Kapitel 20
Die Autofahrt zur Morwell Privatklinik verlief ruhig. Nur die leichte Rockmusik, die aus dem Autoradio schallte, störte die Stille. Mac machte keinerlei Versuche sich zu unterhalten, und Ryan war mehr als dankbar dafür. Er hatte keine Ahnung, was er sich dabei gedacht hatte, als er Mac gebeten hatte ihn zu begleiten. Es war nicht seine Absicht gewesen, aber als sie die Badezimmertür geöffnet und ihn gefragt hatte, was los sei, war es ihm irgendwie herausgerutscht. Sie hatte so besorgt ausgesehen, und er hatte sich sofort von ihrer Sorge getröstet gefühlt. Der umgehende Schwall des Verlangens, sie an seiner Seite zu haben, war zu stark gewesen, um ihn zu ignorieren.
Jetzt, wo er genug Zeit gehabt hatte, darüber nachzudenken, befürchtete er jedoch, dass dieses Treffen zwischen Mac und seiner Mutter zu früh stattfinden würde. Der Gedanke, dass Mac bald wissen würde, wie viel Groll seine Mutter gegen ihn hegte, bereitet ihn Unbehagen. Das war etwas, dass er nie mit den Frauen geteilt hatte, mit denen er schlief. Andererseits war Mac so viel mehr, als jeder dieser Frauen in seiner Vergangenheit jemals gewesen war.
Nach einer Fahrt, die sich sowohl zu lang als auch zu kurz anfühlte, fand er den ersten freien Platz auf dem Krankenhausparkplatz und stellte seinen Wagen dort ab. Sie stiegen beide schnell aus und als sie zum Eingag der Notaufnahme liefen, schob Mac ihre Hand in seine. Er drückte sie und dankte ihr im Stillen für ihre Anwesenheit.
Mac zeigte auf die Frau, die am Eingang der Notaufnahme der Morwell Privatklinik kauerte."Ist das Mindy?"
"Das ist sie.", antwortete er knapp und nahm zur Kenntnis, dass seine Schwester rauchte - etwas, dass sie nur tat, wenn sie extrem gestresst war.
"Mindy.", rief er und versuchte ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen.
Mindy ließ ihre Zigarette auf den Boden fallen und drückte sie mit dem Fuß aus, bevor sie mit einem erleichterten Lächeln auf ihn zulief. Er umarmte sie fest.
"Wie geht es Mum?", fragte er, als er sie losließ.
"Gott, Ry, ich fühle mich so schlecht. Ich habe es total vermasselt. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll."
"Wir stehen das schon durch. Es wird alles gut."
Mindy runzelte plötzlich die Stirn, als sie ihm über die Schulter sah. "Mackenzie Lauren?"
Er hatte nicht vergessen, dass Mac da war, aber für einen Moment hatte er vergessen, dass er die beiden vorstellen musste.
"Mac, bitte.", sagte Mac und trat einen Schritt vor. "Das mit deiner Mutter tut mir so leid."
Mindys prüfender Blick huschte zwischen Ryan und Mac hin und her.
"Mindy, das ist meine Freundin Mac. Mac, das ist meine Schwester Mindy."
"Freundin?", fragte Mindy und ihre Augenbrauen schossen in den Himmel.
"Jep."
"Wow, Ry. Ich glaube nicht, dass ich dich jemals zuvor diesen Begriff benutzen gehört habe."
Ryan spürte, wie ein kleines Lächeln über sein Gesicht glitt. "Was soll ich sagen? Ich hatte noch nie den Drang dazu."
"Nun, es ist mir ein Vergnügen dich kennenzulernen, Mac.", sagte Mindy. "Auch wenn ich mir wünschte, die Umstände wären besser."
Mac nickte. "Ich auch."
Mindy sah wieder zu Ryan. "Mum ist wieder bei Bewusstsein. Sie haben sie gerade von der Notaufnahme auf eine Station verlegt."
"Weißt du, auf welche?"
"Ja. Komm schon, es ist an der Zeit sich dem zu stellen."
Ryan streckte eine Hand aus, um Mindy um das Handgelenk zu fassen. "Hey Min, das war nicht deine Schuld."
"Ich weiß nicht einmal, wie sie aus dem Rollstuhl gefallen ist."
"Du kannst nicht rund um die Uhr auf sie aufpassen."
