9. Kapitel

Meine Sachen schmeiße ich neben das Bett und lasse mich dann darauf fallen. Harry soll wieder verschwinden. Es klopft an meiner Tür. Bitte nicht. Ich antworte nicht, in der Hoffnung, dass er wieder verschwindet. Es klopft wieder. „Geh weg.", antworte ich laut. Wieso kommt er jetzt her? „Stell dich nicht so an, mach die Tür auf." , höre ich und stelle fest, dass es Neo ist, der dort steht. Ich seufze, raffe mich auf und stehe ihm kurz danach gegenüber. „Du dachtest, ich wäre Harry." – „Mhm." Er schüttelt den Kopf. „ich bezweifle ehrlich gesagt, dass er klopfen würde." – „Er stand auch plötzlich bei mit Zuhause im Garten.", erinnere ich ihn trocken. „Ich glaube trotzdem nicht, dass er es tun würde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er nicht bemerkt hat, dass du mit ihm nichts zu tun haben möchtest." Ich zucke mit den Schultern. Besser wäre es.

„Aber eigentlich bin ich hier, um dich abzuholen." – „Abzuholen?", frage ich verwundert. „Wir gehen runter in die Bar." – „Ich habe morgen ein Spiel." Er zuckt mit den Schultern. „Du musst dich ja nicht abschießen. Rick ist schon unten und sucht uns einen Tisch." – „Rick ist hier?" Überrascht sehe ich ihn an. Neo nickt. „Okay Sekunde." Ich gehe zurück ins Zimmer und Neo folgt mir. Ich hole mein Handy und mein Portemonnaie aus dem Rucksack. „Dein Zimmer ist viel größer als meins.", stellt er fest. „Wir sind immer in den Suiten untergebracht.", erinnere ich ihn. „Oder zumindest meistens." Er nickt verstehend und wir gehen raus, nachdem ich einen kurzen Blick in den Spiegel geworfen habe. Akzeptabel, aber nicht unbedingt gut. Was soll's, wir gehen sowieso nur runter in die Bar und nicht aus.

Rick hat uns einen kleinen Tisch an der Seite reserviert. „Neo hat mir verschwiegen, dass du auch hier bist.", grinse ich und setze mich. „Ich hab ein paar Tage frei.", antwortet er mir. „Und außerdem kann ich so zum Spiel, ohne zahlen zu müssen.", fügt er hinzu und ich lache. „Das ist natürlich ein Argument." Ein Kellner kommt und wir bestellen und alle ein Bier und ein paar Nachos. „Harry stand also einfach bei dir im Garten.", meint Rick dann. Ich nicke und schweige einen Moment. „Arschloch.", kommentiert Neo lediglich und trinkt einen Schluck.

„Er ist in ein Hotel gezogen." – „Und das macht es besser?", möchte Rick wissen. „Er hätte zumindest Ankündigen können, dass er wieder nach Tampa kommt." Ich zuckt mit einer Schulter und trinke einen Schluck. „Er ist hier, ist es da nicht egal, ob er es angekündigt hätte?" – „Du hättest ihm von Anfang an sagen können, dass er kein Recht mehr hat, dein Haus zu betreten.", antwortet Neo entschlossen. „Und außerdem hätte er sich denken können, dass das keine guten Idee ist." – „Er meinte, er wollte wieder weg sein, bevor ich vom Training komme.", antworte ich.

„Hör auf, ihn zu verteidigen.", widerspricht Rick sofort. „Tue ich nicht." – „Doch, das hast du.", pflichtet Neo seinem Mann bei. „Und außerdem ist das nicht besser. Er kann nicht einfach dein Haus betreten." – „Hat er dir wenigstens den Schlüssel zurückgegeben, als er da war?", möchte Rick dann wissen. Ich schüttle den Kopf. „Nein." – „Dann wird das höchste Zeit." Neo mustert mich kritisch. „Denk gar nicht erst darüber nach, ihn den Schlüssel behalten zu lassen." – „Tue ich nicht.", widerspreche ich. Rick zieht eine Augenbraue hoch. Ich seufze. „Vielleicht habe ich kurz daran gedacht.", gebe ich dann doch zu. „Es ist sein Schlüssel. Ich könnte das Schloss einfach austauschen lassen.", überlege ich laut, aber sofort schütteln beide den Kopf. „Kommt nicht in Frage. Er hat dir den Schlüssel wiederzugeben. Du solltest kein Geld ausgeben müssen, nur weil er ein Arschloch ist.", entgegnet Neo entschlossen. „Ich habe keine Geldsorgen." – „Trotzdem nicht.", pflichtet ihm Rick bei.

