C U A T R O

„Ihr braucht also unsere Hilfe?"

Mit einem zuckersüßen Lächeln im Gesicht, musterte Milan Boston.

„Wir sehen uns wohl oder übel gezwungen, unsere Flitterwochen gegen Ihr wahnwitziges Vorhaben einzutauschen, ja!", fauchte der Angesprochene zurück und schnaubte grimmig. 

Ihm gefiel die Art und Weise, wie er behandelt wurde, nicht.

„Also sagen Sie uns, wie wir helfen können und lassen Sie uns das Ganze so schnell wie möglich hinter uns bringen! Denn egal was passiert, unsere Hochzeit werden wir nicht verschieben und die steht schon kurz vor der Tür!"

Puh ... Boston holte nach dieser Ansage erstmal tief Luft. 

Dabei funkelte er Milan wütend an, der ganz nebenbei gesagt, mal wieder von einer viel zu großen Duftwolke aus Armani-irgendwas umgeben war.

Anscheinend hatte er meinen Rationierungsvorschlag nicht ernst genommen und statt einem einfachen pft, pft, doch wieder ein übertriebenes pft, pft, pftpftpft, PFT! durchgeführt.

„Also... wie sieht der Plan aus?", hakte Boston ungeduldig nach.

Statt zu antworten, wendete sich das Parfum lächelnd zu mir.

Oh, oh.

Ich befürchtete nichts Gutes und meine inneren Alarmanlagen sollten Recht behalten.


-


Zwei Stunden später saß ich nervös und völlig angespannt in einem gut besuchten Café.

Mir gegenübersitzend, meine Zielperson.

Der Geschäftsführer des Cafés.

Dank Milan, mein potentieller Arbeitgeber.

„Keine Sorge, ich beiße nicht", lachte er, als er bemerkte, wie nervös ich war. 

Entschuldigend lächelte ich.

Das Wissen, das Boston, Milan und seine Polizeikollegen im Raum um mich herum saßen, war auch nicht gerade hilfreich.

„Das ist mein erstes Vorstellungsgespräch überhaupt", gestand ich.

Ungläubig sah mich der Mann mit den Tattoos am Hals an. 

„Wirklich? Wie kommt das?"

„Nun ja, ich habe es eigentlich nicht wirklich nötig zu arbeiten", rutschte es aus mir heraus, bevor ich die Worte zurückhalten konnte.

Verdammt! Ich brauche auch eine Geschwindigkeitsbegrenzungen zwischen meinem Hirn und meinem Mund!

Krh, krh.

Am Nebentisch verschluckte sich Boston fast an seinem Getränk.

„Außerdem habe ich jahrelang im Club meiner mamá gearbeitet", fügte ich hastig hinzu, in dem verzweifelten Versuch, mich aus meiner Misere noch rauszureden.

„Nun gut."

 Mein Gegenüber räusperte sich. 

„Wir suchen Personal, das länger bleibt und nicht nach einem halben Jahr wieder abspringt. Ist das ein Problem für Sie?"

Nein, keine Sorge, ich bin in drei Wochen wieder weg.

Gott sei Dank schaffte ich es ausnahmsweise mal, meine Gedanken nicht laut auszusprechen.

Der Geschäftsführer fuhr fort: „Dann erzählen Sie mal: Warum wollen Sie hier arbeiten und was unterscheidet Sie von den anderen Bewerbern? Warum soll ich Sie einstellen?"

Fast hätte ich hilfesuchend zu Boston geschaut.

Was sollte ich nun sagen?

Nun ja ... ich helfe einer Sondereinheit beim Sprengen einer kriminellen Organisation und weil in diesem Café viele Mitglieder dieser Organisation ein und aus marschieren, würde ich gerne hier arbeiten, um diese Menschen zu belauschen.

„Und?", fragte der, nicht mehr ganz so wahrscheinliche, neue Arbeitgeber ungeduldig.

Oh, hatte ich zu lange nachgedacht?

Schnell setzte ich mich aufrechter hin und improvisierte:„Also, ich bin wirklich gut im Wischen."

Kurz hielt ich inne. Hatte das komisch geklungen?

Anscheinend schon, denn der Arbeitgeber sah mittlerweile nur noch so aus, als wolle er, dass dieses Gespräch möglichst schnell ein Ende nahm.