"Ich weiß, aber ... das ist nicht der erste Vorfall, Ry. Es gab schon andere."
"Was? Wann?"
"In den letzten paar Monaten."
"Warum hast du mir das nicht erzählt?"
"Weil ich dich nicht belästigen wollte. Ich weiß, dass du nicht gerne mit ihr zu tun hast."
"Ja, ich hasse den Umgang mit Mum, aber ich wollte nie, dass die ganze Sorge um sie auf deinen Schultern lastet."
"Hey, ich habe dir gesagt, dass ich es machen will. Das habe ich nicht vergessen und ich mache dir keine Vorwürfe."
"Aber es klappt nicht mehr?"
"Ich weiß es nicht, Ry. Es ist viel anstrengender, als ich erwartet habe. Mum ist die schlimmste Art von Patientin, die es gibt, und sie wird von Tag zu Tag schwieriger. Vielleicht brauche ich einfach etwas Hilfe." Mindy schaute wieder zu Mac. "Lasst uns hineingehen. Mac sieht durchgefroren aus."
"Es geht mir gut.", protestierte Mac.
Sie gingen trotzdem hinein, aber nicht bevor Ryan seiner Schwester sagte, dass sie mit dem Thema der Pflege ihrer Mutter noch nicht fertig waren. Dieses spezielle Gespräch war längst überfällig. Seine Schwester klang, als wäre sie an ihrer Belastungsgrenze angelangt. Er wünschte, Mindy hätte früher mit ihm darüber gesprochen, was passiert war. Ja, es fiel ihm schwer, viel Zeit mit seiner beleidigenden Mutter zu verbringen, aber das bedeutete nicht, dass er Mindy im Stillen leiden lassen wollte.
Wenn Mindy ihn nur jemanden bezahlen lassen würde, der ihr half ... oder vielleicht jemanden, der ganztags kam, damit sie Morwell verlassen konnte. Natürlich hätte Mindy ein schlechtes Gewissen, wenn sie ihre Mutter in fremder Obhut lassen würde. Das hätte er auch. Andererseits war er so sehr daran gewöhnt, sich schuldig zu fühlen, wenn es um seine Mutter ging, dass es wirklich nicht anders sein würde als sonst.
Was immer Mindy wollte, er würde es möglich machen.
Zu dritt schritten sie schnell zum Aufzug hinunter. Mindy drückte auf den Pfeil nach oben und als die Türen aufgingen, traten sie ein.
"Ebene zwei.", wies Mindy an.
Ryan drückte auf den Knopf, weil er ihm am nächsten war. Sie standen schweigend da, bis sich die Türen auf ihrer Etage öffneten.
"Raum 209.", sagte Mindy.
Als sie sich dem Raum näherten, wurde Mac langsamer.
"Ich sollte wahrscheinlich hier draußen auf euch warten.", teilte sie ihm mit.
Er sah sie einen Moment lang an und überlegte, ob er sie bitten sollte, mit ihm zu kommen oder nicht. Sie sah mehr als ein wenig unschlüssig aus und er verstand warum. Dies war eine ungewöhnliche Situation. Sie seiner Mutter auf diese Weise vorzustellen, wäre seltsam gewesen, wenn er eine normale Beziehung zu seiner Mutter gehabt hätte. Aber ihre Beziehung war alles andere als normal.
"Komm mit mir hinein.", sagte er nach kurzem Überlegen zu ihr.
Macs besorgter Blick glitt zu Mindy."
Mindy nickte ihr zu. "Nicht mehr als zwei Besucher auf einmal. Das ist schon in Ordnung. Ich warte hier draußen eine Weile."
"Oh nein.", sagte Mac. "Ich will nicht ..."
"Hör auf.", sagte Mindy und hob eine Hand, um Macs Weigerung zu unterbrechen. "Sei für ihn da. Er braucht dich."
"Wenn du dir sicher bist ...?"
"Das bin ich."
Seit sie auf Lyndels Willkommensparty aus dem Badezimmer gekommen war, war Mac unsicher gewesen, was sie sagen sollte. Bis heute hatte sie nur sehr wenig über Ryans Mutter gewusst, abgesehen von den kleinen Informationen, die er sporadisch preisgegeben hatte, wie die Tatsache, dass seine Mutter krank war und er deshalb nie das Land verlassen hatte. Mac wusste auch, dass seine Mutter einer der Gründe dafür war, dass Ryan sich vor einer Beziehung gedrückt hatte. Das kurze Gespräch, das Ryan und Mindy außerhalb des Krankenhauses geführt hatten, war jedoch aufschlussreich gewesen ... und beunruhigend. Die Beziehung zwischen Mutter und Sohn war eindeutig schwer gestört.
