13. Das letzte Puzzleteil
Gestern saßen wir noch sehr lange als Geschwister zusammen. Mikey und Ema erzählten mir von den Jahren in denen ich nicht da gewesen war. Wie die damals so kleine Toman Gang die zu Anfangszeiten nur aus Mikey und seinen fünf engsten Freunden, Kazutora mit eingeschlossen bestand so groß werden konnte. Auch über Shinichiro's Tod sprachen wir. Wenigstens hatte der Kazutora in meinen Erinnerungen darüber nicht gelogen, es war wirklich mehr ein Unfall der durch eine vorschnelle, unüberdachte Handlung passierte. Nachdem Kazutora Shinichiro erschlagen hatte, rannten er und Kei weg, versuchten unterzutauchen und alles zu vertuschen, aus Angst vor möglichen Konsequenzen und natürlich Mikey als Freund zu verlieren.
Kazutora gelang das ziemlich gut, dafür hatte er anscheinend schwer mit seiner Psyche zu kämpfen seit dem Vorfall. Kei dagegen hielt das alles nicht lange aus und ging freiwillig zu Mikey um ihm alles zu Beichten.
Ich erinnerte mich jetzt wieder genau an den Tag, ungefähr drei Tage nach Shinichiro's Tod, als Kei sich heulend vor uns im Hof auf die Knie geschmissen und alles gebeichtet hatte.
Ganz genau wusste ich noch wie ich zusammen brach, als ich hörte dass MEIN Freund MEINEN Bruder umgebracht hatte. Meine Tränen und Emotionen hatte ich in der Sekunde schon lange nicht mehr unter Kontrolle und auf einmal gab auch Kazutora's Verhalten Sinn, dass er die letzten Tage gebracht hatte. Auf kaum eine SMS hatte er damals geantwortet und wenn dann nur ganz knapp und auf Anrufe reagierte er gar nicht.
Damals saß ich wenig später allein in meinem Zimmer mein Herz konnte nicht fassen, dass der den ich am meisten liebte einfach Jemand der mir ebenfalls so viel bedeutete einfach umbringen könnte. Ich wollte nicht mehr in der selben Welt leben. Ich begann ihn abgrundtief zu hassen. Er sollte am besten geschnappt und eingesperrt werden, das war meine Denkweise.
Ich begann einen Brief für ihn zu schreiben, dann wusste er auch, dass ich es weiß und was ich von ihm denke:
>Lieber Kazutora,
es tut mir leid, aber ich brauche Abstand von dir. Ich habe dich immer geliebt, aber das was du getan hast, war unverzeihlich.
Ich hau ab solange bis du verschwunden bist. Ich will dich nie wieder sehen. Wehe du suchst nach mir.
Yuki<
Ich versuchte er extra kurz zu halten, beziehungsweise ich konnte es auch nicht. Über mein ganzes Gesicht liefen in Strömen Tränen und tropften auf das Papier.
Nachdem ich das geschrieben habe, machte ich mich aus dem Staub nur mit meinem Handy, etwas Kleingeld und einer Trinkflasche.
Erst ging ich bei Kazutora vorbei. Es war noch sehr früh, ziemlich unsicher also, dass er schon wach war. Ich schmiss den Brief bei ihm Zuhause ein, mit dem
Wissen, dass seine Mutter immer mittags den Briefkasten leerte.
*Bis dahin bin ich längst über alle Berge*, und Berge traf es auch ganz gut, denn genau zu denen fuhr ich. Öfters mal wenn ich nachdenken musste, ging ich in die Natur und wanderte, vorallem dieser Berg hatte es mir aus unerklärlichen Gründen angetan.
Nachdem ich den Brief eingeworfen hatte, schwang ich mich auf das Motorrad mit dem ich gekommen war. Es war eins von Shinichiro seinen und natürlich hatte er mir schon sehr früh beigebracht auf so einem Gerät zu fahren, schließlich war er selber ganz vernarrt in die Teile. Ich schwang mich drauf und gab aus dem Stand schnell Gas.
