☆Light - 19☆

Als Jenna kurz hinter Stephen nach draußen gerannt war, musste sie auch schon im nächsten Moment schützend ihre Hände vors Gesicht pressen. Grelle Lichtstrahlen hatten sich am Himmel gebildet und sofort erkannten alle, dass die gewaltigen Schutzzauber, die von den drei Sanctum Sanctorum Gebäuden erzeugt wurden, kurz davor waren zu brechen. Die Zauber, die seit Jahren dafür sorgten, die Realität der Menschheit zu beschützen, glühten erst in einem hellen Weiß auf, bis sie schließlich zu flackern anfingen. Beinah so, als ständen sie davor den Kampf zu verlieren. Ein gewaltiger Knall und das Auflösen der Zauber durchfuhr den Himmel. Die Strahlen schossen zurück zu ihrem Ursprungsort und entsetzt sah Jenna abwechselnd zu Stephen und Andras. Während man dem Magier die Panik ansehen konnte, schien der Dämon erstaunlich gelassen zu sein. Ein Ausdruck lag auf Andras Gesicht, der Jenna versicherte, dass er im Gegensatz zu den anderen wusste, um was es sich dabei handelte.

"Stephen, die Zauber sie sind erloschen." Man hörte die Panik aus Wongs Stimme heraus und sah Stephen an, wie er überlegte, was dies zu bedeuten hatte.
Es herrschte ein kurzer Moment der Stille, als ein gewaltiges Beben das Kamar Taj erschütterte. Die gebrochene Energie der Schutzzauber brach auf das Kamar Taj und entlud sich mit aller Kraft. Die Erschütterung kam so unverhofft das Jenna rückwärts zu Boden fiel, aber von Andras aufgefangen wurde. Scheiben platzten dabei und ein Regen aus Scherben prasselte auf die Anwesenden hinunter. Der Boden warf markante Risse und vereinzelt hoben sich Erdplatten aus dem Grund. Mauern brachen und große Felsen knallten zu Boden. Stephen, der als Einziger Mensch stehen blieb, da er von seinem Mantel gehalten wurde, schleuderte im letzten Augenblick mit der Hilfe seiner Kräfte einen großen Stein beiseite, der sonst direkt auf seinen besten Freund gefallen wäre. Dankbar sah Wong zu diesem und kam wackelig auf die Beine. Gleichzeitig vollbrachten beide eine kreisende Bewegung, die einen kleinen, aber deutlich spürbaren Schutzzauber auf das Kamar Taj legte. Jenna löste sich aus Andras Griff und ohne auf seine Hilfe einzugehen, half sie einzelne Schüler wieder auf die Beine zu kommen.

"Alle Schüler, die gesund sind, helfen den Verletzten und bringen sie in die Krankenräume!", befahl Stephen streng und ohne zu zögern, gingen seine Schüler der Aufforderung nach. Auch Josh wollte helfen, doch Stephen hielt diesen an der Schulter zurück.
"Josh, ich vertraue dir jetzt die Führung an. Ich will, dass sich alle am Ende in den Krankenräumen versammeln und sie sollen erst herauskommen, wenn wir wieder da sind!"
"Aber Dr. Strange ..." Stephen hob seine zittrige Hand und deutete Josh still zu sein.
"Kein aber ..."
"Also gut, sie können sich auf mich verlassen, Master Strange!"
"Josh, es heißt Doktor Strange!"
"Ich weiß, Doktor!", lächelte Josh verschmitzt, schlug dabei in die Hände und fing sofort an den Schülern Anweisungen zu geben.
Jenna schmunzelte, als sie die Diskussion mitbekam und Andras verdrehte unauffällig seine Augen. Lässig mit den Händen in der Anzugjacke stand der Dämon hinter ihr und dachte nicht einmal daran, auch nur einen Finger krumm zu machen. Stephen drehte sich zu seinen Kameraden um und versicherte sich mit einem flüchtigen Blick bei Jenna, ob es ihr gut ginge. Diese lächelte ihn kurz verliebt an und sofort konzentrierte der Magier sich auf das Geschehene. Offenbar hatte er Andras kleinen Einsatz nicht einmal mitbekommen.

