4. Kapitel

 „Hi, ist hier noch frei?" - „Mhm?" Ich schrecke auf und sehe zur Seite. „Was machen Sie hier?" - „Ich werde mitfahren." antwortet mein Gegenüber und da ist der Bus auch schon losgefahren. Ich seufze und lehne mich an die kühle Fensterscheibe des Busses. „Von mir aus." murmle ich, obwohl ich den Zweiersitz lieber für mich alleine hätte. „Freust du dich auf das Spiel? Immerhin ist es das erste der Saison und -" - „Sagen Sie mal, reden Sie am Morgen immer so viel?" unterbreche ich den jungen Mann zu meiner Rechten. Perplex sieht er mich an. „Ich dachte, wir könnten uns einfach unterhalten, immerhin ist die Fahrt recht lang und -" - „Ich versuche aber zu schlafen." entgegne ich und er verstummt, nickt dann und murmelt „Sicher, tut mir leid."

Ich verdrehe die Augen und ignoriere das beißend schlechte Gewissen, dass sich in meinen Brustkorb bohrt. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass er aus seinem Rucksack ein Buch heraus holt. Zumindest kann ich dann in Ruhe schlafen. Mehr als Dösen wird es aber leider nicht. Zwischendurch höre ich, wie Mister Styles die Seiten umblättert, aber ansonsten versuchen fast alle, sich noch etwas auszuruhen. Wir sind fast da und packen unsere Sachen wieder zusammen. Mein Sitznachbar liest die offenbar letzte Seite und schlägt das Buch zu. „Schon fertig?" frage ich, ohne weiter darüber nachzudenken. „Was? Oh, ja. Das Buch ist ziemlich gut." antwortet er und ich werfe einen Blick auf den Titel. Red, White, And Royal Blue. Das sagt mir absolut gar nichts. „Es handelt von dem Sohn der Präsidentin von -" - „Habe ich gefragt oder so?" - „Du hast interessiert ausgesehen." erwidert er, aber ich schüttle nur den Kopf und schließe meinen Rucksack.

In der Tiefgarage des Stadions angekommen, machen wir uns direkt auf den Weg zur Umkleide der Gäste. Langsam aber sicher, merke ich, wie der Adrenalinpegel in meinem Blut steigt. Ich bin zwar nicht in der ersten Reihe, aber ich werde heute Spielen. Zayn und ich stehen zusammen auf dem Eis und es ist zwar arrogant zu sagen, dass wir gut zusammen sind, aber es ist nun einmal einfach so.

Liam steht im Tor. Er befüllt sich noch seine Wasserflasche und dann geht es zum Aufwärmen auf die Fläche. Ich blende so gut wie alles aus; die Zuschauer, die Lautstärke. Jedes Spiel ist eine Chance für mich, mein Können zu Beweisen und das wird direkt heute anfangen; keine Ausnahmen oder Ausreden! Vor dem Spiel verlassen wir das Eis noch einmal, es wird erneuert und die Stimmung wird angeheizt. Warren motiviert und erneut, alles zu geben und als die erste Reihe gerade wieder aufs Eis geht, merke ich, dass neben Drew noch jemand anderes sitzt. Was macht der hier auf der Spielerbank? Er sieht mich an, bemerkt, dass mein Blick direkt auf ihn gerichtet ist und schmunzelt. Fuck. Ich muss mich wirklich konzentrieren! Gezwungen verfolge ich das Spiel, doch ich spüre seinen Blick in meinem Rücken; da hilft auch die dicke Schutzkleidung nicht. Plötzlich bin ich an der Reihe. Ich weiß, dass ich von ihm beobachtet werde, aber ich kann mir keine Fehler erlauben!

Zayn schafft es, den Puck einem der gegnerischen Spieler abzunehmen. Er passt du mir, ich zu jemand anderem. Wir arbeiten uns recht schnell nach vorne durch, behalten die Taktik bei und dann ergibt sich tatsächlich eine Chance. Ich bekomme den Puck und zögere einen kurzen Moment zu lange, ehe ich ihn so kräftig wie möglich auf das Tor zu schieße. Gehalten. Leise fluche ich und laufe zur Bande, um mich kurz danach auf die Bank fallen zu lassen.

