13. Kapitel

„Wo warst du gestern Abend?", fragt Liam mich am Flughafen auf einmal, als wir darauf warten, in den Flieger steigen zu können. Mein Herz rutscht mir in die Hose und mir wird augenblicklich eiskalt, während ich gleichzeitig schwitze. „Äh, im Hotel. Wieso fragst du?", möchte ich wissen und versuche mir nichts anmerken zu lassen. Liam sieht mich einen Moment skeptisch an. „Wir waren gestern Abend noch an der Bar etwas trinken, auf den Sieg, du weißt schon. Du warst nicht da." – „Ich war müde." – „Mhm." – „Wo soll ich denn deiner Meinung nach gewesen sein?", möchte ich von ihm wissen und sehe für einen kurzen Moment an ihm vorbei zu Harry. Er unterhält sich mit Drew und Warren und bekommt offenbar nichts von all dem hier mit.

„Du bist ein schlechter Lügner.", meint er trocken und ich verdrehe die Augen. „Was willst du von mir hören, Liam?" – „Hey, ich habe dich nur gefragt, wo du warst, entspann dich.", er hebt beide Hände kurz. „Und wieso denkst du, werde ich dir das erzählen?", möchte ich von ihm wissen. Er seufzt. „Also warst du unterwegs." Ich seufze genervt. „Louis, wir wissen beide, warum du gestern Abend nicht mit an der Bar warst." – „Schrei es noch lauter.", antworte ich missmutig und sehe mich um. „Wir reden nicht darüber, ich dachte, das wäre langsam mal klar geworden." – „Irgendwann sollten wir aber mal reden." – „Und wieso? Du wirst nichts sagen, richtig?" – „Nein, aber -" – „Gut, dann ist das ja geklärt.", unterbreche ich ihn ungewollt harsch und gehe einige Schritte weg, um durchatmen zu können. Scheiße.

Als nächstes beobachte ich, wie Liam zu Zayn geht und mit ihm redet. Natürlich. Das musste ja passieren. „Alles okay bei dir?" Ich zucke zusammen. Ian hat sich unbemerkt neben mich gestellt. „Sicher, was soll sein?" – „Du siehst ziemlich gestresst aus. Tust du seit einigen Tagen schon." Na super. „Nein, mir geht es gut. Wenig Schlaf.", winke ich ab, aber Ian gibt sich damit nicht zufrieden. „Das soll ich dir glauben?" – „Wieso solltest du es nicht?", möchte ich verwundert wissen. „Weil du erst so bist, seit dem Abend im Hattricks." – „Du warst... draußen?", frage ich verwirrt und versuche die Panik, die in diesem Augenblick meine Körper flutet, so gut es geht zu ignorieren. „Nur kurz, weißt du das nicht mehr?" – „Äh... nicht so ganz.", gebe ich zu. „Du warst ganz schön fertig." – „Mhm. Ach was.", murmle ich und verschränke die Arme vor der Brust. „Ich war nur kurz mit Ellie dort, wir sind etwas früher gegangen und haben nur auf den Uber gewartet. In dieser Zeit hat niemand von euch irgendetwas gesagt. Und du hast geheult. Oder warst kurz davor." – „Ach was.", murmle ich und verdrehe die Augen.

„Ich gehe einfach mal nicht davon aus, dass du sagen willst, was mit dir los ist, oder?", fragt er mich kurz danach und ich schüttle den Kopf. „Mir geht es gut, wirklich. Aber nett, dass du fragst.", bügle ich den Rookie ab. Er versteht den Wink und lässt mich alleine. Die Hoffnung neben Harry zu sitzen, verschwindet, als Liam und Zayn sich links und rechts von mir fallen lassen. „Was wird das? Eine Intervention?", frage ich halb im Spaß, halb ernst gemeint. Zayn seufzt. „Anders schaffen wir es ja nicht, mit dir zu reden." – „Verdammte Scheiße, ich will nicht mit euch reden!", antworte ich ungewollt laut und schnalle mich wieder ab. Die ersten unserer Kollegen drehen sich zu uns, aber das interessiert mich in diesem Moment nicht. „Kümmert euch gefälligst um euren eigenen Scheiß!", fahre ich die zwei an, schnappe mir meine Sachen und wechsle den Sitzplatz. Der einzig Freie ist neben Gibson. Neben ihm sitzt Duckie, aber das könnte mir nicht egaler sein.

„Was ist denn jetzt los?", fragt Gibson mich verwundert. „Die beiden gehen mir auf den Sack.", murmle ich missmutig und nehme mir meine Kopfhörer. Sie fragen nicht weiter nach. Man kann über Gibson und Duckie sagen, was man will, aber zumindest verstehen sie, wenn man über etwas wirklich nicht sprechen möchte. Harry sieht mich verwundert an, als er als einer der letzten in den Flieger steigt und durch die Reihen zu einem freien Platz geht. Ich sehe weg.

