O N C E
„Überraschung!!!"
Entgeistert blickte ich auf den Laden, zu dem mich meine Familie gezerrt hatte.
„Natürlich!", hauchte ich.
„Das hatte ich ja vollkommen vergessen."
Die Bedrohung Kindermessers hatte mich vollkommen vergessen lassen, dass ich für meine Hochzeit, natürlich noch ein Hochzeitskleid benötigte.
„Wir wünschen dir alle keine Boston-freie Tage in deinem Leben, aber einen muss es geben."
Liebevoll zog mich mein Bruder in das Brautkleid-Geschäft.
Unsere Mutter folgte uns.
„Herzlich Willkommen in Hannahs Besten Brautkleid-Laden!"
Mit offenen Armen kam eine schlanke hochgewachsene Frau auf uns zu.
„Sie müssen Paris sein", sagte die Frau zu meiner Mutter und reichte ihr mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht die Hand.
„Nein, nein." Cecilia nickte lächelnd in meine Richtung. „Ich bin schon verheiratet."
Strahlend lächelte ich die Frau an.
„Sie müssen Hannah sein."
Die Frau runzelte einen kurzen Moment die Stirn.
Sie schien nicht glauben zu wollen, dass ich in meinem Alter schon heiratete.
Schnell setzte sie wieder ein professionelles Lächelnd auf.
„Ah, natürlich!"
Lächelnd reichte sie nun auch mir die Hand. „Dann folgen Sie mir doch bitte!"
Schwungvoll schob sie ein paar Kleiderständer zur Seite und führte uns in das Innere des Ladens.
„Ich habe schon ein paar Exemplare vorbereitet ... Bitte setzen Sie sich doch."
Sie deutete auf eine gemütliche Sofaecke.
Ein Mann kam um die Ecke gebogen und reichte uns Champagnergläser.
„Wir könnten das probieren!"
Begeistert hielt mir die Verkäuferin ein aufwendig verarbeitetes Brautkleid vor die Nase, das vor Glitzer und Diamanten nur so funkelte.
Mein Blick blieb jedoch nicht lange auf dem Protz-Kleid hängen.
Stattdessen glitt er zu einem schlichteren Kleid im hinteren Teil des Ladens.
Ehrfurchtsvoll näherte ich mich dem Kleid.
„Was ist mit dem?", fragte ich leise und strich vorsichtig über den weichen Stoff.
„Eine hervorragende Wahl", kommentierte die Verkäuferin und führte mich zu einer der Umkleidekabinen.
„Wenn Sie Hilfe brauchen, dann schreien Sie einfach", sagte sie und ließ mich mit dem Kleid alleine.
Verliebt sah ich es an.
Meine Finger strichen zitternd über die Naht und ich wusste – ohne es probieren zu müssen –, dass es das Richtige war.
„Bist du fertig?", hörte ich die aufgeregte Stimme meiner Mutter.
„Ganz gleich", rief ich und machte den Reisverschluss zu.
Flu.
Erschrocken hielt ich inne.
Oh nein.
Ich vergaß heute aber auch alles ...!
Hektisch zog ich das Kleid wieder aus.
Das konnte doch nicht wahr sein!!!
Auch wenn es nicht so schlimm war, wie es sich angefühlt hatte, sah man es.
Die rote Verfärbung von Blut auf dem weißen Stoff.
Mein Blut. Meine Tage.
„Wir können es kaum erwarten!"
Die Stimme meiner Mutter näherte sich den Umkleidekabinen.
„Einen Moment noch ...!"
Fassungslos starrte ich das Kleid an.
Was sollte ich nur tun?
Hitze stieg mir in den Kopf und ich spürte, wie ich rot wurde.
Hektisch schnappte ich nach einer Ecke des Vorhangs der Umkleidekabine und rieb damit hastig über den weißen Stoff.
Irgendwie musste man den Fleck doch rausbekommen!
FFFFFF.
Laut zog ich die Luft ein.
Der Fleck war zwar nicht mehr farblich so intensiv, jetzt jedoch umso größer.
„Ich mach jetzt auf!", quengelte meine Mama ungeduldig von der anderen Seite des Vorhangs.
„Nein!"
Erschrocken sah ich auf den raschelnden Stoff des Vorhangs.
„Ich muss das Kleid noch anziehen!"
„Brauchst du vielleicht Hilfe?"
„Nein!"
Ein bisschen zu hysterisch blickte ich zwischen dem Kleid und dem Vorhang hin und her.
