72. Kapitel
Das Training ist hart, aber gut. Den ganzen Vormittag quälen Coach Warren und Drew uns mit Cardio- und Ausdauertraining. Ich bin schon vor zwölf Uhr völlig verschwitzt. „Eine Runde noch!", ruft Drew laut und ich stöhne genervt. „Jetzt mach nicht schlapp, Tomlinson.", sagt Coach Warren und schaut darauf, dass meine Ausführung der Übung nicht schwächelt. Heute Morgen, als ich in die Kabine gekommen bin, war meine Motivation zu trainieren sehr hoch, ich wollte aufs Eis und mich auspowern, aber jetzt bin ich einfach nur noch fix und fertig. Wie soll ich nach der Pause nochmal volle Leistung bringen? Das wird von dir als Profisportler nun einmal erwartet!, rufe ich mir ins Gedächtnis und beiße die Zähne zusammen.
Selbst wenn ich es wollte, ich kann mich gerade nicht auf mein Umfeld konzentrieren. Meine Muskeln brennen, meine Lunge verlangt eine Pause und ich spüre meinen Herzschlag an meinen Rippen. Vor Beginn des Training war Harry nicht hier. Ich vermute, dass er im Büro ist, aber ich habe gedacht, er kommt zumindest zwischendurch her. Das macht er inzwischen oft so. Außer atmen und mich wackligen Beinen gehe ich einige Schritte an die Seite und lasse mich auf dem Boden fallen, ehe ich meine Wasserflasche nehme und kühlen Wasser meine Kehle hinablaufen lassen. Zayn setzt sich zu mir. Ihm geht es nicht anders. Ich schaue mich um. Harry ist nicht hier. „Ist mir auch schon aufgefallen.", meint Zayn plötzlich. „Er kommt doch um die Zeit sonst immer kurz vorbei.", fügt er hinzu.
„Er hat zu tun.", weiche ich aus. „Er war heute Morgen schon total gestresst." – „Wie kommt's?" – „Keine Ahnung. Vielleicht wegen seiner Praktikantin." Ich zucke mit den Schultern. „Geht es dir wieder besser?" – „Was – äh ja." Verwundert sehe ich ihn an. „Hab ich etwas verpasst?" – „Nein, alles gut. Ich denke, mir ist irgendetwas vom Grill nicht gut bekommen.", antwortet er und winkt ab. „Halb so wild." – „Mhm. Okay." Ich lasse meinen Blick durch die Trainingshalle schweifen. Unsere Teamkollegen sind genauso geschafft wie ich. Drew läuft umher und verteilt Proteinriegel. Ich seufze, als ich den ersten Bissen nehme. „Die mit Schokolade.", stellt der Verteidiger neben mir fest. „Wieso kommen wir zu dieser Ehre?" – „Frag nicht. Sonst gibt er dir wieder die anderen.", erwidere ich und schließe einen Moment lang die Augen.
Wir haben eine kleine Pause. Ich nehme mir mein Handy, aber muss feststellen, dass Harry mir nicht geschrieben hat. Stattdessen habe ich nur ein paar Instagrambenachrichtungen und E-Mails: Newsletter, Newsletter, Rechnung, Newsletter, Noah, News- Noah? Verwundert sehe ich auf mein Handy und öffne die Mail.
„Weißt du zufällig, wann wir wieder gegen die Islanders spielen?", frage ich Zayn. „In zwei Wochen? Irgendwie so etwas, wieso?" Ich schüttle den Kopf. „Nicht so wichtig." – „Gerade jetzt will ich es wissen." Ich verdrehe die Augen, antworte aber nicht weiter. Stattdessen schreibe ich Noah zurück.
heute: 11:46Uhr
von:
Betreff: New York oder Tampa
Hi Neo,
gut zu hören, dass mit dir und Rick alles in Ordnung ist. Ich bin gut wieder Zuhause angekommen, aber um den Jetlag bin ich natürlich nicht vorbei gekommen. Wieso schreibst du eigentlich per Mail? Ich würde mich darüber freuen, wenn wir uns bald mal wieder sehen. Ich meine, dass ich in zwei Wochen (oder so) in New York sein werde. Bestimmt kann ich dir Tickets besorgen. Zwei? Für dich und Rick? Wenn du (oder ihr) nach Tampa kommt, könnte ich natürlich auch Tickets reservieren lassen...
„Weiter geht's!" ruft Coach Warren und kurz sehe ich auf. Schnell sende ich die E-Mail ab und gehe zu den anderen. „Zieht euch um, wir gehen aufs Eis.", kündigt Kenny an. Mein Blick schweift zur Tür, bevor ich mich auf den Weg zur Kabine mache. Kein Harry. Ich seufze leise und schreibe ihm, während ich meinen Kollegen folge.
Me: Hi, wie läuft dein Tag? :)
Als ich fertig angezogen bin, sehe ich auf mein Handy. Harry ist online. Erwartungsvoll bleibe ich in der Kabine stehen.
Love: schreibt
Love: offline
Love: schreibt
Love: Bisher ist alles gut, bei dir?
Me: Anstrengend. Überraschend, nicht wahr? :D Hast du sehr viel zu tun?
Love: Ich habe immer viel zu tun.
Me: Soll ich später schon kochen? Wie lange wirst du im Büro sein?
Love: Ich dachte, die Küche ist mein Gebiet?
Me: Das bestreite ich doch gar nicht :)
Love: Ich werde schon für uns Abendessen machen, wenn du auf mich warten kannst
Me: Natürlich werde ich auf dich warten!
Love: Es kann heute spät werden, ich schreibe dir. Sonst ist noch etwas im Tiefkühlschrank.
Me: Ich warte auf dich :)
Love: schreibt...
