III - Shadow Souls

~•○•~

Erschrocken öffnet sie die Augen. Ein Moment der Benommenheit überflutet sie, als die Realität wie ein kalter Schauer über ihren Körper strömt. Ist es wirklich der letzte Ausweg? Die drückende Stille um sie herum scheint die Gedanken in ihrem Kopf zu ersticken, während sie das Bittere des weißen Schaums auf ihren Lippen schmeckt.

Der Brustkorb zieht sich zusammen, unfähig, die frische Luft, die so dringend benötigt wird, zuzulassen. Ein tonnenschweres Gewicht drückt unbarmherzig auf ihre Brust – es ist die Last ihrer Ängste, in einem einzigen Moment gebündelt, und sie kämpft gegen die Traurigkeit an, die sie wie ein erdrückender Nebel umgibt. 

Die Panik breitet sich wie ein unaufhaltsames Feuer in ihrem Inneren aus. Mit weit aufgerissenen Augen schnappt sie nach Luft, doch der Atem will ihr alle Luftströme rauben. Immer mehr verengt sich ihr Brustkorb, als würde ein unsichtbarer Schraubstock seine eisernen Fänge um sie legen. Sie spürt, wie ihr Herz, als wäre es im Kampf gegen die aufkommende Dunkelheit, immer wieder aussetzt, als würde es nach einem Ausweg suchen. Mit jedem fehlenden Schlag zieht sich ihre Brust noch enger zusammen, als wolle sie sich in diesem Moment auflösen, in die schwindende Luft entweichen.

In Todesangst will sie sich aufsetzen, doch ihr Körper rührt sich nicht. Sie liegt da, wie gelähmt. So sehr sie sich auch anstrengt, allein ihren Arm zu bewegen, kostet sie unaussprechliche Kraft. Es fühlt sich an, als würde sie innerlich zittern oder verkrampfen, während ihr Körper reglos bleibt. Nur ihre Augenlider flackern unaufhörlich. Doch in einem verzweifelten Moment gelingt es ihr, ihren Arm von der Matratze zu ziehen, und er hängt nun schlaff in Richtung Boden.

Tränen rinnen an ihren flackernden Lidern vorbei und ziehen sich wie schimmernde Spuren über ihr Gesicht. Was hat sie nur getan?

~•○•~

Die Rauchgestalt tanzt immer schneller von Fenster zu Fenster, wie ein schattenhaftes Gespenst, das die Dunkelheit durchdringt. Sie hat nur schlafende Menschen im Blick, ahnungslos und geborgen in ihren Träumen. Plötzlich entdeckt sie ein gekipptes Fenster, das wie ein einladender Schlitz in der fest verschlossenen Welt der Ruhe erscheint. Mit einem geschmeidigen Schwung schlüpft sie in die Wohnung und hinterlässt dabei einen Hauch aus drohendem Unheil.

Doch ihn erwartet nur ein schlafender Mann. Resignation breitet sich allmählich in ihm aus. Wie soll er einen Körper finden? Schlafend kann niemand einwilligen, dass jemand in seinen Körper eindringen darf. Er kann sich nicht bemerkbar machen; es ist ihm unmöglich, Dinge anzuheben oder durch umfallende Gegenstände Personen aufzuwecken. Er kann nur zu ihnen sprechen, wenn sie ihn direkt ansehen, ja, wenn sie in den Rauch starren, sonst nehmen sie keinerlei Notiz von ihm.

Er blickt durch die Wohnung, sein prüfender Blick entdeckt die sorgfältig beiseitegelegte Kleidung für den kommenden Arbeitstag. Offensichtlich hat er sich bemüht, um morgens kostbare Zeit zu gewinnen. Denn es gibt kaum etwas Schlimmeres, als am frühen Morgen aufzuwachen und sich sofort in den Stresses des Alltags zu stürzen.

Die restliche Wohnung spiegelt ebenfalls seine Vorliebe für Ordnung wider: Die Küche ist akkurat aufgeräumt, als wäre sie soeben aus einem glänzenden Online-Möbelkatalog entsprungen, wobei einem nur noch die aufploppenden Preisschilder fehlen, die die makellose Erscheinung unterstreichen. Hier regiert eine Harmonie, der Anschein von Perfektion ist fast greifbar, aber möchte man in dieser sterilen Umgebung verweilen?

. . .

Er muss weiter, zumal seine Kräfte schwinden. Immer schwächer wandert er von Fenster zu Fenster. Verzweiflung breitet sich aus: Hatte er sich zu sehr gegen die Regeln gestellt? Er gehörte dort nicht hin, auch nicht als Handlanger oder Hausmeister. Mehr war er dort unten nicht. Doch es taten sich ein paar Möglichkeiten auf, die ungerechtfertigt zu bekämpfen. Das würde niemandem auffallen; er war quasi unsichtbar – dachte er zumindest.

Doch dem war nicht so, wie er schmerzhaft erfahren musste.

Jetzt hat er den Schlamassel: eine schwarze Seele, die zu völlig 'unchristlicher' Zeit auf die Erde verbannt wird. Zum Scheitern verurteilt, aufgegeben und verdammt – zur Auflösung, ohne Wiederkehr. Weder oben noch unten.

Seine dünne, nahezu durchsichtige schwarze Gestalt kämpft sich immer weiter, unter größter Anstrengung erreicht er Fenster um Fenster. Jedoch erwartet ihn an jedem ein ähnliches Bild.

Zum scheitern verurteilt.

Als die letzten Kräfte ihn zu verlassen drohten, fand er sich vor einem Fenster wieder, das wie ein rettender Lichtstrahl in der Dunkelheit aufleuchtete. Der Anblick, der sich ihm bot, ließ sein Herz für einen flüchtigen Moment stillstehen: Eine Frau lag in einem tiefen, traumlosen Schlaf, eingehüllt in die sanften Wogen ihrer Decke. Ihre blonden Haare schimmern im schwachen Licht und ragen unter der Decke hervor.

Obwohl sie ihr Fenster sorgsam geschlossen hatte, spürt er einen fast einladenden Luftzug, der ihm wie ein sanftes Flüstern entgegenweht. Es wirkt, als würde die Nacht selbst ihn ermutigen, das Unmögliche zu wagen. Mit seiner letzten Energie zwingt er sich durch den schmalen, beinahe unmerklichen Spalt, der ihn in diese intime Szenerie lässt. Gerade in diesem Moment gleitet der Arm der Frau von der Matratze, als würde die Schwerkraft der Träume sie eilig in die Realität zurückziehen wollen. Sein Herz rast, bereit, das Geheimnis dieses Augenblicks zu enthüllen – um ihr zu helfen, bevor sie vollkommen in die Dunkelheit ihrer Träume entschwindet.

~•○•~

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top