☆Light - 6☆
Als Jenna endlich den letzten Umzugskarton ausgepackt hatte, schlenderte sie erleichtert an Stephens Wohnzimmerregal und goss sich einen großzügigen Schluck Scotch ins Glas. Genießerisch trank sie das süßlich brennende Getränk in einem Zug leer und lehnte mit ihrer Hand auf der Kommode. Ihr Blick fiel auf das zuvor hingestellte Gruppenbild, was ungefähr vor 3 Jahren bei den Avengers entstanden war. Die Stimmung auf dem Bild war bedrückend, trotzdem war es eine schöne Zeit gewesen. Sie hatte viel Erfahrung gesammelt und neue Freunde kennengelernt. Besonders der arrogante Tony Stark hatte sich zu einem richtigen Kumpel entwickelt und ihr aus der schweren Zeit geholfen. Die Zeit, bei der sie dachte, sie hätte Stephen für immer verloren.
In Gedanken nahm Jenna das Bild in die Hand und fing leicht an zu schmunzeln. Sie war es ihm schuldig. Auch wenn er im Augenblick keinen Besuch empfangen wollte, musste sie wenigstens wissen, ob es Tony gut ginge. Sie wollte keine Geheimnisse vor Stephen haben. Trotzdem entschied die Bändigerin sich dafür, ihren Freund durch eine kleine Notiz auf dem Wohnzimmertisch zu informieren, dass sie kurz weg müsse. Aber schrieb nicht wohin. Sie würde ihn nicht anlügen, wenn er sie fragen sollte, doch Stephen war schon seit Stunden in Nepal. Vielleicht würde er es nicht einmal merken, wenn Jenna ebenfalls kurz verschwinden würde. Außerdem war sie ein freier Mensch und konnte besuchen, wann und wen immer sie wollte. Dennoch war es nicht einfach, wenn ausgerechnet ihre Liebe und einer ihrer besten Freunde sich nicht sonderlich leiden konnten.
Kopfschüttelnd bannt Jenna ihre Haare zu einem hohen Pferdeschwanz und lief durch Stephens Wohnungstür. Dabei ging sie eilig durchs Sanctum Sanctorum, um im nächsten Augenblick auf die Straßen New Yorks zu treten. Es war bereits Nachmittag und trotzdem waren die Fußgängerzonen rappel voll. Während sie die Straße entlang schlenderte, verschmelzte sie förmlich mit den Menschenmaßen. Diskret bog sie einige Hundertmeter entfernt vom Sanctum Sanctorum in eine schmale Gasse und aktivierte ihren Anzug. Den Anzug, den Tony extra für sie angefertigt hatte.
Mit Schwung und der Hilfe des Windes sprang die Bändigerin auf die Dächer der großen Gebäude. Dabei rannte sie unbemerkt zu dem einst so prächtigen Avenger Hauptquartier. Iron Mans Drohnen waren fleißig damit beschäftigt, auch die letzten außerirdischen Überreste von dem Angriff wegzuräumen. Nur ein kleiner Teil der Wohneinheit war verschont gewesen und Gott sei Dank, hatte Jenna dort ihr Zimmer gehabt. Sonst wäre das alles genau so zu Staub zerfallen wie Thanos selbst. Auch Tonys Appartement befand sich hier. Nachdem dieser sich von Pepper Potts getrennt hatte, stürzte Tony sich vor ungefähr einem Jahr noch mehr in seine Arbeit. Ob er sich ablenken wollte oder ihn etwas anderes beschäftigte, konnte Jenna nicht wissen. Dafür war der arrogante Milliardär zu eigen. Auch jetzt waren mehrere Drohnen fleißig dabei, die Überreste des Hauses zu sanieren und abermals neu aufzubauen. Wenn dies weiter in dem Tempo passierte, dauerte es nur paar Wochen, bis hier wieder das moderne Avengergebäude stand.
Jenna bemerkte, wie mehrere Kameras sie fixierten, als sie sich der großen Tür näherte und zaghaft zu stehen kam. Nervös tippelte die Bändigerin mit ihren Füßen auf und ab, als das biometrische Sicherheitssystem sie scannte und Iron Mans Programm anfing mit ihr zu reden.