Es war ein weiter Weg. Eine Stunde dauerte es bis dorthin, doch das war nicht schlimm. 1. Fand mich Kazutora dort sicher nicht und 2. fühlte ich mich wenn ich Motorrad fuhr immer sehr mit Shinichiro verbunden, da wir bis jetzt immer nur zu zweit gefahren waren, es war das erste mal, dass ich ohne ihn unterwegs bin.
Ich fragte mich ob es ihm da oben oder wo auch immer er jetzt sein möge gut ging und ob er Schmerzen hätte oder wirklich frei von allem war wie man es immer erzählte.
Als ich angekommen war, stellte ich das Motorrad am Fuße des Berges ab. Ich betrachtete die Landschaft. Nadelbäume und Laubbäume verschlungen den schmalen Wanderweg, der bis zum Gipfel des Berges führte. Vögel zwitscherten, sonst war nichts zu hören. Entschlossen ging ich vorran.
Tief sog ich den Geruch, der Bäume und des Mooses ein, das ganz eigen roch, so wie sonst nichts.
Wenn ich die Augen schloss war es fast so als wäre Shinichiro noch da und Kazutora wie sonst auch immer an meiner Seite. Es war als wäre das alles nie passiert.
*Ich vermisse dich, großer Bruder*, lief mir eine einzelne Träne über das Gesicht.
Als ich nach einer Stunde Fußweg ganz oben ankam, war ich ganz allein. So wie ich es mir gedacht und gehofft hatte.
Jetzt müsste ich nur hier bleiben und warten bis Kazutora endlich eingesperrt wird. Mikey war schon mehr als bereit ihm die Polizei auf den Hals zu jagen, hatte aber die Hoffnung, dass sein ehemaliger Freund sich von alleine stellen würde.
Mikey und Ema wussten genau wo ich war und auch, dass ich alleine sein wollte, bis sich alles geklärt hatte. Sie hatten außerdem versprochen sich zu melden, sobald sie mehr wussten.
In Gedanken versunken setzte ich mich auf einen Felsen und schaute über die Wipfel der Bäume bis ins Tal.
„Yuki!", schrie Jemand plötzlich meinen Namen.
Das Blut gefrohr mir in den Adern, als ich die Stimme erkannte. Meine Auten wurden glasig. Schnell wischte ich sie trocken und sprang auf. Vor mir war Kazutora, der immer weiter auf mich zukam.
„Ich hab doch gesagt, du sollst mir nicht folgen! Ich will dich nie wieder sehen! Ist das so schwer zu verstehen?!"
„Bitte, bitte Yuki glaub mir doch. Es war nie meine Absicht Shinichiro umzubringen. Ich habe ihn nicht erkannt. Ich wollte nur Mikey unbedingt eine Freude machen. Ich liebe dich, also warum sollte ich deinen Bruder umbringen?!", rief er verzweifelt mit tränenüberströmten Gesicht.
Mein Ausdruck blieb weiter kalt. Ich hasste ihn dafür, mehr als Worte ausdrücken könnten.
„Ich glaub dir kein einziges Wort! Das ist alles allein deine Schuld! Ich hasse dich! Ich will dich nie wieder sehen! Du sollst verrecken, hast du gehört?! Verreck einfach!", schrie ich ihm wütend entgegen während mir die Tränen in die Augen stießen.
*Verdammt, verschwinde endlich!*
Mein Magen zog sich zusammen und verkrampfte sich dabei schon fast.
*Warum musstest es ausgerechnet du sein?! Ich liebte dich doch so sehr!*, verzweifelte ich innerlich immer mehr. Mit aller Kraft versuchte ich nicht umzufallen und meinen bösen Blick aufrecht zu erhalten.
Langsam kam Kazutora auf mich zu. Flehend blickte er mich aus seinen gelben, glasigen Augen an.
„Bitte, bitte vergib mir. Ich werde mich auch der Polizei stellen, aber bitte bleib bei mir, ich hab doch sonst niemanden außer dir Yuki, ich liebe dich", verschluckte er sich andauernd an seinen eigenen Tränen.
„Bleib weg! Verschwinde endlich! Ich könnte dir niemals vergeben, hörst du, niemals! Du hast meinen Bruder getötet! Du hast meinen geliebten Bruder umgebracht!", schrie ich ihn böse an, während ich zurück wich. Im nächsten Moment rutschte ich aus. Mein Gleichgewicht verabschiedete sich, egal wie sehr ich darum kämpfte. Ich spürte wie ich fiel, unaufhaltsam fiel ich ohne eine Möglichkeit mich irgendwo festzuhalten.
