Kapitel 24

„Südkorea?!", fragte mich meine Mum ein paar Tage später ungläubig am Telefon. „Ja", antwortete ich mit fester Stimme, während ich in meinem Zimmer auf und ab lief. Youngjun saß stumm auf den Treppenstufen zu meinem Bett und betrachtete meinen Koffer, den ich nach und nach füllte. Ich hielt es aktuell nicht mehr in meinem Zimmer aus. Wobei - es war nicht nur mein Zimmer, es war die ganze Umgebung, die mir zu schaffen machte. Ich konnte nicht mehr in meinem eigenen Bett schlafen, denn anderenfalls wachte ich schreiend und schweißgebadet in der Nacht auf und Youngjun hatte alle Mühe damit, mich wieder zu beruhigen. So konnte das nicht weitergehen.

„Schatz...", begann meine Mutter in besorgtem Tonfall. „...warum muss es gleich so weit weg sein? Du... du könntest auch zu uns kommen" „Mum, ich weiß dein Angebot wirklich sehr zu schätzen, aber ich muss raus hier", entgegnete ich entschlossen und fuhr fort: „Sie haben Caleb immer noch nicht gefunden und ich habe keine Lust schon wieder überrascht zu werden, verstehst du?" Schweigen auf der anderen Seite. 

Als Youngjun plötzlich aufstand, zu mir herantrat und sanft meine Schulter drückte, spürte ich, dass ich schon wieder zitterte. „Mum, ich brauche das jetzt...", betonte ich nochmal nachdrücklich und hörte sie daraufhin auf dem anderen Ende seufzen. „Ist gut Schatz. Ich verstehe. Pass... pass bitte auf dich auf, okay?" „Das mache ich, versprochen" „Okay...bye, mein Schatz... ich hab dich lieb" Ich hörte ihrer zittrigen Stimme an, dass sie versuchte tapfer zu sein und nicht zu weinen. „Ich dich auch Mum. Grüß Dad von mir" Sie legte zuerst auf. Erschöpft ließ ich den Kopf in den Nacken fallen und blies geräuschvoll die Luft durch die Wangen aus. „Deswegen, hätten meine Eltern niemals davon erfahren dürfen...", murmelte ich in mich hinein und schloss müde die Augen.

Im nächsten Moment spürte ich Youngjun's Arme, die mich langsam von hinten umarmten und ich ließ meinen Kopf nach hinten, an seine Brust sinken. „Sie machen sich nur Sorgen", summte mir seine Stimme warm ins Ohr. „Ja... genau das ist es ja...", entgegnete ich und befreite mich sanft aus seinen Armen, um mich wieder meinem Kleiderschrank zu widmen.

„Hey, ihr zwei", Kim streckte ihren Kopf in mein Zimmer. „Wann soll ich euch morgen zum Flughafen bringen?" Fragend sah ich Youngjun an. Dieser wandte den Blick von mir ab und richtete sich an Kim. „Wir sollten gegen 10:00 Uhr morgens da ein, um den Sicherheitscheck pünktlich zu schaffen" „Gut, dann fahren wir um 08:30 Uhr hier los!", beschloss sie daraufhin. „Fehlt dir noch irgendetwas?", fragte sie dann an mich gerichtet, doch ich schüttelte den Kopf. „Nein, bislang ist alles da, was ich brauche..." „Gut" Sie nickte. „Das Abendessen ist auch gleich fertig. Ich rufe euch, wenn es so weit ist" „Vielen Dank", entgegnete Youngjun freundlich und lächelte sie an. Automatisch lächelte sie zurück, dann verschwand sie wieder um die Ecke. Schwungvoll warf ich das nächste T-Shirt in den Koffer...


Nach dem Essen gingen Youngjun und ich noch ein kleines Stück im Park spazieren. Es war ein milder Abend und die Sonne ging allmählich unter. „Morgen um diese Zeit sind wir schon in Seoul...", murmelte ich vor mich hin und Youngjun gab einen bejahenden Laut von sich. Verträumt schaute ich auf unsere ineinander verschlungenen Hände, die locker zwischen uns baumelten. „Und du hast wirklich noch eine extra Wohnung außerhalb eures... wie nennt ihr das doch gleich?" „Einen Dorm", antwortete er, warf mir einen Seitenblick zu und drückte kurz meine Hand. „...und ja, habe ich. So sehr wir uns alle mögen, aber es gibt auch Phasen – speziell während der Pausen – wo wir einen Rückzugsort nur für uns brauchen..., wenn du verstehst, was ich meine..." Ich schluckte nervös und leckte mir über die Lippen. Ich konnte es mir vage vorstellen. Mit 6 jungen Männern in einem Haushalt zu wohnen konnte bestimmt recht laut werden. „Ich bin schon so gespannt, wie Seoul sein wird...", sprach ich und ließ voller Erwartungen meinen Blick zum Himmel wandern. „Nicht viel anders, als andere Städte auch, schätze ich...", sinnierte Youngjun und ließ seinen Blick ebenfalls zum Himmel schweifen. „Es gibt Ecken, in die kann man bedenkenlos gehen und es gibt Ecken, wo das eher weniger der Fall ist. Sie ist laut, hat aber dennoch auch ruhigere Spots. Der Verkehr ist zu gewissen Zeiten sehr extrem und zu anderen Zeiten weniger. Sie hat ein Tag- und ein Nachtgesicht, eine wilde und lebhafte, aber auch ruhige und zurückhaltende Seite." Sprachlos sah ich ihn von der Seite an, bis er es merkte und mich mit einem skeptischen Seitenblick taxierte. „Was?", fragte er schließlich. „Da haben wir es wieder...", entgegnete ich in einem Tonfall, als läge die Antwort nicht längst auf der Hand. Irritiert zog er die Augenbrauen hoch. „Was meinst du?" Ich holte weit mit meiner Hand aus und deutete dann mit dem Zeigefinger auf ihn. „Blitzendes und schärfstes Messer in der Küche..." Mein Finger wanderte zu mir. „Eingefettetes Buttermesser..." Er lachte schallend und legte dann kopfschüttelnd seinen Arm um mich. Gemeinsam liefen wir weiter den Weg in Richtung Sonnenuntergang entlang. Als er den Arm um meine Schultern legte sprach er: „Dann mal weiter voran, mein kleines Buttermesser..."