„Ich will nicht mit ihm sprechen müssen.", sage ich wenig später, als wir die zweite Runde Bier bestellt haben. „Ich... es tut weh mit ihm zu sprechen.", lege ich meine Gefühle offen. „Du liebst ihn immer noch?", schlussfolgert Rick und sieht mich mitleidend an. „Mhm." Ich nicke leicht. „Ich hatte gehofft, es ist nicht mehr so, aber dann war er plötzlich wieder da. Ich liebe ihn, aber es tut inzwischen nur noch weh. An das Gefühl, ohne ihn zu leben, habe ich mich auf eine merkwürdige Art und Weise gewöhnt, es war... okay. Meistens zumindest. Dass er jetzt hier ist, ist deutlich schlimmer.", erkläre ich den beiden.

Einen Moment schweigen sie. Dann fasst Rick einen Entschluss. „Wir müssen einen Weg finden, wie du über ihn hinweg kommst." – „Ich hatte letztens ein Date.", antworte ich trocken. „Ich bin nach zehn Minuten abgehauen, wie also soll ich in nächster Zeit über ihn hinweg kommen, wenn das nicht einmal klappt, wenn er nicht hier ist, mhm?" – „Vielleicht ist es sogar gut, dass du ihn jetzt öfter siehst." Irritiert sehe ich Neo an. „Was soll daran gut sein?" Er zuckt mit den Schultern. „Dann siehst du, dass er sich verändert hat und kommst schneller über ihn hinweg. Er ist schließlich nicht mehr der Kerl, den du geheiratet hast." – „Mhm... vielleicht." Ich drehe das halb leere Bierglas in meinen Händen und mein Blick fällt, wie so oft in den letzten Tagen, auf meinen Ehering.

Rick folgt meinen Blick. „Wäre es nicht klüger, ihn auszuziehen?" – „Kann ich nicht", gebe ich zu. „Glaub mir ich habe es oft genug versucht, aber ich schaffe es nicht." – „Wir können wir einen anderen Ring besorgen.", schlägt Neo vor. „Dann trägst du diesen Ring nicht mehr und es fühlt sich trotzdem nicht so als, als würde dort etwas fehlen." – „Ich trage eigentlich keine Ringe.", werfe ich ein. „Es soll zur Abgewöhnung sein.", erwidert Rick. „Ein Versuch ist es doch wert, oder nicht?" Ich zögere und sehe wieder auf den Ring. Ich kann mir nicht vorstellen, einen anderen zu tragen und doch macht sich die Hoffnung in mir breit, dass es funktionieren könnte. Meine Haut brennt, wie so oft schon. Ich drehe den Ring an meinem Finger, bringe es aber nicht über mich, ihn abzuziehen.

„Okay.", stimme ich dann zu. „Versuchen wir es." Neo grinst zufrieden und zieht sein Handy aus der Hosentasche. Kurz darauf erscheinen verschiedene Ringe auf dem Bildschirm. „Nicht mein Stil... nein, der auch nicht." – „Du bist sehr wählerisch.", murmelt er und wir schauen weiter. Es dauert eine Weile, aber schließlich finden wir einen kleinen Siegelring mit einem L. „Lightning und Louis.", meint Rick. „Bestell den.", beschließe ich. „Sollte in zwei Tagen in Tampa ankommen.", sagt Neo zufrieden. Es könnte funktionieren. Fuck, bitte lass es funktionieren! Wir wechseln das Thema. Ich möchte nicht immer nur über Harry sprechen und es klappt, dass es ich ihn für einige Zeit aus meinen Gedanken verdränge. Die Zeit verfliegt und nach dem dritten Bier beschließe ich, dass es genug für heute ist. Das Spiel morgen ist zwar erst am Abend, aber ich muss es ja nicht provozieren. Wir zahlen und gehen zu den Aufzügen. Wenige Minuten später bin ich in meinem Zimmer. Gerade, als ich mich setze, klopft es wieder. Ich seufze, stehe auf und gehe zur Tür. „Was hast du vergessen?", frage ich Neo. Im gleichen Moment setzt mein Herz einen Schlag aus. Vor mir steht nicht Neo, auch nicht Rick, vor mir steht Harry.

