Das Ende kommt nicht immer zum Schluss

Immer noch schwer atmend stehe ich vor deiner Tür und versuche mich zu sammeln, meinen Herzschlag zu regulieren und meinen Puls herunterzufahren. Ich habe lange gebraucht um zu verstehen was in mir vorgeht, zu lange.

Doch jetzt...jetzt bin ich bereit dir zu sagen was ich begriffen habe, jetzt will ich dir sagen was ich fühle. Ich verfluche mich auch in diesem Moment noch für jeden verschwendeten Tag den ich die letzten zwei Wochen vertrödelt habe, anstatt jeden Einzelnen mit dir zu verbringen.

Dir, dem Menschen, der die Zeit im Nacken hängen hat. Dir, dem Menschen, der trotz seiner Lage so viel Lebensfreude zeigt, so viel Stärke beweist. Dir, dem Mädchen in das ich mich doch tatsächlich verliebt habe.

Hätte man mir vor einem Jahr erzählt das es soweit kommen würde, hätte ich demjenigen eine Kopfnuss verpasst oder einen Ball nach ihm geschmissen, schroff erklärt was für ein Blödsinn das doch war. Doch jetzt ist es wirklich passiert und heute ist der Tag an dem ich es dir sagen will. Die Worte sind noch nicht zurechtgelegt, doch das macht nichts. Du weißt das ich kein Mensch der großen Worte bin, mit Dingen wie Romantik nicht wirklich umgehen kann. Ich bin niemand der dir Rosenblätter im Zimmer verteilt, dir einen Strauß Blumen bringt oder süße Worte in dein Ohr flüstert. Ich bin nicht in der Lage dir mein Herz auszuschütten, aber ich kann dich beschützen, dir zur Seite stehen, mit dir kämpfen solange dein kranker, zierlicher Körper noch durchhält. Einfach an deiner Seite sein und versuchen dir alle Last von den Schultern zu nehmen, die ich tragen kann. Das ist es was ich kann, was ich will.

Noch einmal atme ich tief durch, schließe die Augen und hebe meinen Arm um an deine Tür zu klopfen. Kurz warte ich, doch keine Antwort ertönt.

'Schläfst du?..... Vermutlich'

Ich führe meine Finger zur Klinke, umschließe sie, drücke diese sachte herunter und öffne die Tür leise und vorsichtig einen Spalt um in dein Zimmer zu sehen. Überrascht stelle ich fest das es leer ist.

Entschuldigung?", mit fragendem Blick sehe ich über meine Schulter, kaum das ich in der nun ganz geöffneten Tür stehe, mich frage wo du wohl gerade steckst und erkenne die Schwester, die ich bereits viele Male gesehen habe. Sie ist oft da gewesen wenn ich dich besucht habe. Ihre Lippen umspielt ein trauriges Lächeln. Lange, so scheint es, sagt sie nichts und sieht dann an mir vorbei auf dein leeres Bett in dem ich dich vor zwei Wochen zurück gelassen habe.

Wo ist Ria?", höre ich mich selbst, drehe mich, sehe an ihr herunter und blicke auf ihre Finger die ineinander verschränkt sind, auf den Daumen der nervös über ihren Handrücken reibt. Meine Iriden wandern wieder an ihrem Körper hinauf und bleiben an ihren Blauen Augen hängen, die mich entschuldigend und nun voller Trauer ansehen. Es tut mir leid, aber... " und schon setzt mein Gehirn aus, fühlt sich an als wenn es alle Funktionen eingestellt hat. Mein Körper erstarrt, meine Muskeln sind völlig angespannt und in mir spüre ich deutlich völlig gelähmt zu sein. Ich bin nicht in der Lage mich zu bewegen, während ihr Worte wie durch Watte an meine Ohren dringen. Worte die ich gerade nicht in der Lage bin zu verarbeiten, die mir erklären das du nicht mehr da bist. Mein Herzschlag pocht in meinen Ohren, wild, laut. Das kann nicht sein.

Nicht heute, nicht jetzt, nicht du!

Immer noch völlig unbeweglich merke ich wie meine Finger sich beugen, ballen, eine Faust bilden. Ohne es zu wollen beginnen sie zu zittern, kaum das sich in mir die Wut aufbaut. Doch nicht nur meine Hände, mein ganzer Körper bebt.

'Ich hätte nicht zögern dürfen, hätte nicht warten sollen. Ich bin so dämlich, ein Idiot'

Ich verfluche mich gedanklich, sehe zu Boden und weiß mit dem was in mir vorgeht nicht umzugehen. Nie habe ich ein solches Chaos in mir selbst erlebt. Trauer, Wut, Selbsthass, Zweifel. All diese Gefühle drohen mich zu überschwemmen, als ein in schwarzes Leder gebundenes Buch vor meinen Augen, die auf den Boden gerichtet sind, auftaucht. Langsam sehe ich auf die zierlichen Hände die es halten, blicke den Körper entlang und verharre mit meinen Augen auf dem Gesicht der jungen Krankenschwester.

Zweifle nicht an dir und deinen Entscheidungen. Du hast nichts falsches getan, sei nicht böse, ich verstehe dich. Auch wenn ich körperlich nicht mehr hier bin, so sehe ich dennoch jeden Tag nach dir und lächle für dich. Versprochen. Das Leben ist zu kurz um zu warten, denke immer daran. Lache und lebe für mich mit", sagt sie leise und meine Augen weiten sich bei ihrem letzten Satz. Es war das Motto das ich bereits viele Male gehört habe.

Von dir, aus deinem Mund.

Sie hatte eine Ahnung wie du reagieren würdest, bat mich dir dies zu geben und dir ihre letzten Worte zu überbringen. Sie meinte du sollst es lesen. Es ist eine Erinnerung an sie, an dich und an eure gemeinsame Zeit." Ihr Blick fällt auf das Buch, das sie mir geduldig entgegen hält. Immer noch nicht ganz bei mir, hebt sich mein rechter Arm, meine geballte Faust öffnet sich und greift nach dem Gegenstand. Das Zittern hat aufgehört. Mit ihren Worten ist die Wut zurückgedrängt und langsam nehme ich meinen neuen Besitz an mich, blicke auf den Einband auf dem 'Tagebuch' steht. Meine Gedanken kreisen immer noch völlig wirr in mir, als hätte es auf der Straße eine Massenkarambolage gegeben, ich kann einfach keinen klaren Gedanken fassen.

Es ist zu viel.

Danke das du dich in dem einen Jahr so gut um sie gekümmert hast. Durch dich konnte sie sich den einen oder anderen Wunsch noch erfüllen." Ich sehe auf nachdem sie diese Worte an mich gerichtet hat, sehe die Verbeugung die sie für mich übrig hat und eine Träne, die aus ihren Augenwinkel tritt, kaum das sie ihren Kopf gehoben und sich mit einem erneuten traurigen Lächeln abgewendet hat. Sie bleibt nicht, verschwindet schnellen Schrittes und lässt mich alleine mit deinen geschriebenen Erinnerungen zurück.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top