55. Kapitel
Bereits kurz nach der Landung habe ich einen Uber bestellt, der nun vor dem VIP-Eingang auf mich warten. Oder besser gesagt, auf uns. Inzwischen ist im Team allgemein bekannt, dass Harry und ich recht nach aneinander wohnen und uns aus diesem Grund öfter einen Uber teilen. Zumindest ist das die offizielle Version. Wir steigen ein und ich gähne schon wieder. „Hast du nicht gerade erst geschlafen?", fragt Harry amüsiert. „Habe ich. Ich sehe leider schon, dass ich heute Nacht kein Auge zumachen werde.", prophezeie ich und seufze. Der Jetlag ist nur ein kleiner Preis dafür, dass ich nach England fliegen konnte, aber das macht ihn nicht wieder nervig. Harry schmunzelt. „Tragisch." – „Spinner.", entgegne ich nur, lächle aber auch. Morgen haben wir beide frei, was nichts anderes bedeutet, als dass wir heute lange aufbleiben und morgen ausschlafen werden.
Wir schlängeln uns durch den Stadtverkehr Tampas und nach einer Ewigkeit stop-and-go hält er Uber endlich vor meinem Zuhause. „Ach fuck, ich muss noch einkaufen."; fällt mir ein, als ich den Schlüssel aus meiner Hosentasche ziehen will. „Habe ich schon getan.", antwortet Harry und drückt mir einen Kuss in den Nacken. „Du warst für mich einkaufen?", frage ich überrascht. „Für uns.", korrigiert er mich. „Aber möchtest du nicht aufschließen?" Mein Gepäck lasse ich achtlos im Wohnzimmer stehen. „Kochen wir später?", frage ich und kicke meine Schuhe zur Seite. „Ja. Wir.", lacht er und schließt die Tür hinter sich. Ich sehe mich um. Irgendetwas ist anders. Aber ich kann nicht sagen was. Skeptisch mustere ich mein Zuhause. „Was ist?", fragt Harry verwundert und kommt auf mich zu. „Nichts... es ist nur... ach vergiss es.", ich schüttle den Kopf und nehme mir die Post, die auf dem Esstisch liegt. Werbung. Werbung. Etwas von meiner Bank. Rechnung. Rechnung? Ich öffne den Brief und mir prangt ein Firmenlogo entgegen. Glas- und Fensterarbeiten Tampa City.
Mein Blick schweift nach oben und richtig meiner Terrassentür. Sie Glasscheibe sieht aus wie neu. Das Netz aus Rissen, dass ich letzte Woche dort hinterlassen habe, ist verschwunden. Die Scheibe ist neu. „Ähm... warst du das?", frage ich irritiert und sehe zu meinem Freund. „Was meinst du?" – „Die Scheibe?", entgegne ich und wedle mit dem Brief. „Oh, ja. Nachdem du weg warst, dachte ich, es wäre ganz schön, ein heiles Haus vorzufinden, wenn du wiederkommst.", antwortet er mir. „Die Handwerker haben es vorgestern Fertiggestellt.", fügt er hinzu. „Und das Loch in einer Wand habe ich auch flicken lassen, die Rechnung sollte die Tage kommen.", erklärt er mir.
Perplex schaue ich ihn an. Unsicher tritt er einige Schritte durch den Raum. „Es ist doch in Ordnung, dass ich das gemacht habe, oder? Ich meine, ich weiß nicht, wie hoch dein Gehalt ist, aber ich weiß, dass jemand wie du reichlich verdient und...", er stockt und sieht zur neuen Glasscheibe der Terrassentür. „Dass... danke, Love. Damit habe ich ehrlichgesagt nicht gerechnet.", lächle ich und lege den Brief zurück auf den Tisch, um auf meinen Freund zuzugehen. „Natürlich ist es in Ordnung, dass du mein Haus hast reparieren lassen!" Er nickt zufrieden. „Habe ich gerne gemacht. Oder machen lassen.", grinst er und ich stehle mir einen Kuss.
Dann verstehe ich noch etwas anderes. „Wann hast du dir den Schlüssel genommen?" – „Was?" – „Du hast den Schlüssel, nicht wahr?" Ertappt sieht er mich an. „Meinst du, ich würde nicht verstehen, wie du hier reingekommen bist?", schmunzle ich. „Ich habe ihn mir genommen, bevor du abgereist bist. Du warst im Bad und ich bin an deinen Schreibtisch gegangen, um ihn mir zu nehmen." – „Dann hattest du die Reparaturen schon geplant, als ich noch hier war.", stelle ich fest und er zuckt mit den Schultern. „Schon." – „Du bist viel zu gut für mich.", stelle ich wieder einmal aufs Neue fest. Er schüttelt mit den Kopf. „Red nicht so einen Unsinn.", widerspricht er und drückt seine Lippen kurz auf meine. „Wenn du mir dann immer einen Kuss gibst, werde ich niemals damit aufhören.", beschließe ich und Harry schüttelt lachend den Kopf. „Das ist so kitschig." – „Du liebst es." – „Mhm... möglich." Grinsend klaue ich mir eine weitere süße Liebesbekundung.
Als ich wenig später in meinem Schafzimmer stehe, um mich umzuziehen, sehe ich verwundert in eins meiner Regale. „Harry?", frage ich laut und hoffe, dass er es unten in der Küche hört. Es klappt, er kommt die Treppe hoch zu mir ins Schlafzimmer. „Was ist – oh." Seine Augen werden groß und seine Wangen rötlich. „Möchtest du mir das erklären?", frage ich amüsiert und sehe erwartungsvoll zu ihm. „Das... ähm... habe ich wohl vergessen.", stottert er und beißt sich auf die Unterlippe. Eins der Regale, das in meiner Abwesenheit leer war, ist es nicht mehr. Dort liegen einige Kleidungsstücke meines Freundes säuberlich einsortiert. „Bist du hier heimlich eingezogen?", frage ich ihn halb spaßend, halb ernst gemeint. „Das... äh..." – „So schlimm?"