Der Flug zieht sich, aber schließlich landen wir in Tampa. Den Rest des Tages haben wir frei. Es ist erst Mittag, als ich mir einen Uber nach Hause nehme. Als ich die Reisetasche auf den Boden mitten in meinem Wohnzimmer fallen lasse, habe ich das Gefühl, seit Stunden endlich mal wieder durchatmen zu können. Ich lasse sie achtlos dort stehen und nehme mir ein kühles Bier aus dem Kühlschrank, bevor ich die Tür zu meiner Terrasse öffne und die ersten Sonnenstrahlen des Jahres in meinem Gesicht genieße. Niemand der mir zu der Nacht in der Kneipe irgendwelche Fragen stellt. Niemand der wissen will, wieso ich gestresst bin. Keine Erwartungen. Keine anderen Leute. Wann war ich das letzte Mal mehr als zehn Minuten alleine? Vor der Nacht im Hattricks. Mein kurzer Einkaufstripp zählt nicht. Der war auch stressig. Seitdem bin ich entweder bei Harry, er ist bei mir, oder ich bin mein Training oder bei einem Spiel.

Ich schließe für einen Moment die Augen und genieße die Stille um mich herum. Ich sollte mir zwischendurch die Zeit nehmen genau das hier zu machen. Einfach auf meiner viel zu selten genutzten Terrasse zu sitzen und alleine zu sein.

Leider hält diese Entspannung nur eine knappe Viertelstunde. Dann fluten Gedanken meinen Kopf. Ich wollte noch den Schlüssel meines Hauses nachmachen lassen. Wieso habe ich das noch nicht getan? Ich weiß nicht einmal, ob Harry sich darüber überhaupt freuen würde, oder ob es ihm zu schnell geht. In diesen letzten Tagen war es perfekt. So perfekt, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich bezwecke damit schließlich auch nicht, dass wir sofort und auf der Stelle zusammenziehen, es geht nur darum, dass er einen Schlüssel hat, damit ich ihm meinen nicht weiter auf den Schrank legen muss, wo er ihn sich heimlich wegnehmen kann. Laut Google Maps ist der nächste Schlüsseldienst nur zehn Minuten mit dem Rad entfernt. Ich seufze und trinke die Flasche Bier aus. Ich werde ja doch den ganzen Tag darüber nachdenken, bis ich es mache. Also schnappe ich mir meinen Kram und schwinge mich auf mein Fahrrad.

„Schönen guten Tag, was kann ich für Sie tun?", begrüßt die ältere Dame in dem kleinen Ladenlokal mich freundlich, als ich eintrete. „Hallo. Ich brauche eine Kopie dieses Schlüssels." – „Sicher, haben sie die Sicherheitskarte für mich?" – „Äh, Sekunde.", entschuldige ich mich und hole sie heraus. Wie gut, dass ich gerade auch noch gegoogelt habe, was ich für eine Kopie eines Schlüssels alles brauche. Ich gebe sie ihr und zeige ihr meinen Ausweis. „Alles klar. Wie schnell brauchen sie den Schlüssel?" – „So schnell wie möglich?" – „Das wird dann teurer.", antwortet sie. „Das ist kein Problem.", antworte ich ihr. „Gut, ich mache einige Abdrücke und dann schicke ich ihnen den fertigen Schlüssel." – „Okay, vielen Dank." – „Hier ist einmal das Formular."

Es gibt schneller als gedacht und kurz danach sitze ich mit meiner zweiten kühlen Flasche Bier auf meiner Terrasse und beschließe, heute den Abend entspannt ausklingen zu lassen. Gerade, als ich meine Asia-Box von dem Lieferanten entgegennehme, klingelt allerdings mein Handy. Es ist Noah. Ich verdrehe die Augen und sehe so lange auf das Display, bis der Anruf verschwindet. Aber er ruft erneut an. Das kann doch nicht wahr sein!

