25. Kapitel

„Und was soll sonst dein Vorschlag –" Ich schaffe es nicht, die Frage auszusprechen, denn die Mannschaften kommen aufs Eis gelaufen. Ich sehe meine Teamkollegen perplex an und brauche einen kurzen Augenblick, um zu verstehen, was hier passiert. Habe ich irgendwas verpasst? Es war doch gar keine neue Kampagne angesetzt, oder? Irritiert sehe ich zu jedem einzelnen der Eishockeyspieler. Sie tragen das Trikot der letzten Pride-Kampagne. Die ist fast zwei Monate her. Ian sieht zu mir und grinst. Dann zeigt er mit beiden Daumen nach oben.

„Oh, wie cool!", freut Mia sich. „Schau mal! Es sind die bunten Trikots!" – „Schön, oder?", antwortet Harry ihr. „Dad?", fragt sie laut und Drew wendet sich sofort seiner Tochter zu. „Was gibt es, Spätzchen?" – „Bekomme ich auch so eins?", fragt sie mit großen Augen und sieht ihn mit einem zuckersüßen Lächeln an. „Ein Trikot? Du hast doch eins an?" – „Ein normales.", widerspricht sie. Er seufzt. Schmunzelnd frage ich: „Soll ich eben im Fanshop anrufen?" – „Danke, Louis", nickt Drew und richtet seine Augen wieder auf die Eisfläche. Die Starting Six stehen in Position und die anderen Spieler kommen zu uns an die Box. Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche und wähle die Nummer des Fanshops.

Tampa Bay Lightnings Fan Shop, hier ist Andy, wie kann ich Ihnen helfen?" – „Hi Andy, hier ist Louis.", begrüße ich den Studenten, der bei fast jedem Spiel hinter der Kasse unseres Fan Shops steht. „Hi, was gibt's?" – „Hast du zufällig noch eins der Pride-Trikots da?" – „Hast du deins verloren?", fragt er belustigt. „Nein, Mia hätte gerne eins." – „Und Mia ist...?" – „Coach Drews Tochter", erkläre ich ihm und die Kleine sieht mich erwartungsvoll an.

„Sekunde ich schau mal eben." Es dauert einen Moment, aber schließlich sagt Andy: „Im Lager war noch eins. Sitzt Mia im VIP-Bereich?" – „Sie ist bei mit in der Box, kannst du es herbringen?" – „Sicher, ich bin in einer Minute bei euch."

Ich lege auf und nicke Drew kurz zu. Er lächelt dankend und verfolgt weiter die Geschehnisse des Spiels. Kenny hat gerade fast ein Tor geschossen, doch der Puck hat um wenige Zentimeter das Tor verfehlt. Fluchend lässt er sich auf die Bank fallen, als die nächste Reihe aufs Eis springt. Mia feuert das Team lautstark an und immer wieder bemerke ich, dass Drew sie stolz ansieht. Nachdem die Reihen erneut wechseln, wird die Tür der Box geöffnet.

„Mia?", fragt Andy laut und das Mädchen dreht sich sofort auf der Bank um. „Das bin ich!" – „Ich habe gehört, dieses Trikot gehört dir.", antwortet er ihr und reicht ihr das Oberteil. „Danke!", grinst sie und sieht zu ihrem Vater. „Kann ich den Helm dafür ausziehen?" – „Sicher, Spätzchen.", stimmt er zu und flink zieht sie sich den Helm aus und das Trikot an, ehe der Helm wieder auf ihrem Kopf platz findet. „So cool!", freut sie sich und wendet sich mit zu. „Du musst deins auch anziehen!" Ich lache und schüttle den Kopf. „Würde ich liebend gerne, aber ich spiele heute nicht, das weißt du doch." – „Nächstes Mal." – „Mache ich. Bestimmt gibt es noch ein Pride-Spiel in dieser Saison.", überlege ich laut.

