74. Kapitel
„Möchtest du jetzt reden, oder-" – „Ich muss los.", weicht Harry aus und trinkt seine Kaffeetasse in einem Zug aus. „Aber wir reden schon noch, oder?", möchte ich wissen. „Später?" – „Sicher." Ich verdrehe die Augen und murmle: „So sicher, ist das nicht." – „Was?" – „Nichts" – „Ich habe schon verstanden, was du gesagt hast.", antwortet Harry mir. „Wieso sagst du das?" – „Du hättest gestern den ganzen Abend mit mir reden können.", antworte ich dann doch und zucke mit den Schultern. „Ich musste nachdenken." – „Über drei Stunden?" – „Ich habe Zeit für mich gebraucht.", weicht er aus und holt seine Sachen. „Fahren wir zusammen?" – „Meinst du nicht, das ist zu auffällig?", fragt er hingegen nur. „Jeder weiß, dass du mit den Rad kommst." – „Vermutlich hast du recht.", nicke ich unschlüssig und warte darauf, dass er sich verabschiedet. Genauer gesagt, warte ich auf einen Kuss.
„Harry?" – „Was?" Er steht schon an der Tür, mit Schuhen und Jacke. „Du hast etwas vergessen.", erinnere ich ihn und verschränke die Arme vor der Brust. Er sieht an sich herab, klopft seine Taschen ab und schüttelt den Kopf. „Nein... ich denke, ich habe alles." – „Das meine ich nicht.", antworte ich ungewollt getroffen. Irritiert sieht er mich an. „Fällt es dir wirklich nicht ein?", frage ich ruhig und kratze mich am Nacken. „Ist heute irgendein Tag? Geburtstag hast du nicht.", antwortet er kopfschüttelnd. Ich schüttle den Kopf. „Schon gut. Vergiss es." Er seufzt genervt und kommt auf mich zu. „Sag schon, sonst denke ich den ganzen Tag darüber nach. Wir haben keinen Jahrestag, du hast nicht Geburtstag und der Stanley Cup findet heute auch nicht statt. Ich habe keine Ahnung." Entschuldigend sieht er mich an. „Es ist dumm. Bescheuert.", winke ich erneut ab. Nur weil er mich nicht wie sonst küsst, bevor er geht, innig und liebevoll und leidenschaftlich küsst, sollte ich nicht so ein Fass aufmachen.
„Ich werde keine Ruhe geben.", antwortet er mir. Ich sehe zur Seite. „Es... ich habe übertrieben." – „Louis." – „Du solltest gehen, du kommst du spät." – „Louis Tomlinson." Ich seufze und sehe ihn an. Die letzte Nacht, nein der ganze letzte Tag nagt noch an mir. Vielleicht kommt es daher, dass ich so empfindlich reagiert habe. Er hat mir nicht einmal einen Guten-Morgen-Kuss gegeben. Als ich aufgewacht bin, war er schon unter der Dusche und gerade, als ich dazukommen wollte, war er fertig und hat das Wasser abgestellt.
„Du hast mich nicht geküsst." – „Was?", verwundert sieht er mich an. „Du hast mich nicht geküsst, du... es ist unsinnig.", unterbreche ich mich selbst und schüttle erneut den Kopf. Harry sieht mich an, mustert mich und ich kann nicht erkennen, was in seinen Gedanken vor sich geht. „Ich habe dich nicht geküsst.", sagt er leise. Ich schüttle den Kopf. „Tust du sonst immer, deswegen... schon gut, du hast wahrscheinlich immer noch wahnsinnig viel zu tun, richtig?" Er nickt stumm. Obwohl er zustimmt, macht es die Situation nicht angenehmer. „Muss du los?", frage ich zögerlich, obwohl ich fragen möchte, wieso er mich immer noch nicht küsst. Wieder rufe ich mir in Gedanken, dass ich wahrscheinlich zu sehr darüber nachdenke, aber ich kann es nicht verhindern.
Er sieht auf sein Handy. „Verdammt, schon so spät. Ich muss los, ich sollte..." Er geht zur Tür. Gerade als er seine Hand auf den Griff legt, hält er inne, dreht sich zu mir um und kommt doch noch einmal auf mich zu. Ich seufze leise, als er seine Lippen auf meine legt und möchte den Kuss gerade erwidern, da ist er auch schon wieder vorbei. „Bis später, Louis." Er ist verschwunden. Der Kuss war nicht sanft, nicht liebevoll, nicht leidenschaftlich. Dieser Kuss war ein Mittel zum Zweck – als eine Pflicht könnte man ihn auch betiteln. Ich fasse an meine Lippen und sehe ungläubig zur Tür. Ich höre, dass mein Freund wegfährt und erst als ich sein Auto nicht mehr hören kann, löse ich mich aus meiner Starre. Was zur Hölle war das?
Ich warte darauf, dass Harry mir erklärt, was passiert ist, aber er tut es nicht. Beim Spiel gegen die Chicago Blackhawks macht er gewissenhaft seine Arbeit. So gewissenhaft, dass er keine Zeit hat, fünf Minuten vor dem Spiel mit mir zu verschwinden. Ich stehe an der Mittellinie. Das erste Bully des zweiten Drittels steht an. Ich sehe zu Harry und fasse mir kurz ans Ohr. Er hat das Handy auf mich gerichtet, aber trotzdem tut er es mir gleich. Ich sehe nach vorne zu meinem Gegenspieler und unterdrücke ein Lächeln. Kurz sieht er mich verwirrt an. „Wir werden euch in den Arsch treten.", antworte ich nur provokant. Er grinst. „Sei dir da mal nicht zu sicher." Einen Moment später wird der Puck fallengelassen und das zweite Drittel beginnt.
