19. Kapitel

Der Schlüssel liegt in einem kleinen Paket bei meinen Nachbarn, als ich von den nächsten beiden Auswärtsspielen Heim komme. Gegen Anaheim haben wir gewonnen, gegen San José verloren. Harry ist vom Flughafen direkt ins Büro gefahren, ich habe zum Glück jetzt frei und lasse mich aufs Sofa fallen. Vor ein paar Tagen habe ich genau das gleiche gemacht, das war aber lange nicht so angenehm, wie jetzt. Scheiße, ich habe mich einfach wirklich dumm angestellt. Nach der Nacht, in der Harry und ich Rollen getauscht haben, habe ich nicht darauf geachtet, vielleicht etwas vorsichtiger zu sein und es kam wie es kommen musste. Ich habe mich morgens beim Frühstück auf den Stuhl fallen gelassen und Harry war zwischen Mitleid und absoluter Belustigung gefangen, wobei zweitere wohl überwogen hat.

Augenblicklich denke ich daran, wie es wohl wäre, ihn zu reiten. Verdammt, es kann doch nicht sein, dass ich ihn jetzt schon vermisse! Wir hatten gestern nach dem Spiel Sex, ich habe ihn ans Bettgestell gebunden und ihn vergessen lassen, wo wir waren und was um uns herum passiert. Herr Gott, er ist so heiß und so wunderschön, wenn er sich der Lust auf diese Weise hingibt. Heute Morgen waren wir gemeinsam duschen, haben davor etwas zu lange im Bett gelegen und sind fast zu spät zum Frühstück gekommen. Und jetzt möchte ich ihn schon wieder sehen? Wo soll das hinführen, wenn ich mich so daran gewöhne, ihn den ganzen Tag und die Nacht um mich zu haben?

Seufzend reiße ich das Paket auf und hole den Schlüssel heraus. Eigentlich brauche ich dafür noch etwas. Ich springe auf und laufe zu meinem kaum genutzten Schreibtisch. Irgendwo in einer der Schubladen muss doch... da ist er; ein Schlüsselanhänger von Tampa. Es ist der Blitz des Logos. Schnell ist der Schlüssel an dem Ring festgemacht und zufrieden halte ich beide in der Hand. Jeder wird denken, dieser Schlüssel gehört zu irgendeinem Büro, Harry wird ihn aber nicht verwechseln. Die Frage, wann ich ihn ihm gebe, hat sich damit nur immer noch nicht geklärt. Am liebsten würde ich es sofort machen, aber jedes Mal, wenn ich darüber nachdenke, ob es wohl gut wäre, kommt mir der Gedanke, dass es zu früh ist und dass ich mich gedulden soll. Das gibt es doch nicht.

Den Schlüssel lasse ich auf dem Tisch liegen, dann bestelle ich mir etwas zu essen und öffne eine Flasche Bier. Viel ist heute nicht mehr zu tun, also beschließe ich, den restlichen Tag auf dem Sofa ausklingen zu lassen. Gerade, als ich mich gesetzt habe, klingelt es an der Haustür. Heute war der Lieferant aber schnell. „Hi." Verwundert und erstaunt sehe ich Harry an. „Musst du nicht arbeiten?" – „Soll ich wieder gehen?", fragt er halb spaßend, halb ernst. Sofort schüttle ich den Kopf. „Nein, bloß nicht!", antworte ich ohne darüber nachzudenken und er schmunzelt, bevor er eintritt und ich hinter ihm die Tür schließe. „Hast du mich schon vermisst?" – „Tue ich doch immer.", erwidere ich ironisch, um nicht zuzugeben, dass er punktgenau ins Schwarze getroffen hat.

„Von wem ist der?" Es war ja klar, dass er den Schlüssel sehen musste. „Meiner.", antworte ich nur. „Deiner sieht anders aus, der hier ist eckig, deiner ist rund.", entgegnet Harry skeptisch. Ich seufze und trinke einen Schluck von meinem Bier. „Es ist aber ein Schlüssel für mein Zuhause.", erkläre ich ihm. „Hast du ihn machen lassen?" Ich nicke. „Wieso das? Hast du deinen verloren?", möchte er wissen, nimmt sich ein Glas Wasser und setzt sich zu mir. „Nein, wieso?" – „Welchen Grund hättest du sonst, dir einen Schlüssel nachmachen zu lassen?", möchte er wissen und ich will antworten, ihm eine Ausrede auftischen, aber kein einziges Wort verlässt meinen Mund. „So schlimm ja?", fragt er amüsiert und legt den Schlüssel auf den Couchtisch vor uns. „Nein. Keine Ahnung.", murmle ich und hoffe darauf, dass mein Essen geliefert wird, um diese Unterhaltung zu unterbrechen.

„Muss ich mir Sorgen machen?", fragt er dann und verwirrt blicke ich ihn an. „Wieso denn das?" – „Du lässt dir einen Schlüssel machen und willst nicht sagen wieso.", erwidert er schulterzuckend. „Ich finde das irgendwie merkwürdig." – „Was ist daran merkwürdig?" – „Gibt es also einen Grund?" – „Natürlich. Ich gehe doch nicht einfach zu einem Schlosser, weil mir gerade langweilig ist.", entgegne ich und Harry seufzt. „Schon gut, ich höre auf zu fragen."