Diese Nacht hieß es noch einmal: Ruhe bewahren. Wir ließen die Lichterkette an meinem Bett brennen, damit der Raum nicht komplett dunkel war. Nachdem Youngjun die Decke über uns gezogen hatte, kuschelte ich mich ganz eng an ihn. Sein Arm legte sich stark und schwer um mich und gab mir augenblicklich das Gefühl von Sicherheit, das ich brauchte, um runterzukommen. Noch eine ganze Zeit lang lagen wir einander zugewandt und blickten uns tief in die Augen. Irgendwann dann wurden meine Lider schwer und fielen zu.

„Schläfst du schon?", wisperte Youngjun's dunkle, raue Stimme. Ich gab einen verneinenden Laut von mir und kuschelte mich noch ein wenig enger an ihn um seinen Duft besser einatmen zu können. Dabei schob ich eines meiner Beine zwischen seine, was ihn kurz die Luft einziehen ließ. Unruhig öffnete ich die Augen und blinzelte ihn verwirrt an. „Ist etwas?" „Nein, alles gut", flüsterte er beruhigend zurück und begann mit seiner großen Hand über mein Haar zu streicheln, womit er auch mein Gesicht sanft wieder an seine Brust drückte. Wohlig seufzte ich und genoss die Wärme und Geborgenheit, die von seinem Körper ausging. Lächelnd und müde glitt ich in den Schlaf, während er mir weiterhin über den Rücken streichelte...


Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug, war ich einen kurzen Moment irritiert. Denn ich hatte die Nacht durchgeschlafen. Zumindest konnte ich mich nicht entsinnen, aufgewacht zu sein. Das Nächste, was ich registrierte, waren starke Arme, die mich von hinten umarmten und an einen trainierten Brustkorb drückten. An meinem Po drückte etwas Hartes...hoppla!

Zaghaft drehte ich mich in Youngjun's Armen um und sah ihn an. Seine Gesichtszüge waren sanft und friedlich. Hinter den geschlossenen Augenlidern zuckte es wild hin und her und seine vollen, schön geschwungenen Lippen waren leicht geöffnet und verzogen sich gleichzeitig zu einem kleinen Lächeln. Sacht hob ich meine Hand und streichelte diesem umwerfenden Mann über die Wange, die jetzt, wo er schlief, ein klein wenig runder als sonst wirkte.

Verträumt öffnete er die Augen und sah mich an. „Morgen...", murmelte er mit rauer Stimme und ich lächelte. „Guten Morgen" Kurz darauf merkte ich, wie er sich unauffällig mit seiner Schwellung rücksichtsvoll wegdrehte. Ich tat unwissend, lehnte mich jedoch langsam vor, um seine vollen Lippen zu küssen. „Heute geht es los" Ein müdes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Heute geht's los..." Wie aufs Stichwort klingelte mein Wecker.

Puh, okay... habe ich auch wirklich nichts vergessen? Aufgewühlt ging ich in Gedanken erneut den Inhalt meiner Koffer durch (es waren zwei große + 1 Handgepäck-Trolli) und kam zum wahrscheinlich siebten oder auch zehnten Mal zu dem Schluss, dass ich alles dabei hatte. Gerade warteten Youngjun und ich in der Schlange auf den Check-In. Bevor wir drankämen, würde es wohl noch etwas Zeit in Anspruch nehmen. 

Eine weitere Sorge schoss mir auf einmal durch den Kopf: Ich vertraute mich gerade blind Youngjun an, um mit ihm nach Seoul zu fliegen und dann dort für einen Monat bei ihm (und die wichtigere Tatsache noch: mit ihm allein...) zu wohnen! War das klug? Konnte ich ihm wirklich vertrauen? Er würde doch nichts tun, wofür ich eventuell nicht bereit wäre oder? Nervös nestelte ich am Saum meines hellbauen, kuscheligen Hoodies. Nein, er würde es nicht wagen, du kennst ihn doch mittlerweile besser. – sprach meine rationale und abgeklärte Seite ruhig auf mich ein. Doch der nervöse Schisser in der Schäm-Dich-Ecke sah immer noch mit besorgter Miene und aufgerissenen Augen zurück. Mit Nerven, gespannt wie ein Flitzebogen, pustete ich hörbar die Luft aus meinen Lungen – hoffend, mich dadurch beruhigen zu können. Als ich merkte, wie Youngjun's warme Hand meine ergriff, entspannte ich ein wenig und sah zu ihm auf. Seine dunklen Augenblickten sanft zurück. „Ist alles gut?" Mit einem leichten Lächeln drückte ich seine Hand. „Ja"


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