Love: offline
Was war das? Ich lese mir die letzten Nachrichten durch. Ich bin nicht sicher, ob ich es mir einbilde, ob Harry wirklich nur viel zu tun hat und dementsprechend im Stress ist, oder ob er merkwürdig antwortet. Mit gemischten Gefühlen stecke ich mein Handy in meine Sporttasche und gehe zur Eisfläche. „Da bist du ja.", murmelt Ian. Shit, zu spät. Kenny wirft mir einen warnenden Blick zu, unterbricht Drew aber nicht, der gerade den Trainingsplan für heute vorstellt. Groß erklären braucht er die Übungen nicht.
Nach der Sporteinheit heute Vormittag, ist es doppelt anstrengend jetzt alles zu geben. Aber wir tun es. Jeder einzelne Spieler von Lightning reißt sich am Riemen, so auch ich. Erschöpft steht Ian an der Bande, als wir Pause haben. Er sieht auf sein Handy und seufzt genervt. „Was ist?" – „Ellie geht es nicht gut, sie... ich denke, ich werde nach dem Training direkt zu ihr fahren." – „Liebe Grüße und gute Besserung." Er nickt dankend, ehe er zögert. „Hast du nach dem Training schon etwas vor?" Irritiert sehe ich ihn an. „Wieso fragst du?" – „Theoretisch bin ich gleich zur Massage eingeteilt, aber wenn du magst, kannst du den Termin haben.", antwortet er schulterzuckend. „Da sage ich nicht nein.", erwidere ich lächelnd. Wenn Harry sowieso spät nach Hause kommt, kann ich mir die Zeit auch nehmen und meinen Muskeln etwas Gutes tun. Oder tun lassen.
Meine Klamotten lasse ich wie immer neben der Tür fallen, als ich das Physiocentrum betrete, das sich unter anderem um uns Spieler kümmert. „Louis?" Lorena, unsere Masseurin und Physiotherapeutin kommt in die Tür und sieht mich irritiert an, ehe sie ihren Blick ihrem Kalender widmet. Lorena ist eine kleine, augenscheinlich zierliche Frau Mitte dreißig, aber sie hat es faustdick hinter den Ohren. Sie begründet es mit dem mexikanischem Temperament, aber ich bin mir sicher, dass sie einfach nur verdammt tough ist. Vielleicht ist sie manchmal etwas sadistisch, da bin ich noch nicht hinter gekommen. In ihrer Physiotherapie ist schon jeder an seine Grenze gekommen, ich bin sicher, ich bin nicht der einzige, der bereits bei ihr Tränen in den Augen stehen hatte. Aber es hat sich immer gelohnt, sie versteht ihr Fach einwandfrei.
„Ian musste kurzfristig wohin.", erkläre ich ihr schnell. „Er hat mir den Termin überlassen." – „Ah, okay.", lächelt sie, legt den Kalender weg und desinfiziert sich die Hände. Ich ziehe bis auf meine Shorts meine Kleidung aus und lege mich bäuchlings auf die schwarze Liege, die in der Mitte des Raumen steht. „Wie war das Training heute?", fragt sie, ehe sie mit ihrer Arbeit beginnt. Smalltalk. Damit startet sie immer. Dennoch würde ich behaupten, sie kennt das ganze Team verdammt gut. Ausnahmslos. Nicht wenige verdanken ihr, dass Verletzungen und Verspannungen quasi spurlos verheilt sind. „Oh ich merke es schon.", antwortet sie selbst. „Coach Warren hat euch heute ordentlich durch die Mangel gezogen." – „Oh und wie.", antworte ich leise und schließe die Augen. „Ich sollte mich nicht darüber freuen, das Ian es nicht hierher geschafft hat, aber... ich tue es doch.", gebe ich zu und höre sie leise lachen.
Lorenas Hände und gekonnten Griffe lockern meine Muskeln und ich seufze leise, als ich mich mehr und mehr entspanne. Wenn sie einen nicht mit Physio quält, kann es sehr angenehm bei ihr sein. Sie lockert meine Rückenmuskulatur und beginnt dann mit meinem rechten Bein. In diesem Moment klingelt mein Handy. Es liegt oben auf meinen Sachen. „Willst du rangehen?", fragt sie mich. „Seit wann hast du eine Freundin?" – „Mhm?" – „Love, ruft dich an.", antwortet sie. Sie hat auf den Display geschielt. „Gibst du es mir?" – „Sicher."
„Hi, Love.", sage ich leise und seufze erneut, als Lorena mit der Massage weitermacht. „Wo bist du?" – „Was?" – „Ich bin gerade nach Hause gekommen, du bist nicht hier. Das Training ist schon seit einer Stunde um.", sagt er geradeheraus und ich brauche einen Moment, um diese Aussage einzuordnen. „Ich dachte, es wird bei dir heute spät?", entgegne ich und seufze erneut auf, als Lorena mit dem anderen Bein weiter macht. „Wo bist du?", möchte er erneut wissen. In diesem Moment drückt Lorena auf eine Verspannung und ich ziehe die Luft zwischen den Zähnen ein. „Fuck.", murmle ich leise. „Nicht wehren, sonst wird es morgen schlimmer." Ich nehme das Handy von Ohr und sage: „Weiß ich doch." – „Gut so."
„Louis?", höre ich Harry fragen. „Ich bin in einer Stunde Zuhause, spätestens.", antworte ich schnell. „Okay, bis dann." – „Mhm, bis das.", murmle ich. „Mhm...", seufze ich leise und lege auf. Jetzt weiß ich definitiv, dass irgendetwas in der Luft liegt. Wieso ist er jetzt doch so früh Zuhause?
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Meint ihr, die beiden werden miteinander reden, wenn Louis nach Hause kommt? Was glaubt ihr, könnte jetzt passieren?
Love, L
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