Ryan streckte seine Hand aus und Mac nahm sie. Seine warmen Finger schlossen sich um ihre, als sie in das blassrosa Zimmer gingen. Sie spürte, wie ihr Adrenalinspiegel zu steigen begann, als ihr Blick über die zerbrechlich aussehende Frau im Bett vor ihr schweifte.
Das Haar seiner Mutter war kurz und grau, mit gelegentlichen braunen Strähnen darin. Die Hälfte davon stand büschelweise ab, die andere Hälfte war seitlich im Gesicht verfilzt - ein Gesicht, das so faltig war, dass Mac, wenn sie nicht gewusst hätte, dass die Frau Ryans Mutter war, ihr Alter auf etwa siebzig geschätzt hätte. Auf dem Klemmbrett am Fußende des Bettes stand: 'Janet Moore'.
Mac war sich sicher, dass Janet ihre Schritte gehört haben musste, aber sie blickte nicht auf, um zu sehen, wer sie da besuchte.
"Mum.", sagte Ryan sanft.
"Wo ist Mindy?", krächzte Janet.
"Sie wartet im Flur."
"Typisch für deine Schwester einfach nur tatenlos zuzusehen. Ihr seid beide nutzlos. Ich wäre alleine besser dran."
Mac stand fassungslos da, als die Bitterkeit in Janets schwacher Stimme sie durchbohrte. Sie sah, dass Ryan sichtlich zusammenzuckte, aber er sah sie nicht an. Er hielt seinen Blick auf seine Mutter gerichtet.
"Es tut mir leid, dass du so denkst, Mum, aber wir sind trotzdem beide hier."
"Soll ich etwa dankbar sein? Mindy hätte auf mich aufpassen müssen. Sie hat mich fallen lassen."
"Ich werde mich darum kümmern, dass sie - dass ihr beide - Hilfe bekommt."
"Typisch für dich, dass du versuchst, jemand anderem deine Verantwortung aufzubürden. Jeden Tag frage ich mich, womit ich so eine erbärmliche Ausrede von einem Sohn verdient habe."
Macs scharfes Einatmen veranlasste Janet, sich in ihrem Bett zu drehen und Mac mit schmalen, unfreundlichen Augen anzuschauen.
"Sind sie eine Krankenschwester?"
"Das ist Mackenzie.", sagte Ryan. "Sie ist meine Freundin."
Janet murmelte etwas über Bastarde und Ryans Vater.
"Das reicht, Mum.", sagte Ryan barsch, bevor er Mac mit entschuldigendem Blick ansah.
Mac wusste nicht, warum Ryan derjenige sein sollte, der entschuldigend dreinschaute. Die absichtlich grausamen Kommentare von Janet waren das Letzte, was Mac erwartet hatte, selbst nach dem Gespräch, das Ryan und Mindy vor dem Krankenhaus geführt hatten.
Was für eine Mutter bezeichnete ihren Sohn als erbärmlich und nutzlos, bevor sie sich über ihn lustig machte, weil er wie sein Bastard Vater war? Wie auch immer die Beziehung zwischen Ryan und seiner Mutter war, er war immer noch hier. Er kam immer noch her. Und er hatte sich definitiv Sorgen gemacht. Aber Janet war eindeutig wütend, und Mac war sich ziemlich sicher, dass es absolut nichts mit dem zu tun hatte, was Ryan heute getan oder nicht getan hatte.
Der Drang, Ryan in Schutz zu nehmen, war fast überwältigend. Mac musste sich auf die Zunge beißen, um nichts zu sagen. Sie kannte Janet nicht, und die Frau hatte gerade einen Sturz hinter sich. Janet war vielleicht verbittert und wütend wegen der Vergangenheit, aber sie fühlte sich wahrscheinlich auch aufgewühlt und verletzlich.
Außerdem konnte sich Mac nicht vorstellen, dass Ryan es begrüßen würde, wenn sie sich für ihn einsetzte. Er hatte offensichtlich schon sehr lange mit der Kritik seiner Mutter zu kämpfen. Vielleicht wollte er Mac an seiner Seite haben, aber er würde niemals erwarten, dass sie seine Kämpfe ausficht. Was er brauchte, war ihre Unterstützung, und die hatte er in Hülle und Fülle.