„Und was ist mir Ihren Schwächen?", fragte er gequält.

Nachdenklich ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen. 

„Puh, darüber habe ich mir noch nie so Gedanken gemacht ..."

Abwartend sah mich der Geschäftsführer an. Seine Miene war alles andere als begeistert.

„Nun ja", räumte ich ein. „Ich bin kitzlig ...?"


-


„Darf ich ehrlich sein?"

Mit gerunzelter Stirn und einem liebevollen Ausdruck im Gesicht, empfing mich Boston drei Straßen weiter in einem anderen Café.

„Ich bin wirklich froh, dass du es tatsächlich nicht nötig hast zu arbeiten, denn nach heutigem Stand wird dich niemals jemand einstellen."

Liebevoll grinste er mich an und schüttelte dabei ungläubig den Kopf. 

Boston hatte noch nie so ein schlechtes Vorstellungsgespräch gesehen.

Gespielt beleidigt verpasste ich ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. 

„Ach was, den Job habe ich so gut wie in der Tasche", gab ich ironisch von mir.

„Paris!!!"

 Dramatisch stürmte das Parfum zu unserem Tisch. 

„Du hast ja komplett verschissen!"

„Nein, ganz im Gegenteil! Die Fragen waren einfach komplett beschissen", verteidigte ich mich vehement.

Verzweifelt hielt sich das Parfum die Hand ans Herz, während ich mich schutzsuchend an Bostons Brust drückte.

„Gut, dann müssen wir jetzt dafür sorgen, dass sich deine Konkurrenten verpissen", pfefferte Milan dagegen.

„Das klingt aber jetzt ziemlich verbissen", witzelte Boston.

Leider nicht leise genug. 

Milan hatte es gehört, das sah man ihm deutlich an.

„Er wollte dich nicht dissen", entschuldigte ich mich für Boston, auch wenn es nicht wirklich ernst gemeint war.

„Passt auf, sonst werdet ihr beiden gleich rausgeschmissen!", fauchte Milan brodelnd und machte zornig am Absatz kehrt.

„Ui, jetzt sollten wir besser die weiße Fahne hissen", sagte ich kichernd und schmiegte mich noch näher an Bostons Brust.

„Ich weiß nicht, ich bin so hin- und hergerissen."

Boston stimmte in mein Gelächter ein. 

Das kam davon, wenn man zu viele alte Bücher in der Schule las.

Auf einmal stand wieder Milan neben uns. 

Schnauze und Beeilung! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!"

Während er uns mit sich zog, seufzte ich leise.

„Ach wie Schade, wir waren gerade dabei, dich zu vermissen."


-


Erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen. 

Sollte es wirklich die Hölle für böse Menschen geben, musste ich von nun an mein restliches Leben lang beichten.

Zwar hatte ich jetzt dank Milan den Job, allerdings durch eine nicht besonders rühmliche Weise ...


Fangen wir bei Mitstreiterin Nummer 1 an:

„Oh, Sie müssen Sofia Libertin sein", fing ein, in Anzug gekleideter, Kollege von Milan meine seriös aussehende Konkurrenz ab.

„Ja genau", lächelte diese nett und ließ sich von ihm ins Café leiten und an einen anderen Tisch setzen.

„Hat jemand eine Frau mit braun gekräuselten Haaren gesehen?", erkundigte sich zwanzig Minuten später mein genervter Arbeitgeber bei den Passanten vor der Tür. 

Diese zeigten in alle Richtungen, denn auf seine Beschreibung trafen ziemlich viele Passanten zu.


Mitstreiterin Nummer 2:

... wurde spontan von Olivia ersetzt, während die wahre Bewerberin wieder vor dem Café abgefangen wurde.

„Schön, dass Sie es geschafft haben", begrüßte sie der Chef und setzte sich sofort hin.

„Erzählen sie mal von ihren Fähigkeiten", startete er gleich durch, ohne auf jeglichen Smalltalk oder sonstiges Chichi Rücksicht zu nehmen.

„Wie gut können Sie zum Beispiel Fensterputzen?"

„Fensterputzen?" 

Olivia schien sichtlich überrascht über die Frage zu sein. 

„Muss ich das etwa machen, wenn Sie mich einstellen?"

Mit hoher Stimme und arroganten Gesichtsausdruck musterte sie den Geschäftsführer.

