Wut und Trauer
Auf dem Bett in meinem Zimmer sitzend, sehe ich immer noch auf das schwarze Buch....dein Vermächtnis, das du mir hinterlassen hast und das unsere Erinnerung enthalten soll.
Wie ich den Weg zurück zur Uni gefunden habe, weiß ich nicht mehr, gibt mir mein Gehirn immer noch das Gefühl völlig leer zu sein. Doch nicht nur mein Denkmuskel, ich selbst habe das Gefühl völlig ausgehöhlt zu sein. Es fühlt sich an, als wäre nichts außer einem großen schwarzen Loch in mir, das alles, was eigentlich aus mir herausbrechen soll, aufsaugt....es verschließt um mich irgendwann einfach zu überollen. Ich kann es einfach nicht fassen, das du weg sein sollst. Das du nicht mehr mit mir reden, nicht mehr über meine schlechten Witze und die Neckerein mit Oikawa lachen wirst. Doch am Meisten schafft es mich, dass ich dir meine Gefühle nicht mehr gestehn kann....konnte. Das sie im Grunde ewig unausgesprochen bleiben werden. Du wirst sie nie erfahren und ich werde deine Reaktion nie sehen dürfen. Ich weiß das du sterben musstest, war mir dieser Konsequenz, seit wir uns näher gekommen waren, völlig bewusst. Deine Diagnose war klar und jeden Tag der letzten Wochen die wir miteinander geteilt haben, hast du etwas von deiner Kraft verloren, sodass das Unausweichliche immer näher gerückt ist und obwohl ich darauf gefasst sein hätte müssen, hat es mich völlig unerwartet getroffen. Eigentlich habe ich geglaubt du würdest durchhalten. Wenigsten bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich dir das Glücksgefühl, das mich in deiner Nähe immer durchströmt hat, dieses sanfte Kribbeln in mir wenn wir uns nahe waren, erklären kann. Doch ich habe zu lange gezögert.
'Ich bin ein völliger Idiot, ein Dummkopf sondergleichen'
Ein Seufzen dringt aus meiner Kehle und meine Hand wandert zu meiner Stirn um meine Finger an den Haaransatz zu bringen und mir immer wieder grob durch die stacheligen Haare zu fahren. Mit meinen Gedanken beginnt sich ein Gefühl aus dem Loch in meinem Inneren zu kämpfen.
Wut.
Die Wut die mit den Worten der Schwester zurückgedrängt wurde...jedenfalls für einen Moment, denn nun packt sie mich wieder. Mein Körper bebt, meine Finger, die immer noch das Buch umklammern, zittern erneut und mein Griff um den Einband wird noch fester. Und dann, ohne es zu wollen, beginnt die Sicht vor meinen Augen zu verschwimmen.
*Tropf.....Tropf.... Tropf...*
Meine nicht beabsichtigten Tränen machen leise auf sich aufmerksam und fallen wie in Zeitlupe, so scheint es wenigstens, auf das Tagebuch, bleiben dort in dem groben leidigen Einschlag hängen und verharren, als würden sie darauf warten getrocknet zu werden. Ich habe keine Kontrolle darüber. Die Wut auf mich und über die Situation selbst ist einfach zu groß und so lässt es sich einfach nicht zurückhalten. ,,Ich bin ein solcher Dummkopf, ein Idiot, ein Trottel!", kommt es mit harscher Selbstverachtung aus meinem Mund und meine freie Hand wandert aus meinen Haaren, holt aus und schlägt gegen meine Stirn. Immer wieder trifft die Innenfläche auf die Haut doch wirklich Schmerzen tut es nicht. Egal wir kraftvoll ich die beiden Hautpartien aufeinanderprallen lasse...Ich verspüre keinen Schmerz, jedenfalls nicht körperlich. Als wenn die Schleusen sich nun vollends geöffnet haben, kann ich nicht aufhören zu weinen. Das Tropfen mehrt sich, immer schneller fällt die salzige Flüssigkeit auf das Buch und mein Körper wird plötzlich von einer extremen Unruhe gepackt. Sie lässt mich nicht weiter hier auf meinem verfluchten scheiß Arsch sitzen.
Das Buch an die Seite auf die Matratze gelegt und völlig gefangen in meiner Rage bewegt sich mein Körper als ist es nicht mein eigener. Schon oft habe ich meine Beherrschung verloren, doch in diesem Ausmaß sicher noch nie. Ich finde mich in der nächsten Sekunden an dem Schreibtisch wieder, den ich bis dato immer zum Lernen genutzt habe und im nächsten Moment liegen die Mappen, Blöcke und Stifte auf dem Boden. Die Lampe folgt, kurz darauf der Laptop.
'Das reicht nicht'
Das Krachen, Splittern und Klirren der Gegenstände lassen dieses Gefühl einfach nicht abebben. Mich leise verfluchend, finden meine Hände den Weg zu der Lehne des hölzernen Stuhls der mit unüberhörbaren Geräuschen in der nächsten Ecke landet. Die Vorhänge an dem großen Fenster, das direkt hinter dem Tisch liegt, stechen mir als nächstes ins Auge und keine Sekunde später landen diese mit reißendem Nachhall auf dem Boden.
Wie von Sinnen stapfe ich zu meinem Kleiderschrank, reiße die Türen regelrecht auf und beginne die Kleidungsstücke aus diesem zu zerren. Sie landen nacheinander auf dem Boden und ich weiß nicht einmal warum. Vielleicht hoffe ich mit dem Chaos das ich anrichte, das in meinem Inneren zu lindern. Vielleicht versuche ich den Schmerz mit der Zerstörung die ich begonnen habe zu kompensieren.