„Das sah cool aus!" Ich zucke zusammen. „Schleichen Sie sich immer so an?" - „Tut mir leid, das wollte ich nicht." entschuldigt er sich sofort. „Es war kein Tor, also war es nicht gut." erwidere ich stumpf und Zayn dreht sich zu mir. „Alter, was ist bei dir denn los? Du warst gestern auch schon so grumpy." Ich schnaube. „Ich bin doch nicht grumpy." murre ich. „Tut mir leid, normalerweise ist er nicht so unfreundlich." höre ich Zayn im nächsten Augenblick zu Mister Styles sagen. „Ach was, schon gut. Jeder hat doch mal einen schlechten Tag." lächelt er und ich verdrehe die Augen. Wieso ist er eigentlich die ganze Zeit zu jedem freundlich? Ganz egal, was man tut? „Louis, reiß' dich zusammen." zischt Zayn dann und skeptisch blicke ich ihn an. „Wieso so beschützend? Der Kerl ist doch nicht dein Schoßhündchen." - „Das nennt man gute Erziehung." erwidert er. Ich bin gut erzogen, aber der Typ ist mir suspekt.

Ich darf wenig später wieder aufs Eis, aber eine Torchance bietet sich uns nicht. Dann sind die ersten zwanzig Minuten um, und wir verschwinden nach hinten in die Umkleide, um kurz durchzuatmen. Inzwischen steht es eins gegen zwei für Florida. „Das könnt ihr doch besser!" ergreift Warren direkt das Wort. „Es war nicht schlecht, das Tor war gut, aber Liam, was war das?" Liam seufzt. „Sorry, ich weiß, den einen zumindest, hätte ich nicht durchgehen lassen dürfen." Warren nickt. „Soll ich dich für heute raus nehmen?" sofort schüttelt Liam den Kopf. „Nein, ich schaffe das." erwidert er entschlossen. Warren nickt.

Er wechselt die Reihen nicht, als es zum zweiten Drittel geht. Mister Styles steht schon an der Bande und sieht sich um. „Ich wäre viel zu nervös, um vor so vielen Leuten zu spielen." meint er plötzlich und ich sehe, dass er mit Liam spricht. Wir haben noch etwa dreißig Sekunden, bis wir aufs Eis müssen. „Man gewöhnt sich daran, aber es ist jedes Mal wieder wahnsinnig toll. Vor allem bei Heimspielen, bist du dabei? Also beim nächsten Heimspiel?" Styles nickt. „Ja, aber ich werde es wohl nicht so oft schaffen. Wenn ich diesen Job aber gut machen will, muss ich zumindest wissen, wie das heimische Publikum so ist." erklärt er.

Dann ist die Konversation auch schon wieder beendet und Liam kann aufs Eis. Ich hingegen muss noch ein paar Minuten warten, bis ich dran bin. Plötzlich werde ich von der Seite angesprochen. „Ähm... wieso genau wurde jetzt gepfiffen?" fragt Styles mich verwirrt und ich sehe ihn irritiert an. „Sie arbeiten über einen NHL-Club und kennen die Regeln nicht?" - „Ich hab nicht Sport studiert." erwidert er. „Also kannst du es mir beantworten oder willst du weiterhin so patzig sein?" Perplex sehe ich ihn an. Da war's das wohl mit seiner ach so freundlichen Art. Ich seufze. „Das ist Icing gewesen." Erwartungsvoll sieht er mich an. „Und das bedeutet für nicht Sportler?" - „Der Puck ist von dem anderen Drittel, also da wo das Tor von Florida steht von einem Spieler von denen bis hinter unsere Torlinie geschossen worden." - „Also zu weit." - „Genau. Und deswegen wurde dann von einem Bully in unserem Drittel wieder angefangen." erkläre ich ihm. „Und ein Bully ist... einer dieser Kreise da?" - „Ja." nicke ich. „Verdammt, ich hätte mich vorher mal darüber informieren sollen." murmelt er und ich schmunzle. „Ja, das wäre vielleicht ganz gut gewesen."