Eine Krankenschwester mittleren Alters betrat Janets Zimmer und ihr Gesicht erhellte sich, als sie Ryan sah. "Na, wenn das nicht Morwells Siperstar ist."
Ryans Lächeln war ebenso warm, als er die Krankenschwester mit Namen begrüßte.
"Nella war in den letzten Jahren mit Unterbrechungen eine von Mutters Krankenschwestern.", erklärte Ryan Mac.
"Versuchs mit den letzten fünf.", korrigierte Nella.
"Ist es wirklich schon so lange?"
"Darauf kannst du wetten."
Janets Mund verzog sich fast zu einem Lächeln. "Kommt mir eher wie zwanzig vor."
Mac machte sich auf den Zorn der Krankenschwester gefasst, aber statt sich über die Bemerkung aufzuregen, grinste Nella nur. "Das kannst du laut sagen, du altes Huhn."
Nach einer Weile des Schweigens bemerkte Mac, dass Nella sie mit Interesse musterte. "Du bist doch Mackenzie Lauren, oder?"
"Tut mir leid.", sagte Ryan sofort. "Nella, Mackenzie. Mackenzie, Nella."
Mac lächelte höflich. "Hallo."
Fast sofort war ein spekulativer Glanz in den Augen der Krankenschwester zu sehen, der vorher nicht da war. Mac spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Die Tatsache, dass die Leute Ryan und sie zusammen sehen würden, war das Letzte, was Mac in den Sinn gekommen war. Jeder hätte sie mit Ryan durch das Krankenhaus gehen sehen können.
Ihre Gedanken kreisten um all die verschiedenen Szenarien, die in den Montagszeitungen abgedruckt werden könnten, wenn sich jemand entschließen würde, über sie zu sprechen, aber dann überkam sie ein Gefühl der Ruhe.
Sie haben nicht deine Erfahrungen gemacht. Sie müssen nicht mit deinen Entscheidungen leben.
Es war nicht wichtig, was die Leute dachten. Jetzt nicht mehr.
"Der Arzt kommt gleich vorbei, um mit dir und Mindy zu reden.", teilte Nella Ryan mit. "Wo ist Mindy eigentlich?"
"Ist sie nicht auf dem Flur?", fragte Ryan.
"Ich habe sie dort nicht gesehen."
"Wenn du willst, kann ich sie suchen gehen.", schlug Mac vor.
Ryan nickte. "Um die Ecke gibt es einen Warteraum. Vielleicht hat sie sich dort hingesetzt."
Mac verließ den Raum und folgte dem Korridor, bis sie eine Sitzgruppe vor einem großen Fenster sah. Mindy saß dort und starrte hinaus in die Dunkelheit. Mac ging hinüber und setzte sich neben sie. Mindy musste wissen, dass sie nicht mehr allein war, aber sie war offensichtlich in ihrer eigenen Welt unterwegs.
"Der Arzt möchte mit dir und Ryan sprechen.", sagte Mac leise, da sie den ruhigen, nachdenklichen Moment, den Mindy zu haben schien, nicht stören wollte.
"Danke.", sagte Mindy und stand auf. "Kommst du mit?"
Es war schon spät am Abend und die Regel lautete: zwei Besucher auf einmal. Mac wollte ihr Glück mit dem Personal nicht herausfordern, da sie technisch gesehen nicht zur Familie gehörte und Mindy und Ryan sich gegenseitig unterstützen würden.
"Ich warte, bis ihr das Gespräch mit dem Arzt beendet habt. Ich fürchte, der Raum wird sonst zu voll."
"Okay. Wir sollten nicht zu lange brauchen."
****
Etwa zwanzig Minuten waren vergangen, als Mindy mit zwei Tassen Kaffee wieder auftauchte.
"Oh, das wäre doch nicht nötig gewesen.", sagte Mac, als Mindy ihr eine der Tassen hinhielt.
"Ryans Anweisung.", erklärte Mindy. "Ich soll dir sagen, dass er hier fast fertig ist."
"Er will nicht bleiben?"
"Es gibt nicht viel, was wir beide im Moment tun können. Er und ich müssen ein paar Dinge besprechen, und ich glaube, er möchte mit dir über eine Übernachtung in Morwell reden."