Er seufzt. „Ich wollte die Handwerker nicht tagsüber in dein Haus lassen, wenn niemand hier ist. Also war ich nach der Arbeit hier und habe... gearbeitet.", erklärt er mir. „Es ist teilweise etwas später geworden, weil ich einige Aufgaben nicht einfach abbrechen wollte und eventuell habe ich zwei... nein drei Nächte in der letzten Woche hier verbracht. Ich war so frei, deine Waschmaschine zu benutzen, deine Wäsche habe ich natürlich auch gemacht und einsortiert und dabei habe ich meine Sachen provisorisch hierher geräumt. Und vergessen." – „Du hast hier geschlafen?" – „Uhm... ja?" Unschlüssig sieht er mich an. „Ich habe aber die Bettwäsche gewechselt.", fügt er hinzu und ich fange an zu lachen. „Meinst du echt, es würde mich stören, dass du in meiner Bettwäsche geschlafen hast?"
„Ich hatte erst überlegt, in eines der Gästezimmer zu gehen, aber ich war wohl zu müde und bin automatisch hier gelandet.", gibt er zu. Ich sehe wieder zu dem gefüllten Regal mit Harrys Kleidung. „Mit anderen Worten: Du hast dir selbst eine Schublade bei mir Zuhause genommen." – „Das ist keine Schub- oh... äh... ja, scheint so.", unterbricht er sich selbst und kratzt sich am Hinterkopf. Dann möchte er seine Kleidung herausnehmen, aber schnell nehme ich seine Hände in meine und hindere ihn somit daran. Verwundert sieht er mich an.
„Lass die Sachen da." – „Huh?" – Ich habe dir vor Wochen schon einen Schlüssel anfertigen lassen, meinst du wirklich, ich hätte etwas dagegen, dass du hier übernachtest? Oder dass du einige deiner Sachen hier hast?", frage ich ihn schmunzelnd. Mein Herz pocht wie verrückt und der Gedanke daran, dass Harry sich in diesem Haus so wohl fühlt, dass er nachts auch hierbleibt, wenn ich nicht da bin, lässt Glücksgefühle durch meinen Körper strömen.
Kurz denke ich darüber nach, ihn zu fragen, ob er nicht hierbleiben möchte... längerfristig, aber dann lasse ich es sein. Er hat auf den Schlüssel bereits nicht so reagiert, wie ich es mir erhofft hatte, ich weiß nicht, ob es nicht zu schnell ginge, ihm jetzt diese Frage zu stellen. Stattdessen lege ich meine Arme um seine Hüfte, ziehe ihn zu mir und küsse ihn liebevoll. „Du bist hier immer willkommen, Love." Mein Freund lächelt glücklich und nickt, ehe er mich erneut verführt. Herr Gott, ich habe das Gefühl, jedes Mal wenn er mich küsst, wird es noch besser!
„Meinst du, es ist noch zu früh für Wein?", möchte Harry wenig später wissen, als wir wieder in der Küche sind. „Es ist kurz vor fünf, das ist völlig in Ordnung.", antworte ich lachend und er öffnet die Flasche. „Hier.", er reicht mir ein Glas und wir stoßen an. „Bleibst du später hier?" Verwundert blickt er mich an. „Ich dachte, das wäre klar." – „Gut." Bleib für immer hier, rufen meine Gedanken, aber ich spreche die Worte nicht aus.
Harry hat angefangen zu kochen und ich lehne an der Kücheninsel und beobachte ihn dabei. Es wird eine One-Pot-Pasta. Harry hat mir versucht zu erklären, was genau dieses Menü von Nudeln mit Sauce unterscheidet, aber den Sinn sehe ich trotzdem nicht wirklich. Als ich anschließend die Tomaten geschnitten habe, hat Harry sich das kaum drei Minuten angeschaut, bis er mich von der Arbeitsplatte verbannt hat. Soll mir recht sein. Wir wissen beide, dass er ganz klar der bessere Koch von uns beiden ist. Und eine gute Aussicht habe ich von hier aus auch.
„Um ehrlich zu sein, waren es fünf Nächte.", sagt er plötzlich. „fünf?" – „Mhm..." – „Haben die Handwerker so lange gebraucht?" Harry schüttelt den Kopf. „Nein, aber..." Er seufzt und ich strecke einen Arm nach ihm aus. Unser Essen köchelt vor sich hin, als Harry meine Hand nimmt und sich zu mir ziehen lässt. Er sieht auf unsere Füße. Meiner. Seiner. Meiner Seiner. „Die Handwerker haben nur drei Tage gebraucht.", gibt er zu und sieht mich an. Ich streiche durch seine Locken und lasse ihn weitersprechen, ohne dass ich irgendwelche Fragen stelle. Auch, wenn ich sie habe.
„Nachdem ich hier geschlafen habe, weil die Reparaturen recht lange gebraucht haben, uhm... ich bin nach der Arbeit hierher. Ich war nur ein paar Mal bei mir Zuhause und das auch nur, um Kleidung zu holen. Es sind noch einer meiner Sachen in der Waschküche.", erklärt er mir und zögert einen Moment, bevor er weiterspricht.
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Ein ruhigeres Kapitel für heute. Wie findet ihr es, dass Harry sich bereits um die Schäden gekümmert hat? Und was meint ihr, wird er jetzt sagen?
Love, L
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