„Was willst du hier?", frage ich mit kühlem Ton und halte die Klinke der Tür etwas fester. „Ich... uhm...", stottert er und blinzelt ein paar Mal. „Bist du betrunken?", frage ich verwundert und mustere ihn einen kurzen Moment. „Äh..." Er schwankt und hält sich kurzerhand am Türrahmen fest. Ich seufze. Er braucht die Frage gar nicht zu beantworten. „Ich wollte nicht so viel trinken.", hickst er. „Aber... uhm..." – „Was willst du hier, Harry?" Er streicht sich die Haare nach hinten und ihm ist anzusehen, dass er die Wörter in seinem Kopf erst sortieren muss, bevor er sie aussprechen kann. „Ich will mit dir sprechen." – „Das Thema hatten wir schon.", erinnere ich ihn abweisend. „Ich weiß, aber... uhm... ich will wirklich mit dir sprechen." – „Dazu gehören immer zwei.", antworte ich lediglich und schließe die Tür ein kleines Stückchen mehr.

„Ich weiß, aber es ist wichtig.", widerspricht er mir sofort und schließt kurz die Augen. „Fuck." – „Du solltest schlafen gehen." – „Gleich.", antwortet er und schwankt erneut. Wie viel hat er bitte getrunken? „Ich war in der Bar unten.", meint er dann und hickst wieder. Seine Fahne schlägt mir entgegen und ich verziehe das Gesicht. Er hat Whiskey oder so etwas getrunken. Ekelig. „Und habe ich euch gehört.", meint er dann und blinzelt wieder ein paar Mal. „Ich wollte nicht hinhören, aber ich konnte nicht anders", gibt er zu. „Was hast du gehört?" – „Du... äh...warte." Er tastet seine Hosentaschen ab und zieht dann etwas heraus. Seinen Schlüsselbund. Ich sehe ihn skeptisch an und beobachte, wie er versucht, meinen Haustürschlüssel von dem Ring zu bekommen. „Fuck.", murmelt er und taumelt kurz, als er die Hand vom Türrahmen nimmt. Es klappt trotzdem nicht. Ich seufze und greife nach dem Schlüssel. Harry zuckt zusammen, als unsere Hände sich berühren. Ich tue so, als hätte ich es nicht bemerkt und nehme ihm den Bund ab, bevor ich den Schlüssel selbst davon löse.

„Danke." – „Es ist nicht mehr mein Zuhause.", antwortet er leise. „Und Rick und Noah haben recht. Du solltest nicht das Schloss austauschen müssen." Ich nicke nur und lasse mir nicht anmerken, dass ich doch überrascht bin. „Gut." Er zögert. „Was möchtest du noch?", frage ich einen kurzen Augenblick später. „Ich... gute Nacht.", antwortet er und sieht mich einen Moment an, bevor er sich umdreht und den Flur entlang zu seinem Zimmer taumelt. Ich warte, bis er an seiner Tür angekommen ist. Aber anstatt sie aufzuschließen, stützt er sich daran ab und wischt sich mit der anderen Hand über die Augen. Meine Brust zieht sich zusammen und schnell schließe ich meine Tür. Ich sollte mir das nicht anschauen, das tut mir nicht gut.

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Hättet ihr gedacht, dass Harry ihm wirklich den Schlüssel zurückgibt? Und was denkt ihr darüber, dass er sich betrunken hat?

Love, L

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