Kazutora rannte mit panischem Blick auf mich zu. Er strengte sich an, das sah ich, so schnell hatte ich ihn noch nie laufen sehen.
„Yuki!", hörte ich seinen verzweifelten Schrei, als er versuchte meine Hand zu greifen. Es war zu spät, ich war schon viel zu tief gefallen. Während dem Fall sah ich nur sein trauriges, schmerzverzerrtes Gesicht.
*Er hat mich wirklich bis zum Ende geliebt, das konnte man spüren. Wie auch immer, die Sache mit Shinichiro werde ich wohl nie komplett erfahren. Vielleicht treffen wir uns alle mal im Himmel und können das alles vergessen. Mikey, Ema und auch Kazutora, ich wünsche euch alles Gute bis es soweit ist*.
Lächelnd schloss ich die Augen wissentlich zu sterben, doch bis auf die letzten Tage war es ein echt schönes Leben, ich hatte super Geschwister, einen unglaublichen Freundeskreis, den verrücktesten besten Freund und den liebevollsten Freund der Welt.
*Ich werde auf euch aufpassen, bis ihr wieder bei mir seid*.
Im nächsten Moment spürte ich einen unglaublichen Schmerz, der schlimmste den ich je gespürt hatte. Ich konnte nicht schreien, meine Stimme war wie gelähmt. Keine Sekunde nach dem Aufprall wurde mir schwarz vor Augen.
Das waren meine zurückerlangten Erinnerungen über den Unfall.
Eng lag ich an Mikey gekuschelt, der mir mit seiner Hand sanft über den Kopf strich.
„Sag mal, Yuki?", fragte er.
„Hm?", murmelte ich fragend und erhob meinen Kopf um in seine klaren, schwarzen Augen sehen zu können. Er lächelte leicht.
„Wie wärs? Jetzt wo Kazutora nicht mehr von Bedeutung ist, kannst du dich guten Gewissens Toman anschließen, dann bist du immer mit mir, Baji und den Anderen zusammen", brachte er einen Vorschlag für den ich nicht lange überlegen musste.
„Einverstanden, aber nur wenn ich weiterhin mit Shuji befreundet sein darf", war meine einzige Bedingung, schließlich bedeutete er mir immer noch sehr viel auch wenn ich ihn in letzter Zelt etwas vernachlässigt hatte
„Klar", grinste mein Bruder.
Ich löste mich aus seinem Griff und stand auf.
„Ich geh mal kurz telefonieren".
Mikey nickte nur uns zog daraufhin selber sein Handy aus der Tasche.
Ich ging aus dem Wohnzimmer und etwas um die Ecke, damit ich ungestört war.
Gleich darauf rief ich Shuji an.
>Hey Prinzessin, wie kommt's, dass du den Schönling abserviert hast<, hörte ich ihn gleich lachen.
>Sekunde, woher weißt du das denn schon wieder?<
Sein Grinsen am anderen Ende konnte ich deutlich spüren.
>War ihm anzusehen, ich hab noch nie gesehen wie er so viel getrunken hat und andauernd hat er ohne Grund das heulen angefangen, wollte aber nichts sagen. Brauchte er auch nicht, ich konnte mir schon denken was los ist und anscheinend hatte ich damit auch recht. Also was war?<
>Der Idiot hat meinen größeren Bruder vor zwei Jahren umgebracht und mir verheimlicht, beziehungsweise abgestritten dass ich noch weitere Geschwister habe. Er hat mir damals gesagt, meine ganze Familie wäre gestorben<, knurrte ich sauer.
Kurz blieb es still.
>Nicht dein Ernst oder?<, fragte er nach.
>Natürlich ist das mein Ernst, als ob ich mir sowas ausdenke!<
Shuji stöhnte verärgert auf.
>Soll ich ihn für dich zusammen schlagen?<
>Nicht nötig, hab ich gestern schon gemacht. Wenn er mir nochmal zu nahe kommt wird Mikey ihn eh umbringen<.
