Zusatzkapitel 23.2 (POV - Youngjun)
„Und cut!", rief Kang Min-ho, unser Regisseur, klatschte in die Hände und stand aus seinem Stuhl auf. „Das war gut Jungs! Youngjun-ssi, wir brauchen nur noch eine letzte Aufnahme von dir, wie du am Abgrund stehst und deine Flügel ausbreitest", sprach er an mich gerichtet weiter. „Geh nochmal in die Maske, bitte", wies er mich an und ich drehte mich um, um den Jungs in die Kabine zu folgen.
Den ganzen Tag waren wir schon mit den Dreharbeiten zu ‚Fly with me' beschäftigt und hatten getanzt, was das Zeug hielt. Tanzen hatte nie wirklich zu meinen Stärken gezählt – ich fühlte mich wohler in meiner Rolle als Rapper von E4U – doch seit meinen ersten Tagen als Trainee im März 2019 hatte ich mich schon deutlich verbessert. So oft hatte ich mir schon Muskeln und Sehnen gezerrt und war mit krampfenden Muskeln und Schmerzen auf Bühnen gestiegen, um ein Publikum zu begeistern, dass uns abwies. Manchmal fragte ich mich, warum ich mir das alles gab, doch dann sah ich in die Gruppe der Jungs, mit denen ich zusammenarbeitete und erkannte die Familie, zu der wir gemeinsam herangewachsen waren – mit jedem weiteren Song, jeder weiteren Melodie. Für diese Familie wollte ich da sein und mit ihr meinen Weg gehen, denn uns alle verband die Liebe zur Musik.
Als ich in der Maske saß und meine Stylistin Danbi sich um meine Haare kümmerte, schaffte ich es zum ersten Mal seit Stunden einen Blick aufs Handy zu werfen. Es war schon 23:00 Uhr durch. Nayla hatte mir geschrieben: „Es kann losgehen!", las ich in still in unserem Chat, wählte das Bild, dass sie dazu geschickt hatte, an und zoomte ein wenig hinein.
Ihre hellen blauen Augen mit dunklem Rand um die Iris strahlten mir aufgeregt entgegen, während ihre vollen, rötlich schimmernden Lippen verschmitzt lächelten und ein Grübchen an ihrer linken Wange erscheinen ließ. Das Oberteil war heiß. Ich erwischte mich dabei, wie ich mir über die Unterlippe leckte und meine Gedanken ein Bild davon sponnen, wie ich ihr quälend langsam aus diesem kleinen Top helfen würde...
Schon tippte ich: „Zieh das morgen an und ich explodiere...O.O!" und grinste dabei in mich hinein. „Sie ist hübsch", kommentierte Danbi, die mir heimlich über die Schulter gesehen hatte und lächelte mich freundlich an. Verlegen grinste ich und packte das Handy wieder weg. „Sie ist noch so viel mehr als das..."
Als Danbi mit mir fertig war, lief ich zurück zum Set und drehte die letzte Szene. Gegen 00:00 Uhr waren wir endlich durch und ich wurde zum Dorm, den ich mir mit den Jungs teilte, zurückgefahren. Fix und alle fiel ich nach der Dusche ins Bett, um ein paar Stunden Schlaf zu tanken, bevor Minjun mich wecken würde, um mich zum Flughafen zu fahren. Schnell fiel ich in einen traumlosen, erschöpften Schlaf.
„Hey, Youngjun, aufstehen", weckte mich Minjun's Stimme dicht an meinem Kopf. Widerwillig blinzelte ich und öffnete schließlich die Augen. „Wir müssen bald los, wenn du einen Flug früher schaffen möchtest", sprach er weiter und deutete auf meine Uhr, die auf dem Nachtisch neben meinem Bett stand. 04:30 Uhr – fuck my life...
Ich quälte mich hoch, trottete zum Schrank und nahm mir meine Jogginghose und ein weites schwarzes T-Shirt heraus. Meine übergroße, weite, schwarze Sweatshirt Jacke sammelte ich vom Boden auf und schnappte meine schwarze Mütze und Maske, die auf dem Regal neben den paar Büchern lagen, die ich aus meiner privaten Wohnung mit hierher genommen hatte. Dann verließ ich mein Zimmer. Meine Tasche stand bereits gepackt im Eingangsbereich an der Tür, Minjun stand daneben und erwartete mich mit den Händen in den Hosentaschen. Ich streifte mir meine bequemen Sneaker über, schulterte meine Tasche und verließ leise mit ihm dem Dorm.