„Alles gut?" Nun kam auch die Stimme meines Bruders dazu.
Eine verrückte Idee schoss mir durch meinen Kopf.
So verzweifelt wie ich war, entschied ich mich dafür:
„Ja", antworte ich meinem Bruder.
Dann schmiss ich das Kleid über die Kabinenwand in eine andere, in der Hoffnung, dass sich darin niemand befinden würde.
„Das Kleid ist perfekt!" Strahlend riss ich – nun wieder in meiner normalen Kleidung – den Vorhang zur Seite und sah in die verwirrten Gesichter meiner Familie und der Verkäuferin.
„Wo ist es?", fragte meine Mutter.
„Wo ist was?"
„Na, das Kleid!"
„Ach so ..." Lässig winkte ich ab.
„Wir nehmen das Kleid", meinte ich, an die Verkäuferin gerichtet.
Dabei bemerkte ich, wie sich in einem bestimmten Teil in mir wieder etwas bewegte.
Noch nicht ... Einen Moment noch, bitte.
Angestrengt versuchte ich meinen Körper zurückzuhalten.
„Aber ich will es doch sehen!" Schmollend verschränkte meine Mutter die Arme.
„Ich auch", bestätigte mein Bruder -so ein Schleimer.
„Das werdet ihr, aber erst, wenn es alle anderen es auch sehen werden. Es soll eine Überraschung bleiben."
Man sah meiner Mutter deutlich an, dass sie mir widersprechen wollte, doch sie kam nicht dazu.
Ein lautes Räuspern unterbrach sie.
Gleichzeitig drehten wir uns um.
Keine paar Meter von uns entfernt, stand Milan.
Milan Navarro.
Was tut der denn hier?
„Wer ist das?" Misstrauisch musterte meine Mutter Milan.
„Das ...", erklärte ich – nicht gerade begeistert.
„... ist Milan Navarro. Er ist von der Polizei."
Bestätigend nickte Milan. „Ich war bei Ihnen Zuhause. Die Wand sieht alles andere als lustig aus."
Dag.
Laut hatte ich das Champagnerglas auf die Tischplatte geknallt, dessen ekligen Inhalt ich zur Beruhigung gerade in einem Zug runtergeschüttet hatte.
Bah ...
Angeekelt rümpfte ich die Nase. Jetzt ging's mir immerhin besser.
„Ich brauche Aussagen von Personen, die zur Tatzeit im Haus waren."
„Muss das jetzt sein ..?"
Ein bisschen genervt sah meine Mutter Milan an.
Sie wollte Hochzeitskleider anprobieren, nicht von Polizisten ausgefragt werden!
„Ja", sagte Milan. „Es dauert auch nicht lange."
„Bringen wir's hinter uns", murmelte ich.
Meine Mutter war da jedoch anderer Meinung. „Oh nein, das Kleid und ...!"
„Ich brauche Schuhe", unterbrach ich sie und gab ihr somit eine Beschäftigung.
„Du hast den besten Geschmack. Suche die Schönsten raus!"
Stumm nickte meine Mutter.
Dabei ging ich in die anliegende Kabine und schnappte mir das weiße Kleid mit dem roten Blutfleck darauf.
„Und damit ihr das nicht einer Schaufensterpuppe anzieht und euch ausmalt, wie ich damit aussehen werde, nehme ich das schon mit!"
Demonstrierend öffnete meine Mutter den Mund. „Das ..."
„Weiß. Weiße Schuhe wären super."
Ich riss das Preisschild ab – sehr darauf bedacht, den roten Fleck weiterhin zu verdecken – und drückte es der Verkäuferin in die Hand.
„Sie haben eh nichts dagegen, oder?"
Langsam schüttelte die Angesprochene den Kopf.
„Das Polizeiauto steht in der Tiefgarage", sagte Milan zu meiner Mutter.
„Wir sind in zehn Minuten wieder zurück."
Jetzt ausnahmsweise mal eine andere Perpektive:
B O S T O N S - P O V:
Immer noch fassungslos schlenderte ich durch die Straßen.
Paris hatte mich doch tatsächlich rausgeschmissen!
Und ihr Bruder – mein bester Freund – hatte ihr dabei auch noch geholfen!
Nachdenklich blieb ich mitten auf der Straße stehen.
Mein Blick blieb an der Polizeistation hängen.
Dann würde ich die Zeit halt wenigstens sinnvoll nutzen!