Weitersprechen kann ich nicht, ich springe aufs Eis und laufe los. Es steht inzwischen drei zu zwei für uns, aber wir sind erst im zweiten Drittel; dieser Spielstand heißt noch gar nichts. Mir geht Styles wieder nicht aus dem Kopf. Ich spüre seinen Blick auf mir. Mich schauen noch hunderte, wenn nicht tausende, andere Menschen an, aber bei ihm muss ich das natürlich mitbekommen und kann es nicht einfach ausblenden. Florida greift an und ich versuche ihnen den Puck abzunehmen. Es dauert einen Moment, da gelingt es mir und ich spiele zu Zayn ab. Ziemlich schnell schaffen wir es, uns nach vorne zu spielen, dann lege ich vor, ein andere schießt und die Scheibe landet im Netz. Das wurde ja auch Zeit!

„Das sah echt gut aus." meint Harry lächelnd, als ich mich auf die Bank setze. „Danke." erwidere ich, komme aber nicht dazu, ihn dabei auch anzusehen, da einer unsere Spieler gerade durch einen heftigen Bodycheck mit der Bande in eher unsanfte Berührung kommt. Es wird nicht gepfiffen, das hätte mich allerdings auch gewundert. In England vielleicht, aber hier in der NHL ist die Spielweise doch etwas rauer, als in Europa. „Oh wow. Tut das nicht weh?" fragt Harry leise. „Es geht, eigentlich nicht. Wir sind ja quasi gepanzert." erwidere ich. „Schlimm ist es erst, wenn..." das Stadion wird laut. Ich weiß nicht wer angefangen hat, aber zwei Spieler raufen sich und dann wirft der von Florida die Handschuhe ab. „Das passiert." seufze ich und lehne mich zurück. „Ohne Handschuhe?" - „Genau, das bedeutet, dass es eine richtige Prügelei ist. Dann gehen die Schiedsrichter auch eigentlich nicht mehr dazwischen. Beide haben gleich eine fünf Minuten Strafe." - „Nur?" Perplex sieht er sich die sich darbietende Szene an, die das Publikum noch weiter anheizt. „Es sei denn, es wird richtig schlimm, also wenn einer am Boden liegt und der andere nicht aufhört oder so."

„Hast du dich auch schon geprügelt?" fragt er dann leise und sieht dabei aus, wie ein verschrecktes Reh. Wieso hat er diesen ob angenommen, wenn er so wenig Ahnung von der NHL hat? „Sicher. Das gehört hier irgendwie dazu, aber ich gehe dem ehrlich gesagt lieber aus dem Weg." gebe ich zu. Die Prügeleien gehören zu der NHL wie das Eis unter den Kufen und das Bier in den Händen der Zuschauer. Es ist nicht wegzudenken.

Beiden passiert nichts wirklich schlimmes, ich glaube, der von Florida hat Nasenbluten. Ich bekomme auch nicht mit, wer aufgehört hat, aber schließlich geht das Spiel weiter. Kurz sehe ich zu Mister Styles, der scheinbar immer noch nicht glauben kann, dass es hier niemanden sonderlich überrascht hat, dass es eine Prügelei gab. Dann bin ich wieder an der Reihe, auf dem Eis Bestleistungen zu bringen. 

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Harry kennt sich also absolut nicht in der NHL aus. Wieso hat er dann diesen Job? Und er sollte sich wohl schleunigst damit auseinandersetzen, wie die Regeln des Spiels sind, meint ihr nicht? 

Love, L

PS: Auf Instagram habe ich eine Kurzfassung des Aufbaus der NHL hochgeladen, das dürfte ein paar noch kommende Sachen verständlicher machen :) (Link ist auf meinem Account zu finden!)

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