Das wir den Blackhawks in den Arsch treten, war keine kurze Ausrede für meine Reaktion auf Harrys stumme Liebesbekundung, aber das macht es nicht weniger wahr. Das Spiel ist schnell, recht ausgeglichen, fair und spannend. Es ist ein fantastisches Spiel. Nach dem zweite Drittel steht es drei zu zwei für uns, aber das bedeutet noch lange nichts. Ich bin sicher, dass das nicht die letzten Tore waren, die heute Abend fallen. Da wird noch einiges kommen.
Ich komme von Eis und setze mich. Wenig später werden die Reihen erneut getauscht und Ian setzt sich zu mir. Er hat sein Handy hier, auch wenn Coach Warren das nicht gerne sieht. Er nimmt es und hält es mir hin. Irritiert sehe ich ihn an. „Schau.", meint er nur und ich sehe auf sein Handy. Er hat Harry gefilmt. Er sieht auf sein Diensthandy und als er sich lächelnd ans Ohrläppchen fast, weiß ich, dass es vorhin war, bei Beginn des zweiten Drittels. Jetzt öffnet Ian Instagram und zeigt mir das Video, dass Harry vorhin gemacht hat. Man sich mich, besser gesagt, sieht man mich, wie ich ebenfalls diese kleine Geste mache. „Ich schicke dir es und lösche es von meinem Handy.", meint er schmunzelnd. „Ich dachte, ihr zwei würdet euch das gerne mal ansehen." Ich nicke und springe wieder über die Bande.
Wir gewinnen, es ist sehr knapp, aber wieder gewinnen. Als das Spiel vorbei ist, schaue ich augenblicklich in Harrys Richtung. Normalerweise sehe ich ihn klatschen, oder beide Daumen nach oben strecken, wenn wir siegen, aber jetzt ist sein Blick auf sein Diensthandy gerichtet. Er macht offenbar ein Video, dann verschwindet er auch schon in den Katakomben der Amalie Arena. Irritiert sehe ich ihm nach. „Ärger im Paradis?", fragt Ian leise und ich zucke zusammen. „Schleich dich doch nicht so an!" – „Habe ich nicht, aber immer wenn du ihn ansiehst, blendest du anscheinend alles andere aus." – „Ach, halt die Klappe, Ian." – „Werde ich eingeladen?" – „Was?" – „Auf eure Hochzeit." – „Nicht, wenn du weiterhin dumme Sprüche bringst.", antworte ich trocken. Ich sehe wieder in Richtung der Box aber Harry ist nicht da.
„Ich habe keine Ahnung, was mit ihm los ist.", gebe ich dann zu und lasse die Schultern hängen. Endorphine und Adrenalin sollten meinen Körper längst übernommen haben, aber das Gefühl des Sieges und des Triumphes ist bereits so gut wie abgeflaut. Ich folge meinen Mitspielern in die Umkleide. Laut feiern sie den Sieg. „Hattricks wir kommen!", ruft Duckie euphorisch. Ich nicke nur und verziehe mich unter die Dusche. Ich will zu Harry, ich will wissen, was passiert ist. Inzwischen bezweifle ich, dass ich es mir einbilde.
„Diesmal kommst du aber wieder mit, Tomlinson!", höre ich Kenny sagen, oder eher befehlen. „Natürlich.", antworte ich und lächle kurz zustimmend. Wenigstens kriege ich dort ein kühles, erfrischendes Bier. „Verdammt, das war eine starke Leistung, Jungs!", lobt Drew dann. Er steht im Türrahmen der Kabine und sieht zufrieden durch die Runde. „Sauberes Spiel, merkt euch das Gefühl und spielt ab jetzt bitte immer so!" – „Social Media ist begeistert.", stimmt auch mein Freund zu, der plötzlich hinter Drew auftaucht. „Wir sehen uns.", fügt er dann noch hinzu und verschwindet so schnell, wie er gekommen ist. Harry kommt nicht mit ins Hattricks. Es hat sich nicht einmal die Möglichkeit ergeben, ihn zu fragen, so schnell, wie er wieder gegangen ist. Drew hingehen ist dabei. Ein wenig später stoßen wir mit dem ersten Bier des Abends an. Ich seufze, als ich den ersten Schluck nehme und lehne mich nach hinten an die Wand. Genau das habe ich jetzt gebraucht.
Und ich brauche diesen Abend mit meinem Team. Ich merke es fast sofort. Mir haben die Abende hier oder in den Bars der Hotels nach den Spielen gefehlt. Verdammt, die Jungs hatten recht. Zwei Bier später hat sich meine Laune gehoben und ich spiele mit Zayn, Liam, Duckie und Kenny Karten. Kenny hat bereits vor Beginn des Spiels angekündigt, dass er uns „alle abziehen wird", aber nun schaut er verzweifelt in seine Karten. „Du hast ein beschissenes Poker-Face.", bemerkt Duckie. „Vielleich bluffe ich auch nur.", antwortet Kenny trocken. „Nein, tust du nicht, da kann ja sogar Louis besser lügen.", lacht Zayn und legt die nächste Karte. Kennys Blick wird verzweifelter. „Fuck.", murmelt er und sieht wieder in seine Handkarten. „Gib es zu, du verlierst.", grinse ich siegessicher. Kenny legt seine Karten nieder. Haushoch verloren. Während wir anderen die Runde zu Ende spielen, besorgt unser Teamcaptain eine Runde Shots.
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Was meint ihr, ist da wohl los? Und was wird noch passieren?
Love, L
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