13. Kapitel

Ich bin mir nicht sicher, ob ich es ihm sagen sollte. Nachdenklich fahre ich mit dem Rad zum Training. Es sind wie immer viel zu viele Autos auf den Straßen Tampas, es ist laut und die Luft ist schlecht. Ich schlängle mich durch den Verkehr, während meine Gedanken um die Frage kreisen, ob ich Harry persönlich sagen sollte, dass ich in wenigen Tagen schon die Scheidung einreichen werde. Eine Antwort finde ich nicht, bis ich vom Rad steige und durch die gläserne Eingangstür gehe.

Ich bin nicht der erste, aber auch nicht der letzte aus dem Team, der in die Kabine kommt. „Morgen.", murmelt Liam mir verschlafen entgegen. Ian hingegen ist schon hellwach, so wie immer. „Hi, Louis.", sagt er gut gelaunt. „Hi.", antworte ich nur und setze mich. Kenny mustert mich einen Moment. „Raus mit der Sprache." – „Was?" – „Du bist mit deinen Gedanken schon wieder ganz wo anders. Was ist los?", will er wissen. Ich verdrehe die Augen und er verschränkt die Arme vor der Brust. „Was wohl.", brumme ich nur. Zayn seufzt. „Er wird die nächsten Wochen hier sein, Louis.", erinnert der Verteidiger mich." – „Ach was.", murmle ich leise und instinktiv sehe ich auf meinen Ehering. Nur, dass dort kein Ehering mehr ist. Stattdessen blicke ich auf den Siegenring, der nun Platz an meinen Finger gefunden hat.

Ich drehe ihn einmal um meinen Finger und spüre das altbekannte Brennen in meiner Brust. Vollkommen verschwindet es nie. Nur die Stärke variiert. Es wird stärker und wie ich es gewohnt bin, wird mir zeitgleich kalt. Ich friere sehr oft, seitdem Harry verschwunden ist, aber auch damit habe ich gelernt zu leben. Man sollte meinen, als Eishockeyspieler in ich Kälte gewohnt und würde damit klarkommen, aber nein, das ist eine vollkommen andere Art der Kälte.

„Verdammt, du trägst einen anderen Ring, oder?", fragt Ian mich plötzlich. Ohne auf eine Antwort zu warten, kommt er auf mich zu, nimmt meine Hand und sieht sich den neuen Ring an. „Ein L?" – „Für Lightning. Und Louis", erkläre ich schulterzuckend. Ian zögert einen Moment. Ihm ist praktisch auf der Stirn geschrieben, was er gerade denkt. „Ich konnte den Ring nicht länger tragen. Neo und Rick haben vorgeschlagen, dass ich mir einen anderen kaufen sollte, damit es sich nicht nackt anfühlt." – „Das ist gar nicht mal so dumm.", bemerkt Kenny überrascht. „Aber –" – „Ja.", unterbreche ich ihn sofort. „Das bedeutet, dass ich diese Ehe nicht mehr will.", stelle ich mit erstaunlich fester Stimme klar. „Ich will nicht länger mit ihm verheiratet sein." – „Du lässt dich scheiden?", schlussfolgert Liam. Ich nicke. „Er ist nicht mehr mein Mann und ich sollte aufhören so zu tun, als wäre er es noch."

Niemand antwortet etwas darauf. Jerry sieht mich mit großen Augen an. Er weiß nicht viel darüber, was zwischen Harry und mir vorgefallen ist, aber das ist im Augenblick nicht notwendig. Bevor das Team allerdings aus der Kabine zum Training geht, ziehe ich erneut die Aufmerksamkeit auf mich. „Ich habe noch nicht mit ihm gesprochen, ich weiß noch nicht, wann ich es tue, aber ich bin kein Arschloch und schicke jemanden von euch vor." – „Wir werden die Klappe halten.", antwortet Kenny verstehend und sieht durch die Runde. Das Team steht hinter mir. Ich atme tief durch und stoße die Tür der Kabine zum Flur auf.

Das Training ist anstrengend. Gut, aber anstrengend. Mittags verteilt Ethan Proteinriegel. Wir sitzen auf dem Boden verteilt zwischen den Sportgeräten und Lucas filmt es grinsend. „Du musst immer die unpassendsten Situation filmen, oder?", frage ich trocken und er zuckt mit der Schulter. „Es ist authentisch. Auch ihr Spitzensportler braucht mal eine Pause und steht nach dem Training nicht wie Models aus." – „Einige von uns schon.", wirft Zayn ein und schaltet sein Tausend-Dollar-Lächeln ein, das ihm inzwischen schon drei große Werbekampagnen eingebracht hat. „Naja.", antworte ich trocken und er wirft ein Handtuch nach mir. „Arschloch."