Es hilft allerdings nicht.
Im Gegenteil.
Ich werde nur noch wütender.
Immer wieder kreist die Frage des 'Warums' in meinem Kopf, während ich weiter tobe, meine Wut herauslasse und alles was mir in die Finger kommt, findet seinen Weg an die nächsten Wand, auf den Boden, bis mich meine eigene Atemlosigkeit und Schwäche auf den selbigen treibt. Über die Matratze gebeugt, immer noch Tränen vergießend, fühle ich den Stoff unter meinen Fingern. Ich balle meine Hände zu Fäusten und umschließe die Decke damit, ehe ein langezogener markerschütternder Schrei der Wut meine Kehle verlässt.
Und dann....Stille.
Da hocke ich nun auf allen Vieren über meiner Matratze gebeugt und verliere ohne einen Ton von mir zugeben noch mehr Flüssigkeit, während sich meine Finger immer noch krampfhaft um den Stoff der Decke befinden, immer noch zittern, beben. Ich weiß nicht was ich tun soll, bin überfordert mit allem.
'Wieso tut es nur so verflucht weh?
Wieso ist das Leben so verfickt unfair?'
Es dauert eine ganze Weile bis ich aus meiner Position bewege, aufstehe und erschöpft zum Rand des Bettes schlurfe. Mich auf die Bettkante gesetzt, sehe ich mich um. Dieses Zimmer gleicht einem Schlachtfeld und dem Chaos in meinem Inneren. Es spiegelt mich im Grunde perfekt wieder, doch Zufriedenheit gibt es mir nicht. Meine Ellenbogen auf die Oberschenkel gestützt, vergraben ich das Gesicht in meinen Händen und verharre so, ohne ein Gefühl davon zu haben wie lange genau.
Erst das Summen meines Telefons, in meiner Hosentasche, lässt mich wieder aufsehen. Mit meinem Ärmel wische ich mir über die Augen um auch die Reste der vorerst versiegten Tränen wegzuwischen und mein Blickfeld aufzuklaren. Meinen Körper ein wenig aufgerichtet, hole ich das Telefon hervor und schaue auf den Display. Eine neue Nachricht ist eingetroffen. Der Absender: Oikawa
'Hey Iwa-chan.
Wie ist es gelaufen, was hat sie gesagt?' Sie steht auf dich oder? ;*
Ich habe fast vergessen das ich ihm erzählt habe, das ich dich heute besuchen und dir meine Gefühle gestehen will, obwohl mich mein bester Freund tatsächlich erst dazu angestachelt hat. Sonst wäre sicher noch mehr Zeit vergangen. Seufzend, schließe ich die Nachrichtenoption und erneut fliegt ein Gegenstand, in Form meines Handys, durch mein Zimmer. Mir ist nicht danach zu antworten. Eigentlich ist mir nach gar nichts zumute. Ich will einfach nichts außer allein zu sein, meine Ruhe. Mein Körper fällt mit Schwung zurück auf die Matratze und gerade als ich meine Arme über meine geschwollenen und schmerzenden Augen legen will, stößt meine Hand an deine Zurücklassenschaft. Ich greife danach, hab es nicht vergessen, wie auch ist es schließlich von dir, aber gerade sind meine Gedanken einfach ganz woanders gewesen. Es in die Hand genommen, hebe ich es vor meine Augen und und starre es einfach nur an. Unsicher ob ich es lesen soll, wissen will was darin steht, setze ich mich auf, lege es in meinen Schoß und führe meine Fingerspitzen über den groben Einband. Immer noch ist die Feuchtigkeit meiner Tränen dort zu spüren und ich wischte sie mit dem Ärmel meines Hoodies fort, ehe ich weiter über das Leder fahre, die leichte kühle unter meiner Haut spüre. Meine Augen wandern zu der Inschrift des Umschlages.
'Mein Tagebuch'.
In meinen Händen befinden sich deine Erinnerungen, deine Gefühlen, deine geheimsten Gedanken. Habe ich überhaupt ein recht darauf dieses zu lesen und diese zu erfahren, nach allem was geschehen ist? Ich habe dich in deiner schwersten Stunde alleine gelassen, also wer gibt mir das 'Ok' sie zu lesen?
Du natürlich.
Die Worte der freundlichen Krankenschwester hallen in meinen Ohren wieder, die sagen das du willst das ich es lese. Unbewusst wandern meine Finger zum Rand des Buches, welchen ich mit zwei Fingern umfasse und langsam, fast wie in Zeitlupe, hebe ich ihn hoch und gelange auf die erste Seite. Sofort sticht mir deine ebenmäßige, saubere und fließende Schrift ins Auge. Das Datum zeigt das es kaum mehr als ein Jahr her ist das du mit dem Schreiben begonnen hast. Kurz überfliege ich die Buchstaben und Worte und bleibe schlussendlich wieder bei der Überschrift hängen, die mich bereits zu Beginn stutzen hat lassen. Die eigentlich oft benutzten Worte 'Liebes Tagebuch' finde ich dort nämlich nicht. Schnell blättere ich die Seiten durch, lese nicht alle Zeilen sondern bleibe immer wieder bei der Anrede stehen, die jedes neue Kapitel des Buches enthält und muss feststellen das es sich um Briefe handelt die du geschrieben hast.
Briefe an mich.
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