"Guten Tag, Jenna Scott. Was kann ich für Sie tun?", begrüßte F.R.I.D.A.Y sie.
"Ich würde gerne zu Tony.", gab Jenna wieder."Tony empfängt zurzeit keinen Besuch.", wies das Programm sie ab und genervt verdrehte die Bändigerin ihre Augen.
"Tony, ich weiß, dass du mich hörst, also stell dich jetzt nicht so an und lass mich gefälligst rein!", forderte Jenna ernst und verschränkte ungeduldig ihre Arme. Es dauerte einen Augenblick, bis sich die Tür endlich automatisch öffnete. "Willkommen Jenna Scott!", sprach F.R.I.D.A.Y nett und Jenna sah sich erschrocken um.
Während Tonys Drohnen fleißig draußen das Durcheinander beseitigten, entschied dieser sich in seiner Wohnung für Chaos zu sorgen. Überall lagen leere Pizzakartons, Dosen, Fast Food und vieles mehr herum. Jenna rümpfte ihre Nase, denn genauso eklig, wie es aussah, roch es auch.
Angewidert bahnte die Bändigerin sich einen Weg durch das Schlachtfeld und stieg eine große glasige Wendeltreppe nach unten. Dort befand sich Tonys Werkstatt und zu 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit auch er selbst. Die Werkstatt nutzte der Milliardär gerne, um seine verwirrenden Gedanken zu sortieren und vor allem, um sich abzulenken. Automatisch öffnete die Milchglastür und das Erste, was Jenna wahrnahm, war Tony, der schunkelnd zu lauter Musik tanzte. Ganz in Gedanken schien er sie gar nicht zu bemerken. Jenna ließ den Text des alten Liedes auf sich wirken und fing bei dem Anblick von Tony an zu lächeln.
Jenna hatte es schon im Gefühl, dass Tony und die Fremde sich näher kannten. Aber offenbar trauerte der coole Milliardär tatsächlich einer Frau hinterher. Denn nicht mal, als er sich von Pepper Potts trennte, hatte Jenna ihn so erlebt. Ganz im Gegenteil, er schien damals eher erleichtert zu sein. Denn es war für beide die richtige Entscheidung gewesen. Es hatte nicht mehr funktioniert. Als Freunde verstanden sie sich weiterhin prächtig, weshalb Stark Industries auch immer noch unter der Leitung von Pepper stand. Anfängliche Probleme wurden behoben, sodass Tony sich weiter auf sein Handeln als Iron Man konzentrieren konnte, während Pepper sich um die Firma kümmerte.
Tony wusste das Jenna jeden Augenblick durch die Tür kommen würde, trotzdem fühlte er dieses Lied gerade so, dass er tanzen musste. Als er ein Kichern vernahm, drehte Tony sich lächelnd um. Dort stand Jenna mit verschränkten Armen und musterte ihn amüsiert. Sofort ließ er die Musik leiser werden.
Er freute sich, Jenna nach den Ereignissen zu sehen. Bei denen er fast gestorben wäre. Nein, er war gestorben. Wäre da nicht Cat gewesen mit ihrem nennen wir es außergewöhnlichem Talent. Das unerwartete Treffen mit Cadie, ließ Erinnerungen aufkommen, die er zu vergessen gedacht hatte. Trotzdem das er nun wusste, dass sie am Leben war, wurde die Situation für ihn nicht einfacher. Unwillkürlich musste er an Cadie denken. Bis Jenna ihn aus den Gedanken riss und Tony in eine Umarmung zog. Er freute sich nach 3 Wochen endlich ein vertrautes Gesicht zu sehen. Nach kurzem Zögern drückte er seine Freundin feste an sich. Dabei zuckte er zusammen und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die rechte Schulter.