„Ich sehe, es läuft gut?" Sofort verspannt sich mein ganzer Körper und mein Herz zieht sich so weit zurück, wie es kann. Ein Schauer überrollt mich und ich muss mich zwischen, weiterhin geradeauszuschauen und mich nicht umzudrehen. „Wolltest du heute nicht ins Büro?", fragt Lucas überrascht. „Ich werde nicht den ganzen Nachmittag hier sein.", antwortet Harry ihm und wenn es wäre wie früher, würde ich sagen, er zuckt dabei mit einer Schulter. Aber vielleicht tut er es auch nicht mehr. Keine Ahnung. „Aber ich werde ab und zu beim Training dabei sein, um das Team wieder kennenzulernen.", fügt er dann hinzu. Oh, bitte nicht. „Du brauchst nicht –", fängt Zayn an, aber ich unterbreche ihn sofort. „Dann solltest du damit anfangen, dir den Trainingsplan von Drew geben zu lassen.

Sofort merke ich, wie meine Teamkollegen mich perplex und verwundert anschauen. Ich stehe auf und drehe mich um. Harrys Blick fängt mich augenblicklich ein und meine Knie werden weicher, als ich es gerne hätte. „Oder hast du das schon getan?" – „Noch nicht.", antwortet er mir. „Danke." Ich antworte darauf nicht, gehe an ihm vorbei zum Mülleimer und schmeiße die Verpackung des Proteinriegels weg. Natürlich kitzelt mich dabei sein Parfüm in der Nase. Ich halte die Luft an, bis ich zurück beim Team bin und weit genug weg von meinem Ehemann. Exmann. Bald ist er mein Exmann. Sein Blick folgt jeder meiner Bewegungen, ich spüre es in meinem Rücken wie ein Messer.

Dafür, dass Harry nicht den ganzen Nachmittag bleiben möchte, ist er erstaunlich lange hier. Immer wieder bemerke ich, dass er mich beobachtet. „Ignorier es einfach.", meint Kenny irgendwann, als wir auf dem Eis stehen. „Mir ist klar, dass es kaltherzig klingt, aber du solltest dich daran gewöhnen. Es bringt niemandem etwas, wenn du dich von ihm fertig machen lässt." – „Ach, echt?", frage ich sarkastisch und sehe ihn überrascht an. „Du weißt, was ich meine.", antwortet er mir. „Du hast eine reelle Chance der nächste Teamcaptain zu werden und wir können wieder den Stanley-Cup nach Hause holen. Lass dir das von ihm nicht kaputt machen." – „Werde ich nicht.", antworte ich entschlossen. Das wird garantiert nicht passieren. Genau deswegen beschließe ich, ihm nach dem Training zu sagen, dass ich die Scheidung einreichen werde.

Er ist weg. Als ich am frühen Abend aus der Umkleide trete, sehe ich nirgendwo. In der Eingangshalle ist er ebenfalls nicht. Ich seufze. Dann werde ich ihn die Tage über meine Entscheidung aufklären müssen. An meinem Fahrrad angekommen bemerke ich jedoch, dass wenige Meter von mir entfernt jemand an der Seite des Gebäudes steht. Harry. Natürlich Harry. Ich zögere einen Moment, aber dann straffe ich die Schultern und gehe zu ihm. „Hast einen Moment Zeit?", frage ich laut genug, dass er mich auch mit einigen Metern Entfernung zwischen uns hören kann. Er zuckt zusammen und dreht sich um. Seine Augen sind groß, als er mich ansieht, er möchte etwas sagen, aber kein Ton entweicht seiner Kehle.

Fragend sehe ich ihn an. „Hast du Zeit? Oder nicht?", möchte ich noch einmal wissen. „Louis... äh...", stottert er überrascht. Dann räuspert er sich schnell und nickt. „Sicher, ich habe Zeit. Wieso fragst du?" Meine Gedanken kreisen um dutzende Wörter, die sich in meinem Kopf nicht so recht zusammensetzen lassen wollen. Verdammt! Ich hasse es, dass er meinen Verstand derart durcheinander bringt. „Wir sollten reden." – „Reden? Du willst reden?" – „Das habe ich doch gerade gesagt.", erwidere ich trocken und verschränke die Arme vor der Brust.

„Du... äh... ich hab nicht damit gerechnet, dass du... ich dachte, du möchtest nicht mit mir sprechen?" – „Möchte ich auch nicht. Aber ich muss." – „Du musst? Wieso das? Zwingt dich dein Team dazu?", fragt er, spricht aber weiter, bevor ich antworten kann. „Du solltest nicht mit mir sprechen, wenn du das nicht möchtest. Ich habe verstanden, dass ich mich wohl von dir fernhalten sollte." Er befeuchtet seine Lippen und atmet tief durch. Skeptisch sehe ich ihn an. „Du akzeptierst das plötzlich doch?", frage ich ungläubig. Er lächelt kurz, aber seine Augen bleiben trüb. „Was bleibt mir für eine Wahl?"