"Was hat das zu bedeuten?", fragte Jenna und sah dabei bewusst zu Andras. Dieser fing nur süffisant an zu lächeln und fragend zog die Bändigerin ihre Augenbrauen. Auch Stephen bemerkte das Grinsen des Dämons.
"Wenn du etwas damit zu tun hast ...!", zischte Stephen und kam wütend mit ausgestrecktem Finger auf den Dämon zu gelaufen. Im letzten Moment ging die Bändigerin dazwischen, stemmte sich gegen seine Brust und drückte Stephen zurück.
"Hör auf, das bringt doch jetzt nichts." Genervt sah Stephen in Jennas Augen. Wieso nahm sie den Dämon so in Schutz? Ein unangenehmes Empfinden machte sich in Stephen breit. Ein Gefühl, das dafür sorgte, dass er den Dämon nur noch mehr hasste. Eifersucht, was ihm absolut gar nicht gefallen sollte.

"Bevor mir hier etwas unterstellt wird. Ich weiß es auch nicht, solch ein Angriff habe ich zuvor selbst noch nie gesehen. Aber ich weiß, dass ein sehr mächtiges Wesen dazu in der Lage ist und ihr wisst alle wer das sein wird.", rechtfertigte Andras sich und lief gelassen um die Anwesenden herum, dabei seine Hände immer noch in der Jackentasche liegend.
"Du meinst Luzifer?" Immer noch an Stephen gelehnt drehte Jenna sich zu Andras um. Dessen Blick bei der jungen Frau sanfter wurde und dieser abschätzige Ausdruck aus seinem Gesicht verschwand. Ruhig nickte er auf und ab und besorgt sah die Bändigerin wieder zu Stephen hoch. Dieser überlegte kurz bis er schließlich seinen Plan erläuterte.
"Wir müssen die Sanctum Sanctorum untersuchen. Sollte es wirklich Luzifer sein, würde er dort anfangen. Hoffen wir, dass es nicht schon zu spät ist! Jenna und Wanda, ihr geht nach New York. Wong, du gehst bitte nach Hongkong und du und ich gehen nach London. Solltest du auch nur eine falsche Bewegung machen, garantiere ich für nichts.", drohte Stephen dem Dämon und dieser fing an zu grinsen.
"Ja Master Strange!", spottete Andras. Schnaubend nahm Stephen die Provokation entgegen und alle machten sich augenblicklich auf den Weg zu den drei großen Türen. Es dauerte deutlich länger als sonst, da die Erschütterung ein gewaltiges Ausmaß mit sich gebracht hatte. Andras, der vor allen anderen bereits an der Tür wartete, da er sich durch seine geliebte Schattenwelt bewegt hatte, gähnte gelangweilt, als Jenna den letzten Felsbrocken bei Seite schaffte und der Weg endlich frei war.
"Sobald alles in Ordnung sein sollte, treffen wir uns wieder hier! Fehlen welche kommen die anderen nach. Wollen wir mal hoffen, dass wir uns alle gleich hier wiedersehen." Das hofften alle, aber aus irgendeinem Grund wussten sie, dass dies nicht der Fall sein würde. Jenna nickte Wanda zu und öffnete die große Tür. Ein letztes Mal blickte sie zu Stephen, doch konnte nur noch das letzte Stück seines Mantels sehen, als dieser auch schon verschwunden war.

~•~

"Im ersten Moment ist alles ganz normal, oder nicht?", sprach die Hexe leise und Jenna sah vorsichtig über das große Geländer nach unten.
"Erstaunlicherweise ja. Aber die Schutzzauber sind weg und sie waren mächtig. Das muss einen Grund haben!", flüsterte die Bändigerin und deutete Wanda an, mitzukommen. Langsam lief Jenna vor, bis beide ein Gepolter und ein leises, aber erkennbares Stöhnen wahrnahmen. Jenna runzelte die Stirn und Wanda formte leichte rote Strahlen in ihren Händen. Als beide vor der großen Treppe zu stehen kamen, flog eine weitere Tür auf und eine völlig ausgelaugte schwache Person kam aus dieser in den Vorraum hineingestolpert.
"H-Hi-Hilfe!", stöhnte das Wesen, dessen Körper bis auf die Knochen beinah ausgesaugt erschien. An den okkulten Gewändern erkannte Jenna, dass diese Person bis vor Kurzem noch hier gearbeitet hatte und geschockt beobachteten beide, wie der Mensch leblos vor ihnen zusammenbrach.