"Schmerzt es sehr?" Mitfühlend sah Jenna den Milliardär an und stumm nickte Tony. Eigentlich wollte er sich die Blöße nicht geben, doch Jenna war nicht dumm und immerhin war es offensichtlich. Es dauerte noch, bis er den Einsatz der Infinity Steine verkraften würde. Die Bändigerin sah auf ein Glas Wasser, was Tony in die Werkstatt gestellt hatte und auch er folgte ihrem Blick.
"Darf ich?", fragte sie ihn sanft und nach kurzem Überlegen willigte Tony ein. Sofort bändigte sie spielerisch leicht das Wasser aus dem Glas. Jenna deutete Tony an, seinen Arm ein wenig freizumachen und ließ das kühle Nass über seine Kratzer gleiten. Erst vor Kurzem hatte die Bändigerin herausgefunden, dass sie in Stande war, Wunden zu heilen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht dachte Jenna an den Unfall zurück. Kochen war definitiv nicht ihre Stärke.
Jenna konnte keine Wunder vollbringen, aber immerhin den Schmerz nehmen und die Heilung beschleunigen. Nachdem Cat Tony gerettet hatte, wurde dieser recht schnell ohnmächtig und zusammen mit Stephen hatte Jenna ihn hierher gebracht. Ohne das Tony es wusste, hatte sie ihm dort bereits das erste Mal geholfen.
Das Wasser fing leicht an zu schimmern und legte sich in die vorhandenen Narben, die die Steine hinterlassen hatten. Eine wohlige Wärme durchdrang Tonys geschwächten Körper und schenkte ihm neue Energie. Genießerisch schloss er seine Augen und atmete tief ein. Als er vor 5 Jahren Jenna kennengelernt hatte, hätte er niemals gedacht, dass sich daraus eine so gute Freundschaft entwickeln würde. Doch die Bändigerin wusste genau, woran dies lag. Tony und Stephen waren sich sehr ähnlich und anscheinend hatte sie ein Talent dafür, mit schwierigen Charakteren klar zu kommen.
Im Grunde waren beide Männer unsicher. Hatten Angst, etwas falsch zu machen und gaben sich für vieles die Schuld. Zu oft hatte sie mit Stephen darüber gesprochen und gerne fiel er in seine arrogante Art und Weise zurück. Dennoch gab er sich Mühe, nicht mehr so egoistisch zu sein. Jenna wollte nicht eingebildet klingen, doch selbst Wong hatte ihr in einem ruhigen Moment versichert, dass sie dem Doktor guttat und das Stephen sie bräuchte. Eine Person, die er voll und ganz vertrauen konnte. Eine Person, die ihm allerdings auch mal die Meinung sagte. Schmunzelnd dachte sie an ihrem Freund, während Jenna weiter damit beschäftigt war, Tonys Wunden zu heilen.
Jenna war eine verständnisvolle Person. Auch wenn Tony gerne seine Eigenarten zeigte, hatte sie ihn noch nie verurteilt. Er vertraute ihr, weil Tony auch wusste, dass Jenna nicht der Typ Mensch war, der alles rumerzählen würde. Weshalb er sie nachdenklich musterte, bis er sich schließlich entschloss, Jenna seine Sorgen anzuvertrauen. Den Ballast trug er schon viel zu lange mit sich herum und bald würde er komplett durchdrehen, wenn er es niemanden erzählen würde.
"Darf ich dich was fragen?", holte der Milliardär Jenna aus ihren Gedanken und kurz pausierte die Bändigerin in ihrer Bewegung, als sie den ernsten Ton in seiner Stimme bemerkte."Natürlich!", erwiderte Jenna sanft und ließ von ihm ab. Das Wasser hatten seine Zellen mit neuer Energie versorgt. Etwas, was Tony sofort bemerkte, da die Schmerzen erträglicher wurden. Zumindest, wenn er den Arm nicht zu sehr in Anspruch nahm.
Fragend musterte die Bändigerin ihn und wartete, dass er den ersten Schritt tat."Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.", stotterte der sonst so coole Tony Stark nachdenklich und sah dabei stur auf den Boden."Es hat mit dieser Cat zu tun, richtig?" Bei der Frage ließ sich Jenna auf Tonys Ledersofa nieder und gab ihm zu verstehen, es ihr gleichzutun."Woher weißt du das?", stellte dieser staunend fest, während Tony sich neben ihr hinsetzte.
