31. Kapitel

Me: Hi Oliver, hier ist Louis. Ian hat mir deine Nummer gegeben.

Soll ich noch etwas dazu schreiben? Ich zögere einen Moment, bis ich doch noch etwas schreibe.

Me: Hi, Oliver, hier ist Louis. Ian hat mir deine Nummer gegeben und mir von dir erzählt. Wenn es nicht vollkommen merkwürdig rüber kommt, würde ich gerne mit dir ausgehen. (Ich hoffe, Ian hat mir keinen Mist erzählt).

Noch bevor wir in den Flieger steigen, bekomme ich eine Antwort von ihm.

Oliver: Hi. Ich hätte nicht gedacht, dass du dich tatsächlich meldest, aber ich hätte zu Ians Vorschlag nicht zugestimmt, wenn ich nicht mit dir essen gehen würde :)

Me: Okay, dann ist gut :) Ich bin erst in ein paar Tagen in Tampa, hättest du dann Zeit?

Oliver: Ihr kommt übermorgen wieder, oder? Wie wäre es direkt an diesem Abend? Soweit ich weiß, habt ihr am Tag danach ein Spiel

Me: Du scheinst gut informiert zu sein

Oliver: Ich weiß, wie man das Internet nutzt :)

Me: Alright. Gerne. Hast du ein Lieblingsrestaurant?

Oliver: Ich lasse mir etwas einfallen. Darf ich dich an dem Abend abholen?

Überrascht sehe ich auf die letzte Nachricht. Er möchte mich abholen? Zögerlich lese ich mir den Chat durch. „Louis, es ist Boarding", sagt Kenny plötzlich und schnell tippe ich eine Antwort ein.

Me: Gerne :)

Danach schicke ich ihm meine Adresse. Dadurch steige ich als letztes in das Flugzeug und schaue mich suchend nach einem freien Platz um. Ich finde ihn und muss feststellen, dass ich neben Harry sitzen muss. Ich seufze und seufze mich. Das musste ja passieren. Kenny sitzt in auf der anderen Seite des Ganges und sieht mich entschuldigend an. Ich schüttle leicht den Kopf. Irgendwann musste es so kommen. Außerdem war ich ihm in den letzten Tagen schon deutlich näher. Ich verdränge den Gedanken und nehme mir meine Kopfhörer. Der Chat ist noch geöffnet und ich bemerke, dass Harry auf mein Handy schaut.

Ohne zu darüber nachzudenken, lasse ich das Display schwarz werden. Harry seufzt leise. „Was ist?", frage ich emotionslos. Er schweigt. „Das ist doch jetzt nicht dein Ernst, oder?", frage ich genervt. „Was soll ich dazu sagen? Offenbar hast du in ein paar Tagen ein Date." – „Überrascht dich das?", entgegne ich. „Oliver wird übrigens nicht mein erstes Date sein." – „Dein erstes Date?" – „Seitdem du verschwunden bist.", erwidere ich knapp. Harry nickt leicht und klappt seinen Laptop auf. Ihm steht auf der Stirn geschrieben, dass er sich nicht auf seine Arbeit konzentrieren kann. Seine Finger schweben über der Tastatur und einige Minuten lang passiert nichts.

„Wie viele?", fragt er auf einmal. „Was?" – „Vergiss es." Er schüttelt den Kopf und schließt für einen Moment die Augen. „Wie viele Dates?" Er schweigt. Das fasse ich als Ja auf. „Wieso willst du das wissen?" – „Ich hätte das nicht fragen sollen, vergiss es.", entgegnet er nur. Ich verdrehe die Augen. „Ich wüsste sowieso nicht, weswegen das wichtig sein sollte. Offenbar bin ich Single, sonst würde ich kaum mit Oliver ausgehen. Falls es das ist, was du wissen möchtest: Nein, ich war in den letzten zwei Jahren in keiner Beziehung." – „Ich... uhm..."

Für einen Moment kommt mir der Gedanke, ihn zu fragen, ob es bei ihm anders ist. Ich lasse es. Ich weiß nicht, ob ich wissen möchte, ob er jemand anderes seine Zuneigung geschenkt hat. Mir läuft ein kalter Schauer den Rücken herab, als ich daran denke, dass Harry jemanden so behalten hat, wie er mich früher behandelt hat. Dutzende Bilder und Szenen bilden sich vor meine inneren Auge. Harry mit jemand anderes, in der Küche, im Büro, im Garten, im Bett, unter der Dusche. So viele verschiedene, alltägliche Momente. Ich sehe auf die leuchtenden Zeichen über den Sitzen. Verdammt, noch kann ich nicht aufstehen. Ich räuspere mich und blinzle ein paar Mal. Fuck.

Harry sieht zu mir. Skeptisch sieht er mich an, ich bemerke es aus dem Augenwinkel, blicke ihn aber nicht an. Die Bilder wollen nicht vor meinem inneren Auge verschwinden. Ich reiße mich so lange zusammen, bis mit einem leisen Pling das Lichtzeichen an der Decke verschwindet und man aufstehen darf. Augenblicklich springe ich auf und verschwinde in dem kleinen Waschraum. Ich stütze mich auf das kleine Waschbecken und fluche. Es war lange nicht mehr so schlimm. Schmerzen habe ich in der Brust immer. Ebenso vermisse ich meinen Ehemann jeden Augenblick, aber jetzt gerade hat es sich für einen Moment so angefühlt, als gäbe es Hoffnung darauf, dass er irgendwann zu mir zurückkehrt. Verdammte Scheiße!