"Jenna, was ist mit ihm passiert?" Wanda riss ihre Augen weit auf.
"Ich weiß es nicht." Jenna hatte so etwas zuvor noch nie gesehen. In ihren Gedanken rief sie sämtliche Erinnerungen ab, von Büchern und Geschichten, die sie gelesen hatte, doch konnte sie sich nicht erklären, welches Wesen so etwas ausrichten konnte. Vorsichtig kniete sie sich zu der Leiche hinunter und streckte ihre Hand aus. Musste diese jedoch nicht einmal berühren, denn das Einzige, was sie wahrnahm, war eine dunkle Macht, die sich ihnen näherte und immer stärker zu werden drohte. Die beiden Frauen hatten eindeutig den Jackpot gezogen und Jenna war bewusst, dass sie schnell zurück mussten, den anderen Bescheid sagen!
"Schnell, wir sollten zurück und den anderen davon erzählen." Jenna zog beherzt an Wandas Hand, die wie versteinert auf die Leiche starrte.
"Wanda, reiß dich zusammen, hier stimmt was nicht!", sprach die Bändigerin energisch und nach kurzem Zögern riss diese sich wieder zusammen, bis beide im nächsten Moment ein verrücktes Lachen hinter sich wahrnahmen.

"Na, na, na, ihr wollt die Party doch nicht schon verlassen?" Ein großer dünner Mann war mitten auf der Treppe erschienen und grinste schief. Er hatte ein breites Lächeln und sah im Allgemeinen nicht aus wie ein Mensch. Sein geöffneter Mund zog sich über das halbe Gesicht und gewährte einen Einblick auf lange spitze Zähne. Seine Augen leuchteten Gelb und schauten amüsiert zu den beiden Frauen hinunter.

"Wer bist du?", fragte Jenna erstaunlich gelassen. Sie konnte die dunkle Macht deutlich spüren, die der vielleicht Mitte 20-Jährige ausstrahlte. Dabei hatte die Frau das Gefühl, dass sein Grinsen noch breiter wurde und in einem Satz sprang der verrückte Typ spielerisch mehrere Stufen hinunter. Sofort nahmen Jenna und Wanda ihre Angriffspositionen ein und taumelnd stolperte der Typ zurück. Fiel lachend auf seinen Hintern und saß nun entspannt auf der Treppe. Seine langen schlaksigen Beine überschlug er und stützte dabei sein Kopf auf dessen Hände ab und sah dabei immer noch grinsend zu den Frauen. Beinah so, als würde er sich einen Spaß aus der Situation machen. Seine Finger waren so lang und knochig, dass sie fast um den kompletten Kopf ragten.

"Wisst ihr, ich mag euch!", fing dieser an, legte seinen Kopf dabei schief und deutete auf die Leiche, die neben Jenna lag.
"Na ja, ihn mochte ich auch. Aber ich hatte solch einen Hunger!"
"Hunger?", fragte Wanda nach und wieder lachte der Mann wahnsinnig auf.
"Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie es ist, so viele Jahre nichts gegessen zu haben. Irgendwann seid ihr so hungrig und wollt sterben, aber ihr könnt es nicht, weil ihr schon tot seid.", kichernd hielt der Dämon seine Hand vor dem Mund. 
"Ich habe mich auf meine erste Mahlzeit so gefreut und wurde bitter enttäuscht.", schmatzend leckte der Fremde seine schmalen Lippen und stand langsam wieder auf. Sah dabei gierig zu den beiden und ein Gefühl von Ekel durchfuhr Jennas Körper.
"Ich habe immer noch Hunger!" Wahnsinnig riss der Typ seinen Mund auf und entblößte lange spitze Zähne. Im selben Moment sprang der Fremde auf die beiden jungen Frauen zu und augenblicklich formte Jenna einen Windstoß. Bevor dieser jedoch die Gestalt traf, löste er sich in Rauch auf und flog lachend durch das Sanctum Sanctorum. Wanda versuchte den Rauch aufzuhalten, doch in diesem Stadium konnten ihre Kräfte nichts ausrichten. Er kam schließlich wieder hinter den beiden zu stehen und wie sollte es auch anders sein, grinste er amüsiert.