„Das kommt darauf an, wie weit Lightning es schaffen wird.", meint Harry daraufhin auf einmal. Er steht immer noch neben mir und sofort breitet sich ein Schauer über meinen Körper aus. Ich räuspere mich und verschränke die Arme vor der Brust. „Wir werden den Stanley-Cup holen. So wie die letzten zwei Jahre auch schon." – „Bestimmt", nickt er und klingt dabei erstaunlich ernst und unironisch. Mia verfolgt weiterhin gespannt das Spiel und immer der Spieler rechts neben ihr, erklärt ihr leise, was gerade geschieht und was gut und was nicht gut ist. Gespannt hört sie zu und fiebert jedes Mal mit, wenn der Puck in die Richtung des Gegnerischen Tors übers Eis gleitet.

„Dein Gesicht sieht besser aus." – „Willst du jetzt Smalltalk führen?", frage ich angespannt und mit trockenem Tonfall. Harry seufzt leise und auch, wenn mein Blick nach vorne gerichtet ist, sehe ich aus dem Augenwinkel, wie er seine Schultern ein kleines Stück hängen lässt. „Es ist mir nur aufgefallen." – „Okay." Harry schweigt einen Moment und ich muss mich konzentrieren, mein randalierendes Herz wieder zu beruhigen. Er spielt mit den Ringen an seinen Fingern, mit zwei von diesen – um ganz genau zu sein. Ich verdrehe die Augen, greife aber gleichzeitig instinktiv zu dem Siegelring an meinem Finger. Langsam gewöhne ich mich an dieses Gefühl. Es wäre gelogen, zu sagen, dass es sich absolut normal anfühlt und ich nicht immer wieder das Gefühl habe, ein Teil von mir würde fehlen, doch ich kann guten Gewinnsens sagen, dass Neos und Ricks Vorschlag tatsächlich hilfreich war. Der neue Ring dämmt dieses Gefühl ein und in guten Momenten bemerke ich es nicht einmal mehr, dass ich meinen Ehering nicht mehr trage. Gedanklich setze ich mir eine Erinnerung, dass ich mich informieren muss, wo ich den Ring verkaufen kann, damit ich das Geld schnellstmöglich dem LGBTQ-Sportverein zukommen zu lassen.

„Louis!", reißt mich die Stimme des Mädchens vor mir auf der Bank aus meinen Gedanken. „Mhm?" – „Tor!" ruft sie grinsend und zeigt aufs Spielfeld. Kenny hat den Puck ins Netz gebracht. „Sehr schön.", nicke ich lächelnd und sehe, wie meine Kollegen auf dem Eis unserem Teamcaptain auf den Helm klopfen. Da sollte ich jetzt auch stehen.

„Beim nächsten Spiel", sagt Harry plötzlich leise. Ich sehe ihn irritiert an. „Was?" – „Dann bist du auch wieder in dieser Reihe.", erwidert er, aber ich schüttle den Kopf. „Es stand dir auf der Stirn geschrieben." – „Willst du jetzt so tun, als würdest du wissen, was ich denke?", entgegne ich skeptisch und merke, dass in meiner Stimme Abfälligkeit und Missachtung mitschwingt. Harry schluckt und schüttelt etwas zu schnell den Kopf. „Nein, das nicht. Ich dachte nur... vergiss es." – „Was dachtest du?" Er zögert, antwortet mir aber schließlich doch: „Wenn diese homophoben Typen nicht gewesen wären, würdest du jetzt mit deiner Mannschaft auf dem Eis stehen und... ich weiß, mir steht es nicht zu, aber ich kann dir ansehen, dass du dich hier in der Box im Anzug unglaublich unwohl fühlst."

Ich verdrehe die Augen und antworte, ohne darüber nachzudenken: „Vielleicht fühle ich mich auch unwohl, weil du so nah neben mir stehst." Harry zuckt kaum merklich zusammen. Dann nickt er verstehend. „Sorry, ich hätte mich woanders hinstellen sollen. Ich dachte... ich bin davon ausgegangen, dass es dir inzwischen egal ist, wenn ich in deiner Gegenwart bin." – „Egal?" – „Ja... uhm... zumindest hatte ich in letzter Zeit den Eindruck." Du kennst mich wirklich sehr, sehr schlecht Mr Styles. „Aha." Harry befeuchtet seine trockenen, spröden Lippen und richtet sein Blick wieder nach vorne. Wieder dreht er seine Ringe um seine Finger. Kann er das mal bitte lassen?