"Natürlich.", sagte Mac und nickte. "Was hat der Arzt gesagt?"
Mindy setzte sich neben sie. "Meine Mutter kann morgen nach Hause. Sie hat eine Gehirnerschütterung, deshalb behalten sie sie über Nacht hier. Abgesehen von dem gebrochenen Handgelenk und der Gehirnerschütterung geht es ihr gut."
"Das ist gut."
Mac starrte auf ihre Füße und wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Normalerweise fiel ihr Smalltalk leicht, aber jetzt schien nicht der richtige Zeitpunkt zu sein, um mit dem Alltäglichen um sich zu werfen.
Nach einem peinlichen Moment brach Mindy schließlich das Schweigen. "Weißt du, dass du die erste Frau bist, die er jemals mit nach Hause gebracht hat?"
"Ich weiß, dass ich die erste 'Freundin' bin."
"Er hat die ganze Beziehungssache immer vermieden. Bis jetzt. Ich glaube, Mums ständige Kritik, Manipulation und emotionale Erpressung haben ihn vorsichtig gemacht, sich jemandem zu nähern."
"Du glaubst, er hat Angst, von jemand anderem manipuliert zu werden?"
"Vielleicht. Ich bin kein Psychologe. Was auch immer seine Gründe waren, Mums Kommentare haben ihn ziemlich verbrannt. Weil Ryan ein Mann war und Mum wütend auf unseren Vater war, hat Ryan die meisten der Beschimpfungen abbekommen. Ich bin so stolz auf ihn. Er hat den Schmerz und die Verletzung, die er empfunden hat, in die Schauspielerei gesteckt. Er ist ein Überlebenskünstler, mein Bruder."
Mac hatte Ryan schon immer bewundert, aber jetzt bewunderte sie ihn noch mehr. Er hatte eine persönliche Tragödie und eine Kindheit voller Misshandlung hinter sich und hatte einen Weg gefunden, damit umzugehen. Er hatte triumphiert. Wie Mindy gesagt hatte, hatte Ryan überlebt.
Und Mac würde das auch schaffen.
Früher am Abend hatte sie sich gefragt, ob sie an Ryan zerbrechen würde, wenn sie sich trennten, aber wenn Ryan eine miserable und missbräuchliche Kindheit überwinden konnte, konnte sie auch eine Trennung überwinden. So einfach war das. Gestern hatte sie beschlossen, sie würde sich etwas von Ryans Stärke leihen, aber sie musste sich nichts mehr von ihm leihen. Sie konnte das Schlechte nutzen und sie konnte das Gute nutzen. Und das Schlechte, wie die Trennung von Danny, ließ sie nur schätzen, wie besonders und wie gut diese neue Beziehung mit Ryan war.
"Er ist ziemlich toll.", stimmte Mac zu.
Mindy wollte noch etwas sagen, brach aber ab, als Ryan auf sie zu kam.
Er sah aus, als würde die ganze Welt auf seinen Schultern lasten, als er dastand und sich mit einer Hand über das Gesicht fuhr, seine Haltung war angespannt. Er schaute erst zu Mac und dann zu Mindy.
"Ich bin fertig.", sagte er. "Ich denke daran, Mac ins Morwell Motel zu bringen. Dort wird sie sich wohler fühlen."
Es lag Mac auf der Zunge, zu sagen, dass es ihr egal sei, wo sie übernachteten, wo immer er bleiben wollte, war in Ordnung für sie. Sie vermutete jedoch, dass es Ryan war, der sich wohler fühlte, die Nacht woanders als in seinem Elternhaus zu verbringen, und Mac hatte nicht vor, in deswegen infrage zu stellen.
"Okay.", sagte Mindy leichthin und stand auf. Sie gab Ryan einen Kuss auf die Wange und als Mac aufgestanden war, gab Mindy auch Mac einen. "Es war schön dich kennenzulernen, Mac."
"Gleichfalls."
Mindys Bemerkung über Ryan und das Treffen mit seiner Mutter waren aufschlussreich gewesen. Auch wenn der Grund für ihren Besuch hier ein negativer war, war das Ergebnis für Mac positiv.
"Ruf mich morgen an.", sagte Mindy zu Ryan.