Einen Moment ist es still zwischen uns. Dann fahre ich mir durch die Haare und fasse einen Entschluss. Ich habe keine Lust auf diese angespannte Stimmung zwischen uns und ich weiß, dass Harry sehr viel von Ehrlichkeit hält. „Du solltest ihn nicht sehen." – „Den Schlüssel? Wieso das -", er unterbricht sich selbst und sieht mich stumm und mit großen Augen an. „Ist das dein Ernst?" Ich zucke mit den Schultern und versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie nervös ich in diesem Augenblick bin. „Er ist vorhin angekommen, ich weiß, dass es zu früh ist und ich will dich auch noch gar nicht fragen, ob wir zusammen ziehen, aber ich dachte, es ist praktischer, wenn du nach den Spielen einen Schlüssel hast und ich meinen nicht immer auf das Regal legen muss, damit du ihn dir heimlich wegnimmst.", erkläre ich meinen Gedankengang. „Aber ich schätze, es ist definitiv zu früh.", lese ich aus seinem Gesichtsausdruck. Harry braucht einen Moment, bis er mir antwortet und auch, wenn ich diese Stille absolut nicht ab kann, lasse ich ihm die Zeit, um sich über die Situation im Klaren zu werden.

„Du willst mir einen Schlüssel geben." – „Irgendwann. Bald." – „Für dein Haus." – „Möchtest du lieber einen für die Garage?", versuche ich die Stimmung aufzulockern, aber der Witz kommt nicht an. „Das... das ist viel." Ich nicke. Zu viel. Offenbar. „Du kannst ruhig sagen, wenn es zu früh ist. Dann packe ich den Schlüssel einfach in eine Schublade. Und wenn du magst, kannst du ihn irgendwann haben, wenn es nicht mehr zu früh ist.", schlage ich unsicher vor. „Äh... ja. Das klingt doch gut.", lächelt er, aber es erreicht seine Augen nicht. „Was ist los? Habe ich dich damit so überrumpelt?", möchte ich von ihm wissen, aber er schüttelt den Kopf. „Es ist unerwartet gewesen, das ist alles, denke ich." – „Aber?" – „Wieso sollte ein aber kommen?" – „Du hast nicht den Eindruck gemacht, als hätte dich diese Antwort selbst überzeugt.", erwidere ich und drehe die Flasche Bier in meinen Händen.

„Ich habe damit einfach nicht gerechnet, Louis.", antwortet er ehrlich. „Ich glaube, ich brauche den Abend, um mir darüber Gedanken zu machen." Augenblicklich zieht sich meine Brust zusammen und mein Körper wird von einem eiskalten Schauer überzogen, der sich immer weiter ausbreitet. Dieses Gefühl nennt man wohl Enttäuschung. „Okay. Sicher.", nicke ich und Harry steht auf. „Wir sehen uns beim nächsten Training, denke ich?" – „Spätestens.", antworte ich grinsend, aber auch darauf reagiert er nur mit einem unschlüssigen Lächeln. „Okay... äh... bis dann." Ohne mich zu küssen, dreht er sich um und man könnte meinen, er flüchtet aus meinem Haus. Schöne Scheiße.

Genervt stöhne ich und setze mich wieder. Schlimmer hätte es kaum laufen können. Es vergehen einige Minuten, bis ich nicht mehr nur geradeaus schaue, sondern mein Handy in die Hand nehme. Meine erste Intention ist es, Lottie anzurufen, aber in England ist es mitten in der Nacht. Kurz kommt mir der Gedanke, Zayn nach seiner Meinung zu fragen, aber diese Idee werde ich fast augenblicklich wieder über den Haufen. Was ein Schwachsinn. Abgesehen davon, dass ich wirklich nicht mit ihm sprechen möchte, kann ich ihn auch schlecht zwingen, das Thema totzuschweigen, nur um ihn wenig später um Hilfe zu bitten. So weit kommt es noch.

Dann schwebt mein Daumen über Noahs Kontakt. Ist es komisch, wenn ich gerade ihn anrufe, um zu fragen, ob er eine Idee hat, was ich falsch gemacht haben könnte? Ich glaube Harry einfach nicht, dass es nur an dem Zeitpunkt liegt. Je länger ich darüber nachdenke, desto merkwürdiger finde ich die ganze Situation, schließlich habe ich ihm doch direkt gesagt, dass ich weiß, dass es noch zu früh ist und dass es keinesfalls bedeuten würde, dass wir zusammen ziehen. Harry werde ich nicht anrufen, ich werde ich Zeit geben, darüber nachzudenken. Wenn er mit mir hätte reden wollen, wäre er nicht Hals über Kopf aus meinem Haus gestürmt. Ich starre den Schlüssel an, der vor mit liegt. Scheißdreck! Ich springe auf, nehme ihn mir und verstaue ihn in einer der Schubladen meines Schreibtisches, sodass ich ihn nicht mehr sehen muss. Fluchend gehe ich wieder ins Wohnzimmer. Es lief alles so gut und jetzt weiß ich nicht einmal, was passiert ist, dass Harry so reagiert.

Ich schreibe Noah nicht mehr, rufe ihn auch nicht an. Irgendetwas sagt mir, dass es das nur noch schlimmer machen würde. Am nächsten Tage habe ich frei, dann ist wieder Trainingstag. Und es ist der Tag, an dem ich die Dachterrasse reserviert habe. Ich möchte nicht aufstehen. Ich möchte am liebsten die nächsten Stunden in meinem Bett bleiben und so tun, als würde ich das Date, dass ich geplant habe, einfach verschlafen. Harry weiß doch sowieso noch nicht, was ich vor habe. Ich weiß ja nicht einmal, ob er heute Abend Zeit hat. Vielleicht hat er ja bereits etwas geplant? Ganz toll, Tomlinson. Ich zwinge mich aufzustehen und bin wenig später auf dem Weg zu Training. Harry ist allerdings noch nirgendwo zu sehen.  

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Was denkt ihr, könnte Harry haben? Und war es die richtige Entscheidung, nicht mit Noah zu sprechen? Und wie meint ihr, wird Harry auf das Date reagieren? 

Love, L 

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