>Mikey? Du meinst aber nicht der Mikey von Toman oder?<
>Doch, genau der, er ist mein Bruder.<
>Ach du Scheiße, da hat Kazutora sich aber eindeutig mit der falschen Familie angelegt<, lachte er.
>Warum ich anrufe ist, ich will euch verlassen und zu Toman gehen, jetzt wo ich weiß, dass ich Familie habe, möchte möglichst viel mit ihnen zusammen sein und auch mit meinen alten Freunden an die ich mich jetzt wider erinnere. Bitte sei mir nicht böse<
Er lachte leise.
>Alles gut Prinzessin, ich freu mich für dich und kann dich zu gut verstehen.<
>Bist du grade im Geheimversteck?<
>Ja<
>Dann komm ich kurz vorbei und bring euch meine Jacke zurück<
>Oke bis gleich und keine Sorge Kazutora ist auch nicht da, der braucht bestimmt noch ein paar Stunden bis der überhaupt aufstehen kann<, grinste er böse und zeigte genau wie ich absolut kein Mitleid.
>Sehr gut, bis gleich<, verabschiedete ich mich und legte auf.
„Mikey, darf ich kurz deine Hawk ausleihen?", rief ich zu meinem Bruder bis ins Wohnzimmer.
„Ja, aber wofür?", kam die Antwort.
„Muss nur kurz zu Walhalla die Jacke zurückbringen".
„Soll ich mitkommen?"
„Nein, nicht nötig, Kazutora ist nicht da hat Shuji gesagt und er würde mir auch helfen."
„Ok, dann bis gleich", rief er.
Eilig lief ich mit dem Schlüssel bewaffnet sus dem Haus. Ein Lächeln striff mir über das Gesicht. Das Motorrad glänzte sie schön in der Sonne. Es war das zweite mal, dass ich damit fahren durfte, das andere mal war bevor Shinichiro es Mikey schenken wollte. Er sagte zu mir ich solle es zum Test Probe fahren und es war so ein schönes Gefühl.
Auch jetzt als ich fuhr fühlte ich mich so mit Shinichiro verbunden was mich glücklich machte, gleichzeitig war dieses Motorrad aber auch der Grund weshalb er starb.
Nur wenig später kam ich an der Spielhalle an.
*Düster wie eh und je. Das wird wohl das letzte mal sein, dass ich diese Halle betreten werde.*
Als ich drinnen war, lief sofort Shuji auf mich zu. Er umarmte mich innig und strich mir über den Kopf.
„Ich freu mich, dass du deine Erinnerungen wieder hast, aber es tut mir leid, dass du sie durch solche Umstände bekommen hast. Am liebsten würde ich Kazutora rauswerfen, aber Kisaki will ihn nicht aus so einem Grund rausschmeißen."
„Ist auch richtig so, das ist eine Sache zwischen ihm und mir, da hat die Gang nichts mit zu tun", murmelte ich, aber dennoch rührte es mich, wie Shuji sich für mich einsetzte.
„Es tut auch sehr weh, nicht nur, dass er mich belogen hat, sondern irgendwie auch, dass er jetzt nicht mehr da ist, schließlich habe ich ihn mal sehr geliebt", seufzte ich leise.
Shuji beugte sich runter und gab mir einen sanften Kuss auf die Wange.
„Vergiss ihn einfach, so Jemand ist es nicht wert, dass du deine Gedanken an ihn verschwendest."
Traurig blickte ich weg.
„Ja, ich weiß, aber es ist nunmal nicht so einfach das alles von heute auf morgen zu vergessen. Wir waren zwar jetzt nicht lange zusammen aber in meinen Erinnerungen fühlte es sich an wie eine Ewigkeit."
„Sei dir sicher, Prinzessin, das vergeht", lächelte der groß gewachsene Junge aufmunternd. Ich lächelte ebenfalls und striff mir die Jacke von den Armen.
Provisorisch zusammen gefaltet gab ich sie dem Jungen, doch der hob nur abwehrend die Hände und grinste.
„Behalt sie, als Erinnerung an deine Zeit bei uns."
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Heute mal ein Kapitel in Überlänge, dafür ist jetzt die komplette Vergangenheit aufgedeckt 😁
Hoffe es hat euch gefallen, lasst gerne Feedback da 😊
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