Schweigend fuhren Minjun und ich die beinahe leeren Straßen von Seoul in der Nähe des Hangang River in Richtung Incheon Flughafen entlang. Müde betrachtete ich die vorbeiziehenden Wolkenkratzer und gelegentlichen Bäume mit blühenden Kirschblüten im Licht der Laternen. „Du bist sicher, dass Nayla anders ist, als Sora?", fragte Minjun plötzlich in die Stille hinein. Ich schluckte einmal, als ich Soras Namen hörte und atmete tief durch, bevor ich zur Antwort ansetzte. „Ja", antwortete ich knapp. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie Minjun abwägend die Augenbrauen zusammenzog. „Wirklich", betonte ich daher nachdrücklich. „Nayla ist nicht wie sie. Sie wäre nicht zu so etwas fähig" Ich traute mich nicht genauer auszuführen, was ich damit meinte, doch das brauchte ich auch nicht. Immerhin war Minjun damals dabei gewesen. „Sie bedeutet dir wirklich viel, hm?" Ich blickte auf meine im Schoß gefalteten Hände. „Ja", antwortete ich, spürte dabei ein warmes Gefühl im Bauch und lächelte. Als ich Minjun heimlich einen kleinen Seitenblick zuwarf erkannte ich, dass sich seine schmalen Lippen ebenfalls zu einem kleinen stillen Lächeln verzogen hatten.
Die Economy-Class war zwar alles andere als bequem, doch ich tröstete mich mit dem Gedanken, bald bei Nayla zu sein und sie wieder in meine Arme schließen zu können. Dadurch, dass ich so viel zu tun hatte, bemerkte ich manchmal gar nicht, wie schnell die Zeit verflog. Nur, wenn ich doch mal kurz zur Ruhe kam, spürte ich, wie sehr sie mir fehlte und wie lange ich sie nicht gesehen hatte. Ich freute mich darauf, wieder neben ihr zu liegen, ihren Worten zu lauschen und über ihre Witzeleien zu lachen. Ich freute mich auf die Wärme ihres Körpers und ihr strahlendes Lächeln.
Ein klickendes Geräusch riss mich aus meinen Gedanken und ich blickte in die Richtung, aus der es kam. Ein Mädchen mit knallrot gefärbtem Haar hatte das Handy gezückt und auf mich gerichtet. Oh nein, ein Fan an Board. Sie ließ das Handy sinken und winkte mir aufgeregt zu. Unbehaglich erwiderte ich das Winken, bevor ich mir meine Mütze tiefer ins Gesicht und die Maske weiter hinaufzog, sodass nur noch meine Augen frei blieben und verschränkte die Hände vor der Brust. Na das konnte ein langer Flug werden. Ich schloss die Augen, nachdem ich mir Musik aufs Ohr gehauen hatte – ein deutliches Zeichen dafür, dass ich nicht gestört werden wollte – und versuchte noch ein wenig Schlaf aufzuholen. Der Flieger würde etwa gegen 08:00 Uhr (nach Nayla's Zeitzone) landen. Ich freute mich schon so auf ihr Gesicht, wenn ich sie wieder früher als erwartet überraschen würde...
Ich wurde wieder wach, als der Flieger gerade zum Landeanflug ansetzte. Steif wie ein Brett versuchte ich mich in dem kleinen Sitz – der sich mittlerweile sehr hart unter meinem Hintern anfühlte – ein wenig zu strecken und ließ den Kopf kreisen. Wir landeten und ich lief mit der Menge zum Gepäckband und von dort aus mit meiner Sporttasche weiter. Im Taxi aktivierte ich meine zweite Sim Karte und stellte mit Freude stellte ich fest, dass Nayla mir scheinbar nochmal über KakaoTalk geschrieben hatte. Ich wählte unseren Chat an und stutzte kurz, als ich die ersten Worte „Hallo, hier ist Kim, die Freundin von Nayla." las: „Wenn du bei uns ankommst, klingel bitte bei unserem Nachbarn Hr. Uhland. Er wird dir unseren Wohnungsschlüssel geben, damit du deine Taschen bei uns abladen kannst."
Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen. War etwas passiert? Mich beschlich ein ungutes Gefühl und ich las weiter...
„Naylaliegt im Krankenhaus und ich bin bei ihr." Mein Herz erstarrte kurz und Sorge erfasste mich. „Sie ist irgendwann von der Party verschwunden. Ich habe später nur noch ihre Sprachnachrichtbekommen, dass es ihr nicht gut geht und Caleb bei ihr sei. Sie war bewusstlos als ich sie fand. Die Ärzte untersuchen sie gerade auf Spuren von Vergewaltigung. Wir sind im Ernst-von-Bergmann Klinikum"
Meine Miene verhärtete sich und nur mit Mühe schaffte ich es, mein Handy nicht vor Wut zu zerquetschen und unterdrückte einen grimmigen Schrei. Umgehend wand ich mich an den Taxifahrer. „Könnten Sie sich bitte beeilen? Es gibt einen Notfall! Ich muss sofort ins Ernst-von-Bergmann Klinikum" Der Fahrer gab Gas und ich las Kims Nachricht wieder und wieder mit einem Knoten in der Magengegend und kochendem Blut. Wenn ich diesen Caleb je erwischen sollte, wird mein Gesicht das letzte auf dieser Erde sein, das er sieht!
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