•3 - Hallo Mama, Hallo Papa•

Hallo Mama, Hallo Papa.

Ich habe, vor allem im letzten Jahr, viel über euch nachgedacht.
Als ich klein war wart ihr meine Helden, Eltern scheinen immer so unfehlbar, unzerstörbar - jetzt weiß ich, dass das nicht so ist.

Aber ich beginne am Anfang. Ich bin unglaublich glücklich über meinen Namen, Mama, und ihr habt mir eine unvergessliche Kindheit beschert und mich zu der erzogen, die ich jetzt bin und dafür danke ich euch.

Ich denke immer so gerne an "Engala, Engala flieg" mit euch beiden zurück, an die Urlaube, in denen wir sieben Jahre am Stück immer zusammen mit dem Wohnwagen campen waren, immer auf dem gleichen Campingplatz - und ich habe diese Urlaube und vor allem unseren Wohnwagen so sehr geliebt, dass ich ihn sogar geküsst habe - wortwörtlich.
Ich denke so gerne an den Tag, als ich 4 war und mit meinem Bruder hinten auf dem Hänger saß, während du, Papa, mit dem Traktor gefahren bist, und wir eine kleine schwarze, kranke Katze in der Nähe des Friedhofes fanden. Wir nahmen sie mit heim, hängen Finderberichte aus, pflegten sie gesund und du, Mama, hast schließlich erlaubt, dass wir sie behalten, nachdem niemand sich gemeldet hat. Molly gehörte von da an zur Familie. Ihr habt mir auch die Nachricht überbracht, als wir sie einschläfern lassen mussten und ihr habt mir - wenn auch zuerst widerwillig - erlaubt, wieder eine Katze zu haben: Sissy.

Ihr habt mich immer unterstützt, mich gefordert, ich konnte euch als ich kleiner war immer meine Referate vortragen - und ich bin mir sicher, dass das einen merklichen Einfluss auf meine Fähigkeit, da sehr gute Ergebnisse zu erzielen, gehabt hat.

Ungefähr 2012 oder 2013 hattest du Papa Scharlach und niemand erkannte es. Du wurdest krank, das Scharlach war weg aber etwas chronisches ist geblieben, ihr habt mich da raus gehalten und das, woran ich mich gerade erinnere, ist wie ich unten im Heizungsraum bei Sissy saß und weinte, als du auf Reha warst. Ich habe es nicht wirklich verstanden, tue es heute noch nicht ganz, aber ich weiß, dass es nie mehr weggeht. Ich weiß, dass du jeden Tag wegen dieser Krankheit ungefähr acht Tabletten nimmst und trotzdem weiter machst, auf Arbeit gehst, unser Haus umgebaut hast, Holz im Wald machst und immer für uns da bist. Und dabei verlierst du nicht ein Wort darüber, wenn es dir nicht gut geht.
Ich wünsche mir manchmal, du würdest mit uns reden, aber - was können wir schon tun?
Ich bin froh, unendlich froh, dass wir diese Krankheit eindämmen können, dass sie dich nicht dahinrafft, sondern dich "nur" dein ganzes Leben lang begleitet.

2014 oder 2015, ich weiß es nicht mehr genau, änderte sich alles für mich. Bei dir, Papa, habe ich es nicht verstanden, wurde herausgehalten, da war es anders.
Ich war dreizehn und kam ins Wohnzimmer um dich, Mama, weinend auf dem Sofa zu finden, nachdem du vom Arzt wiedergekommen bist. Es war September, kurz vor deinem Geburtstag, und alles, was ich verstand war, dass sie etwas gefunden hatten. Ich sitze gerade auf dem Sofa und die Szene ist so in mein Gedächtnis eingebrannt, dass meine Augen feucht werden und mein Hals sich eng anfühlt.
Ein, zwei Tage später kam die Diagnose Brustkrebs.
An deinem Geburtstag bin ich nicht in die Schule, wir haben uns einen schönen Tag gemacht.
Ich bin der Frauenärztin so dankbar, dass sie den Krebs in einem frühen Stadium erkannt hat, dass sie ihn leicht entfernen konnten, dass er noch klein war, trotzdem war das mit das härteste halbe Jahr meines Lebens.
Vorher habe ich dich noch nie so offen weinen sehen, du hast diese verletzliche, schwache Seite nie gezeigt.
2016 haben wir dann mit Mutter-Tochter-Reisen begonnen, eine Woche in eine Stadt, London, Stockholm und vielleicht geht es dieses Jahr nach Californien?
Es muss gar kein schwerer Krebs sein, das Wort reicht aus um einen Menschen fertig zu machen und ich sehe dich noch heute damit kämpfen, weil immer die eine Frage bleibt: Warum ich? Ich lebe, esse gesund, mache Sport - Warum ich, Krebs?
Vor einem Jahr fanden sie wieder etwas und an diesen Tagen war ich kaum lebensfähig, weil die Angst, was sein könnte und dich wieder im Krankenhaus zu sehen, riesig war.
Ein ganzer Mount Everest an Steinen ist mir von der Brust gefallen, als es nichts Schlimmes, nicht wieder dieses grausame Wort, war.

Ihr zwei seid meine Vorbilder, die, die ich über alles liebe, und die, vor deren Verlust ich die größte Angst habe.
Immer, wenn ihr wegfahrt, achte ich darauf, dass meine letzten Worte immer "Ich lieb dich" oder "Hab dich lieb" sind, denn wie schnell kann die heile Welt doch zerstört werden.

Also danke für alles, was ihr für mich tut, was ihr mir ermöglicht, und danke, dass ihr beide stark seid und kämpft.

Ich hab euch ganz doll lieb.

Eure L.

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