Plötzlich wird es lauter in der Arena. Avery rast mit dem Puck geradewegs auf unser Tor zu. Liam hat keine Chance. Der Puck wird vom Netz aufgefangen und die Anzeige springt auf 1:1. „Oh nein!", ruft Mia. „Los, Zayn, du musst jetzt ein Tor machen!", befielt sie dem Verteidiger zu ihrer Rechten. „Ich gebe mein Bestes.", verspricht er und salutiert vor ihr. Sie grinst zufrieden und macht es ihm nach.

Ich bin erstaunt, sehr sogar. Innerhalb weniger Sekunden schafft die Reihe auf dem Eis es, den Puck ins Drittel der Panther zu bringen und dann – oh wow, Zayn schießt tatsächlich ein Tor.

„Wenn du so weiter machst, schnappst du deinem Dad noch den Job weg.", stelle ich fest. Mia nickt. „Ja, das werde ich!" – „Du solltest öfter bei Spielen dabei sein, wenn es dann so gut läuft.", meint Harry schmunzelnd. „Ja! Dad! Hast du das gehört?" – „Da musst du mit Mum sprechen, Spätzchen.", weicht er aus. „Werde ich.", beschließt sie motiviert und streckt Zayn die Hand zu einem High-Five aus, als er an der Box vorbei fährt. Natürlich schlägt er ein und klopft ihr dann vorsichtig auf ihren Helm.

„Mia scheint dich zu mögen." Ich halte inne und spanne mich an. „Wieso redest du schon wieder mit mir?" – „Es ist mir nur aufgefallen. Das ist doch schön." – „Dass es dir auffällig?", frage ich mit hochgezogenen Augenbrauen. „Dass sie dich so mag." – „Mhm." – „Das ist bestimmt, weil du so gut mit Kindern umgehen kannst." Was soll das denn jetzt? „Und das sagst du jetzt, weil?", frage ich und sehe ihn erwartungsvoll an. „Es... war nur so ein Gedanke." – „Nur so ein Gedanke.", wiederhole ich. Ich glaube ihm kein Wort. „Ja, es...uhm..." – „Sag schon.", fordere ich. „Gestern kam im Fernsehen ein Bericht über ein Sportcenter hier in Tampa." – „Ich weiß." Glaubt er wirklich, ich wüsste nicht davon? Ich kenne so gut wie jeden Bericht, der über mein Sportcenter gemacht wird.

„Sie haben einige Szenen aus den letzten zwei Jahren gezeigt, du warst auch zu sehen." – „Und das ist eine Überraschung, weil?", möchte ich wissen. „Ist es nicht, nur hat man gesehen, wie gut du mit den ganzen Kindern und Teenagern klarkommst." – „Ich war auch schon in ihrer Situation.", erkläre ich knapp. „Ich weiß." Du weißt gar nichts. „Du bewirkst damit eine ganze Menge." – „Okay."

Harry seufzt. „Ich weiß, du willst es nicht hören, aber du kannst wirklich stolz auf dich sein." – „Falsch." – „Was?", irritiert sieht er mich an. „Dass ich es generell nicht hören möchte, stimmt nicht. Ich möchte es nur nicht von dir hören!" – „Sorry." – „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.", entgegne ich lediglich. Fragend sieht er mich an. „Ich dachte –" – „Ich glaube dir diese Entschuldigung nicht. Und es ist mir egal, was du denkst. Mir bedeutet es nichts, wenn du behauptest, du würdest es gut finden, was ich auf die Beine gestellt habe.", stelle ich klar. Und doch schlägt mein Herz deutlich schneller, seitdem er es mir gesagt hat. Gleichzeitig möchte ich nicht, dass er überhaupt davon weiß. Mir ist klar, dass dieses Sportzentrum öffentlich zugänglich ist, aber ich habe es aufgebaut, kurz nachdem er verschwunden ist. Ich weiß nicht, ob ich ohne dieses Zentrum nicht zugrunde gegangen wäre, er soll sich gefälligst davon fernhalten!

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Könnt ihr Louis verstehen? Oder findet ihr, er übertreibt?

Love, L

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