„Gut.", sage ich lediglich. Kein Mitleid, Tomlinson! Er hat dein Mitleid nicht verdient, rufe ich mich mir ins Gedächtnis. Wieso er auch? Er ist schließlich derjenige, der sang- und klanglos angehauen ist. Er antwortet nicht. Ich spüre, dass er mich mustert und mein Körper steht sofort unter Strom. Aus welchem Grund auch immer, ein kleiner Teil von mir schreit mich an, den Abstand zu überbrücken und ihn in meine Arme zu schließen. Herr Gott, nein! Ich werde mich nicht selbst verletzen.

Dann bringe ich die Worte in meinem Kopf endlich in eine sinnvolle Reihenfolge und fange an zu sprechen. „Es sollte nicht überraschend kommen, aber ich sage es dir trotzdem selbst." Harry zieht eine Augenbraue hoch. „Ich werde mich in ein paar Tagen mit einer Anwältin treffen."

Sein Gesicht wird bleib und er blinzelt ein paar mal. „Was?", fragt er leise. „Wieso das? Ist etwas passiert oder... warte, willst du so eine Verfügung gegen mich erstellen? Damit ich nicht mehr mit dir spreche?", möchte er wissen. „Das werde ich nicht mehr, aber wir sind irgendwie Kollegen. Ich werde mich schon von dir fernhalten, wenn du das möchtest, du musst deswegen nicht eine Verfügung erlassen, Louis.", spricht er weiter. Seine Stimme überschlägt sich dabei fast. „Ich werde dir nicht zu nahe kommen, das verspreche ich, aber –" Er spricht nicht weiter, sondern atmet zitternd aus. Ich muss mich zusammenreißen, nicht auf ihn zuzugehen und ihn in meine Arme zu schließen. Alles wird gut. Ohne Harry.

„Nein, darum geht es mir nicht.", antworte ich so neutral wie möglich. Harry sieht mich irritiert an. Dann fällt sein Blick auf meine Hand, auf den Siegelring und sein Gesichtsausdruck verändert sich sichtlich. „Oh... du trägst den Ring nicht mehr.", bemerkt er mit leiser Stimme und befeuchtet seine Lippen. „Ich werde die Scheidung einreichen." Er schweigt. „Es wird höchste Zeit, dass es geregelt wird." – „Du meinst, dass wir es hinter uns bringen.", antwortet er mit bitterem Unterton. „Es gibt kein uns.", antworte ich sofort. Ich habe sehr lange gebraucht, um das endlich zu verstehen, aber Harry und ich sind kein wir mehr. Schon sehr lange nicht mehr. „Es ist nur eine Formalität und ich würde das gerne ohne großes Drama über die Bühne bringen." – „Trotzdem engagierst du eine Anwältin." – „Ich kenne mich mit dem Papierkram nicht aus." Er nickt verstehend. „Du willst dich scheiden lassen.", wiederholt er. „Wir sind schon lange kein Ehepaar mehr.", entgegne ich lediglich.

„Ich möchte keinen Streit vor Gericht.", sagt Harry leise und spielt mit dem Saum seines Ärmels. „Immerhin sind wir uns da einig." Er nickt leicht. Sein Blick ist... ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Matt. Glanzlos. Noch mehr als vorhin, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es ihn überrascht. „Ich werde keinen Unterhalt oder so fordern, falls du das denkst." Das steht dir auch nicht zu! Du hast mich allein gelassen! „Gut." – „Dann... äh...", stottert er und sieht auf seine Hände. „Behalt sie, verkauf sie, ist mir egal. Ich möchte die Ringe nicht wiederhaben." Jeder hätte erkannt, was ihm in diesem Moment durch den Kopf ging. Die Frage hätte genauso gut als neonfarbenes Leuchtschild über seinem Kopf prangen können. „Ich wollte nur kein Arschloch sein und es dich über einen Anwaltsbrief erfahren lassen. Das ist alles."

Harry nickt stumm und sieht zu Boden. Er antwortet nicht. Als ich sehe, dass seine Wangen nass werden und sein Körper zittert, schüttle ich den Kopf. Es ist nicht länger meine Aufgabe, mich darum zu kümmern – um ihn. Ich drehe mich um und gehe zu meinem Rad. Wäre das also auch geschafft.

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Louis scheint es also tatsächlich durchzuziehen. Was meint ihr, wird nun passieren? Und habt ihr mit so einer Reaktion von Harry gerechnet? 

Love, L

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