Nachdem Mindy weggegangen war, ging Mac auf Ryan zu, schlang seine Arme um seine Mitte und legte ihre Wange an seine Brust, sodass sie seinen starken, gleichmäßigen Herzschlag spüren konnte. Er ließ sich gegen sie sinken, und als er seine Arme um sie schlang, hatte sie das Gefühl, dass er sich abstützte und versuchte, aufrecht zu bleiben, während er sie umarmte.
"Es tut mir leid.", flüstere sie, als er ihr einen Kuss auf den Kopf gab.
"Mir tut es auch leid."
Sie sah zu ihm auf, doch bevor sie ihm sagen konnte, dass es ihm nicht leidtun müsse, überraschte er sie. "Ich habe nicht daran gedacht, dass man uns hier zusammen sehen könnte. Das könnte in den Womans Daily News landen."
"Das ist mir egal."
Obwohl er so müde aussah, als würde er jede Sekunde umfallen, gelang es ihm, überrascht auszusehen. Es gab keinen Grund, warum er nicht ein wenig skeptisch sein sollte, dachte sie. Stunden zuvor war er Zeuge ihrer Angst geworden, an einer Arbeitsveranstaltung teilzunehmen, bei der ihre Arbeitskollegen sie zusammen sehen würden. Aber ihre Angst vor der Öffentlichkeit hatte sich an diesem Abend aufgelöst, zusammen mit all den Zweifeln, die sie einst empfunden hatte.
"Es ist die Wahrheit.", teilte sie ihm mit. "Es ist mir egal, wer uns sieht oder was die Womans Daily News druckt. Nur her damit."
Seine Lippen zuckten. "Lass uns hier verschwinden."
"Du siehst fertig aus. Willst du, dass ich fahre?"
Es war schon sehr, sehr lange her, dass sie ein Auto gefahren hatte, aber sie wollte sich heute Abend um ihn kümmern.
"Kannst du mit Schalthebel fahren?", fragte er.
"Es ist sehr lange her, aber ja, kann ich."
Er reichte ihr die Schlüssel. "Dann bring mich hier weg."
****
Am nächsten Abend fuhr Ryan auf den Parkplatz des Morwell Motor-Inns und suchte nach dem kleinen gelben Holden, den Mac vor ein paar Stunden bei der Autovermietung gemietet hatte. Ursprünglich war geplant gewesen, heute Nachmittag nach Melbourne zurückzufahren, aber er wollte das Gespräch mit seiner Schwester nicht überstürzen. Deshalb war die Entscheidung gefallen, noch eine Nacht im Morwell zu bleiben, und Mac hatte beschlossen, die zusätzliche Zeit zu nutzen, um ihre Eltern in der Nachbarstadt Taralgon zu besuchen.
Schließlich entdeckte er Macs Mietwagen und parkte daneben, bevor er genug Energie aufbrachte auszusteigen und zu ihrem Zimmer zu gehen.
Die Tür öffnete sich gerade, als er seinen Schlüssel hineinschieben wollte. Er genoss den Anblick seiner Freundin in kurzen Jeans-Shorts und einenm Flanellhemd, und zum ersten Mal, seit sie von seiner Seite gewichen war, ließ seine Anspannung in der Brust nach.
"Ich, äh, habe ein paar Klamotten von zu Hause mitgebracht. Gratuliere, du kannst mich in meiner Farmerskleidung sehen."
Er hätte sich das Grinsen nicht verkneifen können, selbst wenn er es versucht hätte. "Sehr niedlich."
"Wenn du meinst.", erwiderte sie mit einem kurzen Lachen, bevor sie ernst wurde. "Wie ist dein Gespräch mit Mindy gelaufen?"
"Wir werden jemanden holen, der hilft, sich um Mum zu kümmern. Ich bin immer noch der Meinung, dass Mindy da rausmuss und ihr Leben neu beginnen sollte, aber sie will nicht gehen und ich denke, ich kann das verstehen. Ich ... ich hasse das einfach nur. Ich fühle mich so schuldig. Mindy hat ihren Teil dazu beigetragen, sich um Mum zu kümmern, aber ich kann es einfach nicht, Mac. Ich will da nicht mitmachen. Ich kann nicht tagein und tagaus in diesem Haus mit jemanden sein, der mich verachtet, weil sie meinen Vater in mir sieht. Ich würde ... ich würde sie am Ende dafür hassen."
Mac konnte die Frustration, die Wut und den Groll in Ryans Stimme hören, und ihr Herz schmerzte mit ihm. Sie fuhr mit ihren Händen an seinen Armen entlang.