Motiviert schritt ich in das Polizeirevier.
„Wer ist der Ranghöchste hier?" Lässig lehnte ich mich an die Rezeption.
Der Rezeptionist – in diesem Fall ein junger Polizist – starrte mich mit offenen Mund an.
„Äh ... ähm ... der Chef ist ..." Stotternd brabbelte der Typ irgendwas vor sich hin.
„Führ mich einfach zu ihm."
Selbstbewusst nickte ich dem nervösen Polizisten zu.
Dieser führte mich doch tatsächlich durch die Polizeistation in ein Büro, ohne auch nur ein einziges Mal nachzufragen, wer ich denn überhaupt sei.
„Wer ist das?", fragte der Polizist in dem Büro, zu dem mich der Rezeptionisten-Polizist geführt hatte.
„Nicht wichtig. Ich will nur mehr über einen eurer Angestellten wissen."
Selbstbewusst verschränkte ich die Arme.
„Ich weiß, wer du bist ..."
Der etwas ältere Polizist zeigte sprachlos mit dem Finger auf mich.
„Du bist dieser Promi-Junge, der bekannt fürs reich-sein ist!"
Autsch.
Diese Aussage kratzte an meinem Ego.
„Promi-Kind ist jetzt etwas übertrieben", versuchte ich meine, tatsächlich vorhandene, Popularität runterzuspielen.
„Nicht bescheiden sein", sagte der Polizist, der auf einmal mit einem Handy in der Hand neben mir stand und doch tatsächlich ein Selfie schoss.
„Das ist für meine Tochter", erklärte er und knipste noch ein weiteres Bild.
Als er fertig war, legte er das Handy wieder weg.
„Wie kann ich dir helfen?"
Erleichtert, dass ich endlich zur Sache kommen konnte, atmete ich tief durch.
„Ich will mehr über Milan Navarro wissen", erklärte ich mein Anliegen.
„Milan Navarro?" Ein bisschen verwirrt runzelte der Polizist die Stirn. „Wer soll das sein?"
„Na dieser ..."
Nach Worten suchend, fuchtelte ich ungeduldig mit den Händen herum.
„Arrogante Typ von der Sondereinheit. Wenn Sie mich fragen, sollten Sie ihn sofort feuern. Allein bei seiner Stimme, kriegt man ja schon einen totalen Hänger, doch dann noch seine Art und..."
Perplex hielt ich inne. Der Polizist schien keine Ahnung zu haben, von wem ich redete.
„Sie sind nicht der Ranghöchste hier?", fragte ich vorsichtig nach.
„Also bitte ...!"
Ein wenig beleidigt, rümpfte der Polizist die Nase.
„Ich bin einer der Cargos superiores von der Cuerpo Nacional de Policía! Natürlich bin ich der Ranghöchste hier!"
Beruhigt, dass mich der Anfänger an der Rezeption doch zum Richtigen geführt hatte, atmete ich tief durch.
„Na dann müssen Sie doch wissen, wer Milan Navarro ist!"
Etwas leiser flüsterte ich: „Der Einsatzleiter der Sondermission."
Kindermesser war für die breite Öffentlichkeit immer noch ein Geheimnis, deswegen musste man den Namen ja nicht so laut rumposaunen.
„Was für eine Sondermission?"
Fragend lehnte sich der Polizist ein wenig vor.
Er hatte in der gleichen Lautstärke geflüstert, wie ich.
Der glaubt wohl, ich mache Scherze?!
„Na von Kindermesser!" Eindringlich sah ich den Ranghöchsten an.
„Hä?"
Lachend legte der Polizist den Kopf in den Nacken.
„Was redest du denn da? Wir haben zur Zeit keine Sondereinheiten im Einsatz."
Fassungslos starrte ich den alten Mann.
Der macht wohl Scherze ...
„Wer ist dann Milan Navarro?"
„Was für ein Symbol steht denn auf seiner Marke oben?"
Angestrengt dachte ich nach. „Er hat uns keine gezeigt."
„Was?" Der Polizist fiel fast vom Stuhl.
„Jemand stellt sich als Polizist vor und du fragst nicht nach seinem Ausweis?!"
„Hätte ich das denn tun sollen?"
„Ja!!!" Entgeistert blickte mich der Polizist an.
„Das ist normalerweise das Erste, wonach man macht!"
Nachdenklich schritt der Polizist durch sein Büro.
„Womit immer noch die Frage offen bleibt, wer dieser Milan Navarro ist."
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