" Jans Stimme war noch schwer von Schlaf und müde wie er war, kamen auch wie immer keine Tics.

„Alles gut", antworte Tim beruhigend und strich ihm über die Schulter, bevor er endlich die Hände wegnahm, „Es sah nur für einen Moment so aus, als hättest du einen Anfall gehabt."
Jans braune Augen klarten sich auf und er stützte sich auf die Ellenbogen. Tim merkte, dass er beunruhigt war, obwohl es ihm gleichzeitig schwerfiel, die Augen offen zu halten. Er fragte nicht, ob er sich sicher wäre, die beiden kannten sich lange genug.

„Ich hab alles da, du musst dir also keine Sorgen machen", sagte Tim und streckte den Arm aus, um seinen Geldbeutel samt Medikament vom Nachtkästchen zu holen. Schnell steckte er ihn in die Tasche seiner Jogginghose. Jan entspannte sich ein Wenig, sah aber trotzdem immer noch zu dem Größeren auf. Tim konnte sich vorstellen, was ihm durch den Kopf ging. Die Epilepsie war nichts, worüber man lachen konnte, weder in Videos noch privat. Und es war auch schon immer das gewesen, was ihnen beiden mehr Angst gemacht hatte.

Angespannt fuhr er sich durch die Haare und legte dann die Hand beruhigend auf Jans Arm, eine vertraute Geste. „Wenn du möchtest kann ich ein Bisschen wach bleiben. Dann merke ich sofort, falls etwas passiert." Einen kurzen Moment schien Jan mit sich zu hadern, dann schüttelte er den Kopf. Draußen donnerte es urplötzlich und ein greller Blitz erhellte den Himmel.
„Nein, ich will nicht dass du wegen mir Schlaf versäumst. Bombe."
Das laute Geräusch triggerte den Touretter jetzt doch und sein Kopf zuckte ein paar mal unkontrolliert.

„Du weißt, dass mich das nicht stört", erwiderte Tim sanft. Er konnte sich eh nicht vorstellen, dass er heute nochmal irgendwie einschlafen würde. Nicht jetzt, wo er sich noch viel größere Sorgen um Jan machte, „Und ein paar Stunden Schlaf sind mir nicht annähernd so wichtig wie deine Gesundheit."
„Ich weiß", seufzte er leise, „Und es beunruhigt mich ja auch, aber..." Tim schüttelte den Kopf. Er wusste, was der Kleinere ihm sagen wollte, er wusste, dass er nicht wollte, dass er immer seine Probleme austragen musste. Dabei hätte er es ihm nie vorgeworfen – ganz im Gegenteil, es störte ihn kein Bisschen. Sein Herz klopfte wieder schneller, als ihm ein anderer Gedanke kam, ein möglicher Kompromiss. Aber dabei müsste er Jan näher kommen und er wusste nicht, ob das so eine gute Idee war.

Schnell verdrängte er die Gedanken, denn darum ging es jetzt gerade gar nicht. Es ging nur um Jan und seine Gesundheit.
„Weißt du was?", sagte er also leise und zog sich das zweite Kopfkissen heran, das noch zerbeult davon war, dass er es zwischen seinen Rücken und das Kopfende gequetscht hatte, „Ich könnte mich zu dir legen, dann merke ich, falls du wieder krampfst und wache auf."

Jan sah ihn mit einem langen Blick an, einem Blick, in dem immer noch Angst stand, aber auch Vertrauen. Tims Herz machte einen Hüpfer, den er gekonnt ignorierte, als der Tourettekranke nickte und ohne weiter darüber nachzudenken legte er sich neben ihn. Jan drehte sich um und legte die Decke über sich. „Willst du auch?", fragte er und Tim griff nach dem Stoff, ohne etwas zu erwidern. Dafür war der Kloß in seinem Hals zu groß.