"Ich hasse es, wie ich mich fühle, wenn ich in ihrer Nähe bin, Mac - dieses ständige Gefühl des Versagens und der Enttäuschung."
Gestern Abend hatte Mindy erwähnt, dass sie glaubte, Ryan habe Angst wieder emotional manipuliert zu werden, und vielleicht hatte sie recht, aber es war klar, dass Ryan auch andere Ängste hatte.
Mac nahm sein Gesicht in ihre Hände. "Du bist der am wenigste enttäuschenste Mann, den ich getroffen habe, und der am weitesten von einem Versager entfernteste, den ich je gesehen habe."
Er lächelte. "Du bist auch ziemlich beeindruckend."
Sie hatte den eindeutigen Eindruck, dass er ihr Kompliment kaum wahrgenommen hatte. "Ich meine es ernst. Ich habe so sehr versucht, mich nicht in dich zu verlieben, aber es war unmöglich, weil du einfach so umwerfend bist."
Sein Lächeln wurde breiter, aber sie war noch nicht fertig. Gestern Abend, auf Lyndels Party, hat sie mich als dumm bezeichnet, weil ich mich für eine Beziehung mit dir entschieden habe."
Das Lächeln, was er gerade noch gezeigt hatte, wurde sofort durch einen finsteren Blick ersetzt, aber Mac hielt ihre Hände hoch, um ihn davon abzuhalten, etwas zu sagen.
"Es war das Beste, was mir passieren konnte, Ryan. Denn ich habe etwas erkannt. Ich habe erkannt, dass es die richtige Entscheidung für mich ist, mit dir zusammen zu sein, und dass jeder andere an meiner Stelle die gleiche Entscheidung getroffen hätte, Lyndel eingeschlossen. Niemand, der bei Verstand ist, würde die Chance ausschlagen, mit dem Menschen zusammen zu sein, den er liebt. Niemand würde die Chance ausschlagen, mit dir zusammen zu sein."
"Da bin ich mir nicht so sicher."
"Nun, jeder der das tun würde, wäre ein Idiot. Du bist großartig, sexy und -"
"Großartig und sexy, was?", fragte er, schlang einen Arm um ihre Taille und zog sie an sich.
Sie schaute in seine Augen. "Und du bist ein toller Schauspieler, ein wunderbarer Freund. Du liebst deine Schwester und du versuchst, das Beste für sie und deine Mutter zu tun, auch wenn die Situation so ... schwierig ist."
Er lächelte auf sie herab, offensichtlich schätzte er ihr Feingefühl.
"Du bist nicht nutzlos. Du bist kein Bastard. Und du könnest mich nie enttäuschen. Niemals. Ich liebe dich."
Ryan spürte, wie seine Kehle durch rohe Emotionen verstopft wurde, während Mac sprach. Ihre Worte waren so unerwartet und doch hatten sie ein Loch gefüllt - ein Loch, von dem er nicht einmal wusste, dass es existierte. Und jetzt wusste er nicht, was er sagen sollte oder wie er ihr dafür danken sollte, dass sie an diesem Wochenende bei ihm war - dafür, dass sie sein sicherer Hafen war.
Als ob sie den inneren Aufruhr in ihm spürte, schob Mac eine Hand hinter seinen Kopf und zog seinen Mund zu ihrem hinunter. Sie strich mit ihrer Zunge über seine und verursachte angenehme Schocks, die sich in jedem Teil seines Körpers ausbreiteten. Der warme, schwere Sog des Verlangens, setzte sich an der Basis seiner Wirbelsäule nieder und vibrierte bis in seine Magengrube.
Nach allem, was an diesem Wochenende geschehen war, sollte er auf keinen Fall in der Lage sein, Erregung zu empfinden, aber Mac war so weich und warm in seinen Armen und sie roch und schmeckte nach dem, was sie auf der Farm ihrer Eltern gegessen haben musste - irgendwas mit Zimt und Vanille darin. Das Bedürfnis, sich in ihr zu verlieren, wurde mit jedem Kuss und jeder Berührung, die sie teilten, stärker, ebenso wie das Bedürfnis, die Ereignisse des Tages zu vergessen, wenn auch nur für ein kurzes Zwischenspiel.