„Hi, Noah.", hebe ich dann doch ab. Ich weiß ja nicht einmal, ob er noch in Tampa ist. „Ich erreiche dich ja doch noch." Ich höre, dass er grinst. „Was gibt's?", frage ich und nehme mir eine Frühlingsrolle. „Ich wollte hören, wie es dir geht, nach... deinem Outing und dem ganzen Chaos an dem Abend." – „Du hast mich geküsst, zweimal. Wie soll es mir da bitte gehen?", frage ich augenrollend. „Früher ging es dir danach immer gut.", antwortet er trocken. Ich seufze. „So war das nicht gemeint." – „Sondern?" – „Du hast mich geküsst, vor den Augen meiner Kollegen und meinem..." – „Freund?" – „Mhm. Vor Harry." – „Vor deinem Freund.", korrigiert er mich erneut und ich weiß, dass er schon wieder grinst. „Willst du mir nur das sagen?", frage ich gereizt und merke, dass mein Bier leer ist. Ach, scheiße. „Ich möchte mich gerne bei dir entschuldigen. Ich hätte dich nicht geküsst, wenn ich das mit Harry gewusst hätte." – „Okay." – „Und ich denke, ich hätte dir vorher sagen sollen, dass ich in einer offenen Beziehung bin.", fügt er hinzu. „Allerdings.", stimme ich ihm zu. „Das hättest du. Ich dachte, dass wir uns einfach gut verstehen und jetzt denkt die Hälfte meines Teams, ich hätte mir dir geflirtet." – „Hast du nicht?" – „Ist das dein Ernst?", frage ich entgeistert.

„Äh... zumindest kam es mir so vor. Ich habe, wie du dir denken kannst, nämlich mit dir geflirtet." – „Super.", murmle ich leise und lege die Füße auf den niedrigen Tisch vor mir. „Ich habe definitiv nicht mit dir geflirtet. Ich habe mich gefreut, dich wiederzusehen, ja, aber ich empfinde nichts mehr für dich. Das ist schon Jahre her, Noah." Ich weiß, dass er bemerkt hat, dass ich ihn nicht Neo genannt habe. Er seufzt. „Wäre ja auch zu schön gewesen.", sagt er leise, vielleicht denkt er ich höre es nicht, aber dem ist nicht so. „Bist du jetzt wütend oder so?", möchte ich zögerlich von ihm wissen. „Auf dich? Wieso sollte ich das sein?" – „Keine Ahnung. Weil ich den Kuss nicht erwidert, sondern dich weggestoßen habe." – „Nein, bin ich nicht. Wenn dann bist doch du derjenige der wütend sein kann, immerhin habe ich dich unfreiwillig vor Payne und Malik geoutet." – „Mhm. Stimmt." – „Du hast Angst.", meint er dann. „Bullshit." – „Du hast Angst, dass ich verletzt oder sauer bin und dich auch bei den anderen oute." Treffer. Versenkt.

Ich schweige, denn ich befürchte, dass alles, was ich jetzt sagen könnte, die Situation nur noch schlimmer und unangenehmer machen könnte. Noah wartet einen Moment, vielleicht wartet er auf eine Antwort meinerseits, aber die bekommt er nicht. „Okay, Louis, jetzt höre mir bitte zu.", fängt er dann an. „Nur weil du nichts mehr von mir willst, werde ich nicht direkt der ganzen NHL erzählen, dass du schwul bist, okay? Ich bin doch kein Teenager mehr, der nicht rational denken kann. Ich habe dich damit überrumpelt und alles danach war ein blöder Zufall. Ich wusste nicht, dass jemand mit uns dort draußen ist, sonst hätte ich das nie gemacht." – „Danke, Noah.", antworte ich ehrlich erleichtert.

„Aber eine Frage habe ich noch?" – „Mhm?" – „Wie lange geht das schon mit dir und Styles?", fragt er neugierig. „Lange genug.", weiche ich aus. „Also ist es etwas Ernstes?" – „Interessiert dich das wirklich?" – „Wieso sollte es das nicht? Ich würde sonst nicht fragen, mach dir deswegen keine Gedanken.", erwidert er und ich bemerke, dass ich lächle. Woher kommt das jetzt? „Ich denke... ich hoffe es.", korrigiere ich mich selbst. „Es weiß niemand aus dem Verein, also von Liam und Zayn abgesehen, aber wir schweigen das irgendwie tot." – „War er sehr wütend? Oder enttäuscht? Hattet ihr Streit deswegen?", möchte Noah dann ruhiger und vorsichtiger wissen. „Er weiß, dass du mich geküsst hast und nicht andersherum. Es ist alles gut.", beruhige ich ihn. „Okay, das freut mich zu hören."

„Wie lange bist du noch in Tampa?", frage ich dann. „Ich fliege morgen Nachmittag zurück nach New York. Ich habe von hier aus gearbeitet, als ihr in Dallas wart und die letzten Sachen fertig gemacht.", erzählt er mir. „Ich komme vorbei, im Büro.", beschließe ich spontan. Harry muss morgen auch arbeiten und so kann ich es direkt damit verbinden, ihn dazu zu zwingen, eine vernünftige Mittagspause zu machen. „Du musst das nicht tun." – „Ich möchte aber.", entscheide ich. 

-- -- -- -- --

Heute gibt es mal ein etwas längeres Kapitel. Wann denkt ihr, gibt Louis Harry den Schlüssel? Bzw. wann sollte er es tun? Und ist es so klug, Noah im Büro zu besuchen? 

Love, L

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top