Dieser atmete tief durch. 

Noch so ein Flop-Bewerber.

„Natürlich. Die Fenster putzen sich ja nicht von alleine!"

„Ja", gab Olivia kleinlaut zu. 

„Aber andererseits ist Privatsphäre heutzutage auch sehr wichtig ..."

Unschuldig lächelte sie und sah sich in dem Café um. 

„Besonders wenn man solche grünen Sessel dahinten stehen hat."

Naserümpfend deutete Olivia mit dem Zeigefinger auf die Sitzecke neben der Bar.

„Die müssen unbedingt weg! Die passen da ja so gar nicht hin."

Ihr Plan, gleich wieder ausgeladen zu werden, ging schief, denn der Arbeitgebers musterte sie nun sichtlich interessiert. 

Endlich mal jemand, der seine Meinung äußerte.

Olivia bemerkte den Blick und versuchte die Situation wieder in die richtige Richtung zu lenken.

„Außerdem muss ich montags immer ein bisschen später kommen, anders geht's sich's bei mir leider nicht aus."

Immer noch lieb lächelnd, strahlte sie selbstbewusst. 

Sie war wirklich eine gute Schauspielerin.

„Und wann würden Sie dann immer kommen?", versuchte der Arbeitgeber möglichst ruhig zu fragen.

„Mmh ..." Interessiert begutachtete Olivia ihre Nägel. 

Sie überlegte, was Carlo an ihrer Stelle sagen würde.

„Dienstags dann", antwortete sie, nachdem sie sich in die das Mundwerk ihres Geliebten versetzt hatte.

Stöhnend fasste sich der Arbeitgeber an die Stirn.

„Alles in Ordnung mit Ihnen?", fragte Olivia besorgt nach.


-


Du hast den Job, leuchtete die erfreuliche Nachricht von Milan auf meinem Handy auf.

Erleichtert atmete ich aus.

„Ahhhhh."

Ein greller Aufschrei ließ meinen Kopf herum schnellen. 

Ich befand mich in meiner Klasse, eigentlich kein gefährlicher Ort ...

Mein Blick landete auf Alex, der kreidebleich und wie zur Salzsäule erstarrt neben seinem Tisch stand.

„Alex, alles in Ordnung mit dir?"

 Aufmerksam näherte sich Boston ihm, während der Rest der Klasse schon neugierig die Köpfe in seine Richtung streckte.

„Da, da ..." Zitternd deutete Alex auf seinen Tisch.

Boston folgte seinem Zeigefinger.

„Alex, das ist nur eine Spinne ..." Besorgt sah Boston seinen Klassenkameraden an.

„Ich habe eine Spinnenphobie ...", krächzte dieser. Sein Gesicht sah gequält aus und war von purer Angst erfüllt.

„Man, dann schau sie dir halt nicht an", mischte sich nun Olivia ein, die inzwischen auch bei ihnen angekommen war.

„Olivia!" 

Erschrocken sah Boston die Freundin seines besten Freundes an.

„Ich, ich kann mich nicht bewegen ..."

 Immer noch mit geweiteten Augen starrte Alex das Insekt auf seinem Tisch an.

„Alex, das ist keine Spinne", sagte Olivia sanfter.

„Olivia, bist du dumm?"

Boston war da anderer Meinung.

„Das Viech hat 8 Beine!"

„Das Viech hat 6 Beine, du Obergenie!"

„Hey Freunde, beruhigt euch." 

Schnell gesellte ich mich dazu und versuchte die Situation zu entschärfen.

Allerdings wurde ich eiskalt von allen ignoriert.

„Das ist eine Gemeine Raubfliege, auch Tolmerus atricapillus genannt."

Ein bisschen eingeschnappt starrte Olivia Boston an.

„Nicht alles was lange Beine hat, ist eine Spinne ... Ich bin ja auch keine."

Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, nahm sie die Fliege/ Spinne oder was auch immer es nun war, in die Hand und marschierte damit zum Fenster, wo sie das langbeinige Tier in die Freiheit entließ.

Wortlos tauschten Boston und ich Blicke aus. 

Was auch immer in Olivia gefahren war, sie schien reizbar zu sein.

Olivia, die Ruhe in Person, war reizbar.

Diesen Tag musste ich mir unbedingt rot in meinem Kalender anstreichen!

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