Seine Bartstoppeln mussten rau auf ihrer weichen Haut sein, da er sich heute Morgen nicht rasiert hatte, aber sie stieß ihn nicht weg. Stattdessen zog sie ihn näher an sich heran und wimmerte leise, als seine Hände über ihren Rücken strichen, um sich auf der Wölbung ihres Hinters niederzulassen. Er konnte sich nicht dagegen wehren, auf sie zu reagieren, und ihr kleines, bedürftiges Wimmern und der Druck ihrer Hüften gegen seine ermutigten ihn nur.
Sie sagte nichts, als er die Knöpfe ihres Hemdes öffnete. Als er den rot-schwarzen Spitzenstoff sah, der ihre Brüste umhüllte, stieg seine Erregung um das Zehnfache. Sie ließ das Hemd von ihren Schultern fallen, öffnete den Verschluss ihres BHs und entblößte sich vor seinen Blicken.
Ihre Brustwarzen waren genauso hart wie die Erektion, die gerade gegen seinen Reißverschluss drückte und um Befreiung bettelte. Und als sie ihre Short und die passende Unterhose von den Hüften schob und nackt vor ihm stand, wollte er sie so sehr, dass er nicht wusste, was er zuerst berühren sollte.
Sie rückte näher an ihn heran und küsste ihn so zärtlich, dass er aufhörte zu denken. Er verlor sich für einige süße, lange Momente in ihrem Kuss, bevor er mit seinen Lippen über ihr Kinn und ihren Hals wanderte, und erst an der Stelle stoppte und saugte, an der er ihren wild schlagenden Puls spüren konnte. Sie stöhnte leise und drückte ihre Brüste gegen seine Brust. Das Gefühl ihres nackten Körpers, der sich an seinen presste, ließ ihn erbeben.
"Nimm mich.", flüsterte sie, als er ihre Schenkel spreizte und sie nass und bereit vorfand.
Das war die einzige Ermutigung, die er brauchte. Er wollte unbedingt in ihrem edlen Körper versinken und ging mit ihr rückwärts, bis sie an die Wand stieß, während er seinen Gürtel und den Verschluss seiner Jeans öffnete. Er befreite seine Erektion und hob sie hoch. In dem Moment, in dem sie ihre Beine um seine Taille schlang, schob er seinen pochenden Schaft durch ihre Schamlippen, bevor er sich an ihrem Eingang positionierte und sich langsam in ihre wartende Hitze schob. Er wurde von dem festen Griff ihres Geschlechts belohnt und stöhnte, als sie ihn noch fester mit ihren Beinen umklammerte und ihn tiefer in sich zog.
Sein Herzschlag verdreifachte sich, als er sich nach vorne drängte und sie vollständig ausfüllte. "Mac. Du fühlst dich viel zu gut an."
Er umfasste ihre Hüfte mit einer Hand und stützte sich mit der anderen an der Wand ab. Sie war so fest um ihn gewickelt, dass es unmöglich war, mehr als sachte Stöße zu machen, aber mit dem Winkel, den er hatte, rieb seine Länge an ihrem Nervenbündel und ihre seidigen Wände pressten sich bei jeder Bewegung um ihn herum zusammen. Ihr Körper war so empfänglich, dass er sich viel zu schnell der Befriedigung entgegen stürzte.
Er versuchte das Tempo zu drosseln und alles in sich aufzunehmen - das heiße, schnelle Rauschen seines Blutes, ihre erregten Atemzüge, das Gefühl ihrer Nägel, die über seinen Rücken kratzten -, aber als sie aufschrie und um ihn herum zum Höhepunkt kam, konnte er sich nicht länger zurückhalten. Er beanspruchte ihren Mund, seine Zunge glitt gegen ihre, als er dem Drang nachgab, seine Bewegungen zu vertiefen und zu beschleunige. Er trieb sie härter und schneller, bis sie erneut kam.
Als die Lust schließlich zu viel wurde und sein Körper sich anspannte, um sich auf seine Erlösung vorzubereiten, flüsterte sie ihm ins Ohr, wie sehr sie ihn liebte, wie viel er ihr bedeutete. Er explodierte augenblicklich, ergoss sich in ihr, gab ihr alles von sich, während er einen Teil von sich zurückholte, den er für immer verloren geglaubt hatte.
Als sie regungslos dastanden, wurde er das Gefühl nicht los, dass er sich durch Mac auf eine Weise vollständig fühlte, die er nie für möglich gehalten hatte.
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