"Ich kenne dich, Tony. Es ist nicht die Tatsache, dass du gestorben bist und wie auch immer sie das gemacht hat, du wieder am Leben bist. Es hat irgendetwas damit zu tun, dass du sie kennst und sie offenbar dich.". Ruhig ließ Jenna ihren Blick durch Tonys Werkstatt gleiten. Sie musste ihn nicht einmal ansehen, um zu verstehen, dass sie recht hatte. Erst als Tony nachdenklich ins Leere blickte, sah sie zu ihm auf.
"Es stimmt, dass ich sie kenne und sie auch mich. Ihr richtiger Name ist Cadie und damals wusste ich nicht, dass sie derartige Kräfte besitzt."
"Woher kennst du Sie?", fragte Jenna nach.
"Ich habe sie auf eine meiner Feiern kennengelernt. Jedoch führte sie damals schon ein Doppelleben. Tagsüber war sie Cadie und nachts war sie die Kriminelle, die fleißig Banken ausraubt. Jedoch hatte sie in mir nie den reichen Mann gesehen. Ganz im Gegenteil, sie war mit den einfachsten Dingen zufrieden und sorgte durch ihre unbekümmerte Art langsam dafür, dass ich mich in sie verliebte. Doch wir wussten beide, dass es auf Dauer nicht funktionieren würde. Ich war mit Pepper zusammen. Dann die Firma ..."
"Verstehe.", murmelte Jenna.
"Auch wenn ich damals schon bemerkt hatte, dass dies nicht das Wahre war, wollte ich die Beziehung mit Pepper nicht einfach so beenden für eine andere Frau. Im Nachhinein muss ich mir eingestehen, dass ich einfach nur dumm war! Ich hatte sie verletzt und unsere Wege trennten sich. Doch eines Nachts erwischte ich die Bankräuberin und fand heraus, dass es sich die ganze Zeit um Cadie handelte. Ich hatte keine Wahl, als dafür zu sorgen, dass sie verhaftet wurde. Dann brach sie aus dem Gefängnis aus. Das war das letzte Mal, das ich Cadie gesehen habe. Man hatte nie wieder etwas von ihr gehört. Na ja, bis vor 3 Wochen.".
Ruhig hörte Jenna Tony zu. Ihr Instinkt hatte sie nicht enttäuscht und gespannt wartete der Milliardär auf eine Reaktion. Sanft nahm Jenna Tonys Hand und drückte sie zärtlich.
"Du hast damals das Richtige getan, Tony. Ich glaube, dass Cadie dies insgeheim auch weiß. Wenn du ihr nichts mehr bedeuten würdest, wäre sie gar nicht aufgetaucht. Aber bevor du weiter darüber nachdenkst, was richtig oder falsch wäre, solltest du den ersten Schritt machen und sie aufsuchen. Mit ihr reden und dann wirst du sehen, wie sie reagiert."
"Meinst du?"
"Ja und wenn einer reden kann, dann ja wohl du. Mach es auf deine Art, aber übertreib es nicht so! Erzähl ihr genau das, was du mir gesagt hast. Aber mach es mit Ruhe und erhole dich noch ein wenig. Du musst erst zu Kräften kommen!", schmunzelte Jenna und ließ seine Hand los. Langsam stand sie vom Sofa auf und blickte auf ihre Armbanduhr."Ich muss langsam zurück, Tony. Sonst fängt Stephen an, sich Sorgen zu machen."
"Verstehe. Dann mach das besser schnell, bevor er mit seinen komischen Zauberdingern gleich hier in meiner Hütte steht!"
Lächelnd sah Jenna Tony an und bemerkte nicht einmal die dunkle Gestalt, die hinter ihr den Raum betrat. Erst als Tony fragend an ihr vorbei blickte, drehte sie sich langsam zu dem bekannten Gesicht um.
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