Jenna wusste nun, dass es sich um einen Dämon handelte, weil sie diese Form von Andras kannte.
"Wanda, er ist ein Dämon!", schrie die Bändigerin, bevor ihr Gegner wieder zum Angriff ausholte. Als Rauch schoss er auf Wanda zu, kam vor ihr zu stehen und nahm seine menschliche Gestalt an. Umfasste ihre Kehle und riss weit seinen Mund auf. Panisch und wie in Trance starrte die Hexe in seinen geöffneten Schlund. Als würde er ihre Lebensenergie aussaugen, spürte Wanda, wie ihre Kraft schwächer wurde und Jenna erkannte helle Lichtstrahlen, die Wandas Körper verließen und die der Dämon gierig aufsaugte. So lange, bis die Bändigerin mit voller Kraft auf ihn zu rannte und dem Dämon einen kräftigen Schlag in die Rippen verpasste. Durch die Wucht ließ der Mann Wanda fallen und taumelte einige Schritte zurück. Wütend starrte der Dämon zu Jenna und als er sich gerade auf sie stürzen wollte, schoss Stephens Mantel an ihr vorbei und legte sich um das Gesicht des Dämons. Überrascht drehte die Bändigerin sich zu ihrem Freund um, schnappte die am Boden liegende Wanda und lief gemeinsam mit ihr im Arm zu den anderen. Wanda war nicht ohnmächtig, musste jedoch von Jenna gestützt werden. Diese Aufgabe Wong ihr allerdings im nächsten Moment abnahm. Immernoch kämpfte der Dämon mit Stephens hartnäckigen Mantel, bis dieser genug hatte und sich wieder zu Rauch auflöste. Elegant kam er diesmal inmitten des Raumes zu stehen und als er Andras hinter Stephen auf der obersten Stufe entdeckte, lächelte der Fremde noch breiter.

"Kleiner Bruder, schön dich zu sehen!", begrüßte dieser ihn.
"Bruder?" Verwundert sah Jenna zu Andras, dieser jedoch lief ruhig eine Stufe nach der anderen hinunter. Vorbei an Jenna, ohne ihr seine Aufmerksamkeit zu schenken. Er durfte jetzt keinen Fehler machen. Dabei hatte er seine Arme immer noch lässig in seiner Sakkotasche liegen.

"Baka, du Ausgeburt der Hölle. Hat dich unser Alter also tatsächlich befreit?" Als würden die Dämonen das zuvor Geschehene komplett ausblenden, unterhielten sie sich in aller Seelenruhe und verwundert beobachtete Jenna den Blonden.
"Na, du weißt doch, Hausarrest wird auf Dauer langweilig." Der Schlaksige verschränkte seine Arme und beobachtete jeden Schritt seines Bruders.
"Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich freue mich, dich zu sehen, großer Bruder. Weshalb ich dich bitten muss zu gehen, Baka!", versuchte Andras es auf seine charmante Art, während der schlaksige Dämon fast vor Lachen zusammenbrach.
"Der war gut kleiner. Aber eigentlich bin ich nur deinetwegen hier. Unser Vater sieht es nicht gerne, wenn einer unserer sich selbstständig macht und dann auch noch zusammen mit dem Feind." Bakas kalte Augen leuchteten wütend auf und erneut versicherte Andras sich unauffällig nach dem Dolch, den er in seiner Tasche versteckte. Eine Klinge, die er damals von seinem Vater höchstpersönlich bekommen hatte und seitdem immer mit sich führte. Eine der wenigen Waffen, die Dämonen töten konnten. Dies bestätigten zumindest zahlreiche Opfer.

"Andras!" Sein Name durchzuckte den blonden Dämon durch die Tatsache, dass sie ihn gesagt hatte. Sie, die Frau, die er mehr liebte als sich selbst. Die Frau, die der Grund dafür war, dass er hier war, an der Seite von ihr und die Frau, die der Grund war, dass er seinen älteren Bruder jetzt töten würde. Der erste apokalyptische Reiter, der Hunger.

Baka spürte die Bedeutung hinter Jennas plötzlichem Eingreifen und verstand, dass diese Frau sich gerade sorgen um seinen kleinen Bruder machte und also die Frau sein musste, die es tatsächlich geschafft hatte, Gefühle in Andras zu wecken. In dem Dämon, der als Personifikation für das Böse stand. Von denen die Menschen seit Jahrhunderten Angst hatten, bekannt aus unendlichen Geschichten, als der schwarze Mann. Der Dämon, der Menschen mit seinen bloßen Albträumen an den Rand des Wahnsinnes trieb. Ausgerechnet dieser war tatsächlich weich geworden wegen lächerlichen Gefühlen, nein, wegen einer Frau. Er war verliebt und Baka machte sich schon einen Spaß daraus, sich vorzustellen, wie er der Frau vor Andras Augen die Seele aussaugen würde um seinen Bruder leiden zu sehen.

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