Ich schließe die Augen und atme tief ein und wieder aus. Er wird nicht wiederkehren. Mein Ehemann wird niemals zu mir zurückkehren. Immer wieder rufe ich mir das in meine Gedanken. Es ist, als müsste ich mich selbst daran erinnern. Der Mann, der dort neben mir sitzt, ist nicht mein Ehemann. Er sieht aus, wie mein Ehemann, er riecht wie mein Ehemann und er bewegt sich ebenso, aber er ist es nicht.

Plötzlich klopft es an der Tür. „Louis?" Es ist Kenny. Ich seufze und entriegle die Tür. Er öffnet sie und bleibt im Türrahmen sehen. „Ist alles okay?" Ich sehe auf und offenbar ist meine Erscheinung Antwort genug. „Hast du es heute beim Training übertrieben, oder..." Ich seufze. „Nein, habe ich nicht." – „Harry?" – „Es wurde besser", entgegne ich leise und brauche es nicht weiter auszuführen. „Wir tauschen gleich Plätze. Du solltest schlafen." – „Das kann nicht ewig so weiter gehen", antworte ich und schüttle den Kopf. „Nicht, wenn ich Captain werden will. Außerdem habe ich ein Date, wenn wir wieder in Tampa sind." – „Du hast diesem Oliver also zugesagt?" Ich nicke. „Ja." Aber ich weiß immer noch nicht, ob das eine gute Idee war.

Wir gehen zurück auf unsere Plätze. Als ich mich setze, reicht Harry mir ein Stück Traubenzucker. Irritiert und fragend sehe ich ihn an. „Du bist weiß, wie eine Wand.", antwortet er mir nur. Ich nehme es an und mein Herz flattert, als sich für einen kurzen Augenblick unsere Fingerspitzen berühren. Meine Fresse, das hier ist doch kein jämmerlicher Teenie-Film! Ich schiebe mir das Stück Traubenzucker in den Mund und drehe mein Handy zwischen meinen Händen. Harry widmet sich wieder seiner Arbeit. Diesmal scheint er sich konzentrieren zu können. Ich nehme mir meine Kopfhörer aus der Tasche und schließe die Augen. Wenn sein Parfum nicht in meiner Nase kitzeln und immer wieder zwischendurch seine Schulter meine berühren würde, könnte ich wahrscheinlich sogar vergessen, dass er neben mir sitzt.

„Lass ihn schlafen." – „Stört dich das nicht?" – „Er sollte vor dem nächsten Spiel schlafen." – „Du erklärst es ihm." – „Schön. Könntest du jetzt leiser sprechen?" Was? Meine Augen sind geschlossen und mein Kopf lehnt seitlich am Fenster des Flugzeug. Ich werde nur langsam wach und verstehe, dass ich offenbar eine ganze Weile geschlafen haben muss. Ich spüre, wie das Flugzeug an Höhe verliert. Wir landen offenbar gleich schon. Plötzlich bewegt das Fenster an meinem Kopf sich. Irritiert öffne ich die Augen. Es ist hell. Ich blinzle ein paar Mal. Moment, ich sitze doch am Gang. Wie soll ich mich da ans Fenster – oh fuck. Ich sehe nach recht und blicke geradewegs Harry an. „Ian hat dich also doch geweckt", bemerkt er unzufrieden. Er hat also gerade mit Ian gesprochen. „Äh... ich denke, aber wir landen doch sowieso gleich, oder?", entgegne ich, nicht sicher, ob das wirklich stimmt.

Harry nickt. Ich sehe auf seine Schulter. Der Stoff des Shirts ist zerknittert. Offenbar habe ich mich die ganze Zeit an ihn gelehnt, nicht an ein Fenster. „Ist schon okay", sagt er auf einmal. Er scheint meinen Blick bemerkt zu haben. „Du hättest mich wecken können." – „Wieso das?" – „Falls es unangenehm war", entgegne ich zögerlich. Ich habe verdammt gut geschlafen. Ich versuche mir einzureden, dass der Grund das harte Training heute war und nicht, dass es Harry war, den ich als provisorische Kopfstütze genutzt habe. Nein, damit hat das nichts zu tun!

„Es war nicht unangenehm. Ich habe in Ruhe meine Aufgaben fertig bekommen und dann auch die Augen zugemacht.", antwortet er schulterzuckend. „Okay. Sorry." – „Du musst dich nicht entschuldigen, Louis", erwidert er und lächelt kurz. Herr Gott! Wieso bringt es mich derart aus dem Konzept, wenn er lächelt? Fucking Sake. „Falls es mich irgendwann mal stören sollte, sage ich Bescheid, keine Sorge."

Irgendwann? Denkt er, dass das nochmal passieren wird? Ich frage nicht nach, stopfe mein Handy und meine Kopfhörer zurück in meinen Rucksack und warte darauf, dass der Flieger endlich wieder auf dem Boden ankommt. Als er steht, springe ich auf und betrete als Erster den Bus, der uns zum Hotel bringt. Ian lässt sich neben mich fallen. „Sag es einfach nicht", brumme ich. „Was denn?" – „Ich weiß, dass du es gesehen hast." – „Wie du mit Harry gekuschelt hast?" – „Ich habe nicht –" – „Es ist deine Entscheidung", unterbricht er mich. „Ich werde dir nicht sagen, was du tun sollst, aber du kennst meine Meinung dazu." Ich nicke und seufze. Ja, ich kenne seine Meinung und auch, wenn es zugegeben vorhin nicht den Anschein hatte, deckt sie sich mit meiner eigenen. Ich werde mich nicht wieder auf Harry einlassen. Ich werde über ihn hinwegkommen.

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Louis ist also auf Harrys Schulter eingeschlafen. Was haltet ihr davon? Und was denkt ihr darüber, dass er Oliver tatsächlich geschrieben hat?

Love, L

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