Dadurch musste er zwar noch näher zu ihm, aber das störte ihn nicht. Natürlich nicht. Schließlich wusste er längst, dass Jan für ihn mehr geworden war, als sein bester Freund. Viel zu oft blieb sein Blick an seinen Haaren oder Augen oder Lippen hängen. Auf Madeira hatte er es sich kaum verkneifen können, ihn am Strand anzustarren. Und auch wenn Jan nichts davon wusste und vermutlich niemals das Gleiche empfinden würde, hatte er es akzeptiert. Akzeptiert, um es besser zu unterdrücken, denn niemals würde er etwas tun, wobei er ihre Freundschaft aufs Spiel setzte.

Also reiß dich zusammen, Tim, tadelte er sich als sich das wohlbekannte warme Gefühl in ihm ausbreitete, das er oft bemerkte, wenn sie sich zufällig berührten. Nur war es diesmal kein Zufall, Jan brauchte ihn jetzt. Angespannt drehte er sich auf die Seite und auch wenn es ihm einiges abverlangte, zwang er sich, nicht zu viel darin hineinzuinterpretieren, als er seine Hand auf den Arm des Kleineren legte, der jetzt wieder mit dem Rücken zu ihm lag. Er hoffte einfach, dass er das Zittern seiner Finger nicht bemerken würde.

„Danke", hörte er dann plötzlich die leise verschlafene Stimme seines besten Freundes. Er wusste nicht, ob er es sich einbildete, aber Jan schien sich ein Bisschen mehr in seine Richtung zu kuscheln. Reflexartig legte er den freien Arm um ihn und als Jan nicht protestierte, ließ er ihn dort. Und weil er sich nicht sicher war, ob seine Stimme nicht vielleicht versagen würde, wenn er antwortete, schwieg er, strich einfach nur beruhigend über seinen Arm und wartete darauf, dass Jan einschlief. Er hingegen lag noch eine ganze Weile wach, unfähig das Kribbeln zu ignorieren, das von den Stellen, an denen sie sich berührten, seinen ganzen Körper durchströmte.

Es fühlte sich viel zu gut an, bei ihm zu liegen, und dessen war er sich bewusst. Aber es war längst zu spät, etwas an seinen Gefühlen zu ändern. Alles, was er noch tun konnte war, sie zu verbergen. Nur hatte er absolut keine Ahnung, wie ihm das in ihrem gemeinsamen Urlaub gelingen sollte, der übermorgen anstand.

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𝐈𝐜𝐡 𝐡𝐨𝐟𝐟𝐞, 𝐝𝐢𝐞𝐬𝐞𝐫 𝐤𝐥𝐞𝐢𝐧𝐞 𝐏𝐫𝐨𝐥𝐨𝐠 𝐡𝐚𝐭 𝐞𝐮𝐜𝐡 𝐠𝐞𝐟𝐚𝐥𝐥𝐞𝐧. 𝐖𝐢𝐞 𝐟𝐢𝐧𝐝𝐞𝐭 𝐢𝐡𝐫 𝐦𝐞𝐢𝐧𝐞𝐧 𝐒𝐜𝐡𝐫𝐞𝐢𝐛𝐬𝐭𝐢𝐥? 𝐅ü𝐫 𝐊𝐫𝐢𝐭𝐢𝐤 𝐛𝐢𝐧 𝐢𝐜𝐡 𝐢𝐦𝐦𝐞𝐫 𝐨𝐟𝐟𝐞𝐧. 𝐅𝐚𝐥𝐥𝐬 𝐢𝐜𝐡 𝐞𝐭𝐰𝐚𝐬 𝐟𝐚𝐥𝐬𝐜𝐡 𝐝𝐚𝐫𝐠𝐞𝐬𝐭𝐞𝐥𝐥𝐭 𝐡𝐚𝐛𝐞, 𝐭𝐮𝐭 𝐞𝐬 𝐦𝐢𝐫 𝐥𝐞𝐢𝐝. 𝐀𝐧𝐬𝐨𝐧𝐬𝐭𝐞𝐧 𝐞𝐢𝐧𝐞𝐧 𝐬𝐜𝐡ö𝐧𝐞𝐧 𝐓𝐚𝐠. ^^

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