•5 - Wovon träumst du?•
"Wovon träumst du?", habe ich mich gefragt und mich in meinem Zimmer umgesehen.
Bis vor zwei Monaten, hatte ich nie ein Plakat oder irgendetwas in der Art in meinem Zimmer - jetzt ist es offensichtlich, was ich träume.
Am Anfang mag es nicht offensichtlich scheinen, man betritt mein Zimmer, sieht die Milchglastür zu meinem eigenen kleinen Bad, die Glastür zu meinem Balkon, einen flauschigen roten Teppich, den Sitzsack, das Sofa, den Schreibtisch, das Bett. Aber dreht man sich um, erkennt man eine kleine Nische, in der ein kleines Regal mit Schuhen und Taschen steht und darüber hängt das einzige große Plakat, was ich je in meinem Leben aufgehängt habe.
Es ist von der Marke Lingen - ein Uniplakat - und seine Überschrift lautet "Der Körper des Menschen". Ich habe angefangen, zu versuchen mir jeden Morgen einen Knochen zu merken, Arme und Beine habe ich mittlerweile im Kopf (aufgrund von Inkonsequenz).
Ich träume davon, den Brief zu bekommen, in dem steht, dass ich Medizin studieren darf, dass ich meine Eltern stolz machen kann, dass ich irgendwann eine Praxis habe, die ich um 9 erst aufmache. Und dorthin fahre ich aus meinem Haus am Waldrand mit einer riesigen Wiese daneben und meinem Appenzeller Sennenhund und meinen Pferden und meinem wundervollen Mann, der mich mit den Kindern unterstützt.
Träume, eines muss ich sagen, ihr seid ziemlich groß.
Ich zweifle oft an euch, denke mir, scheiß doch drauf, das wird sowieso nie wahr, wozu strenge ich mich überhaupt an?
Dann kommt mir mein Praktikum wieder in den Sinn, bei dem ich mit 15 Jahren in den OP durfte und zusehen, obwohl das eigentlich erst ab 18 war und ich denke an das Gefühl, das ich hatte, als die Ärzte vor mir ein Stück Darm aus dem Mann herausholten, mit dem ich mich vorher noch unterhalten hatte und ich dachte mir in diesem Moment: "Wenn das hier schon so schön ist, wie wundervoll muss erst eine Geburt sein?"
Ich stand da neben dem Anästhesisten und habe hinter meinem Mundschutz breit gegrinst, weil das der absolute Hammer war.
Ich halte mich an diesem Glücksgefühl fest, denke immer wieder daran, wenn ich aufgeben will.
Ich kann das schaffen. Ich werde meine Träume wahr machen, auf die eine oder andere Art. Ich will dieses Glück bei meiner Arbeit verspüren. Und das werde ich auch.
Also macht euch gefasst, Träume. Ich komme.
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