Kapitel 23
Ich befand mich in Schwarzer Leere. Kein Geräusch drang zu mir. „Hallo?", rief ich angstvoll in die Dunkelheit. Ein hässliches Lachen antwortete und plötzlich war der Mann mit dem grauen Anzug hinter mir. „Hallo Madonna, du bist groß geworden, wie ich sehe. Jetzt können wir da weitermachen, wo wir damals aufgehört haben...", sprach er, während er mich lüstern musterte. Ich schrie auf, drehte mich weg von ihm und lief los, hinein in die Schwärze. Hinter mir verklang das Lachen. Dafür hörte ich vor mir näherkommende Sirenen. Waren es Krankenwagen? Polizei? Eine Tür öffnete sich aus dem Nichts und ich rannte dem herausströmenden Licht entgegen.
Zuerst erkannte ich nur meine Eltern, die vor einem Krankenzimmer mit der Polizei redeten. Als ich durch ein Fenster blickte, entdeckte ich mein sieben-jähriges Ich. Angstvoll zusammengekauert saß ich vor einer Ärztin, die mich untersuchen wollte. Ich weigerte mich, sie einen Blick auf meinen Unterleib werfen zu lassen und begann zu schreien. Um meinen Kopf herum war ein Verband gewickelt, weil der große fremde Mann mir eine Glasflasche über den Kopf gezogen hatte, um mich gefügiger zu machen. Meine Mutter eilte zu mir rein und versuchte mich zu beruhigen, während ich mich weiter strampelnd und schreiend gegen die Untersuchung der Ärztin wehrte.
Die Szene verschwand und ich wurde von einer unsichtbaren Kraft aus dem Raum gezogen. Wieder stand ich im schwarzen Nichts, als ich hinter mir plötzlich eine vertraute Stimme hörte. „Wie konntest du das nur zulassen, Nayla?", fragte Youngjun's Stimme anklagend und troff vor Verachtung. Ich fuhr herum. „Youngjun?!" „Du bist widerlich!", spukte er Gift in mein Herz und ich begann zu schluchzen. „Ich habe mir das doch nicht ausgesucht! Ich wollte das nicht!", schrie ich verzweifelt. Youngjun schüttelte müde den Kopf. „Ich habe wirklich an uns geglaubt, Nayla... leb wohl." Halb wandte er sich ab. „Nein... Youngjun, bitte!", schrie ich verzweifelt und es fühlte sich an, als würde mein Herz aus der Brust gerissen. Ich sackte schluchzend in mich zusammen und krümmte mich am Boden. Youngjun warf mir mit eiskalter Miene einen weiteren Blick zu. Dann drehte er sich abweisend um und lief davon. „Youngjun, nein! Ich brauche dich! Lass mich nicht allein! YOUNGJUN!" Ein unsäglicher Schmerz durchzuckte meine Brust und meine Hand fuhr an meinen Brustkorb. Ich konnte nicht mehr atmen – meine Lungen verweigerten mir ihren Dienst. Um Luft kämpfend hob ich ein letztes Mal den Blick... und sah Youngjun's Rücken von der Dunkelheit verschluckt werden...
Als ich zu mir kam, fühlte ich mich klein, allein und verletzlich. Nur Schleierhaft konnte ich mich an meinen Traum erinnern, doch mein Herz stach heftig zu, als ich versuchte, in meinen Erinnerungen danach zu graben. Dann erst registrierte ich den Geruch von starkem Desinfektionsmittel und hörte irgendwo in der Ferne ein leises Piepen. Auf meiner rechten Hand ruhte etwas Warmes, Schweres. An meinem linken Arm fühlte ich etwas Starres, metallenes, dass in meine Haut stach – es war unangenehm. Meine Lider wollten mir noch nicht gehorchen, doch ich begann mit mir zu kämpfen, um einen Blick meiner Umgebung einfangen zu können.
Als der Druck auf meiner rechten Hand für einen kleinen Moment zunahm, registrierte ich erst, dass jemand meine Hand hielt. Kim? Mum? Das leise Piepen beschleunigte sich und augenblicklich ließ der Druck auf meiner Hand nach. Dann seufzte die Person schwer und diese tiefe Stimme hätte ich überall wiedererkannt. Ein Kopf senkte sich auf meinen rechten Oberschenkel. „Bitte, werd' wach...", flehte Youngjun leise. Ich nahm nochmal all meine Kraft zusammen, öffnete schließlich flatternd meine schweren Augenlider und erkannte, dass ich mich im Bett eines Krankenhauses befand. Zu meiner rechten Seite saß Youngjun. Bildschön und traurig.
Er starrte auf seine linke Hand, die in meine verschlungen dalag. Verhalten wischte er sich mit seiner rechten Hand eine Träne aus dem Gesicht. Sein Anblick brach mir das Herz. Meine Lippen und Zunge fühlten sich noch etwas merkwürdig taub an, doch ich versuchte die Worte zu formen, die mir als erstes in den Sinn kamen. „Youngjun...du bist da...?"
Überrascht zuckte sein Kopf hoch und sein Blick flog zu mir. Seine mandelförmigen Augen hielten weitere Tränen zurück und blinzelten, als er meinen Blick fand. „Nayla...!", sprach er atemlos. Ich lächelte matt und drückte sanft seine Hand. „...Hi..." Ich sah zu, wie das Gebirge an Sorgen und tosenden Gedanken von ihm abfiel. Schnell kam er zu mir nach oben und nahm mich vorsichtig in den Arm. Ich begann zu weinen. „Du bist da...", sprach ich unter Tränen und genoss seine Wärme. Er hatte mir so gefehlt. Er lockerte die Umarmung, um mich anzusehen. „Ich bin da...", antwortete er ruhig, wischte mir sanft mit dem Daumen eine Träne von der Wange und hielt mich mit seinem Blick fest. Vorsichtig legte er dann seine Handfläche an meine Wange und beugte sich langsam zu mir. Sein Kuss war schmerzlich süß und zart und ich wünschte mir, diesen Moment des Wiedersehens auf ewig einfrieren zu können. Als sich seine Lippen nach dieser kleinen Ewigkeit lösten und sein Gesicht sich wieder ein wenig von meinem entfernte, lag ich einfach nur da und genoss den Anblick seines schönen Gesichts. „Brauchst du irgendwas?", fragte er dann. „Deine Mum und Kim sind gerade unten essen. Soll ich sie holen?" Bei dem Gedanken an meine Mutter wand ich mich innerlich ein wenig. „Du hast sie schon kennengelernt?", fragte ich und er nickte abwartend. „Hm...", murmelte ich, dachte nach und hob abwägend die Augenbrauen. „Das wars dann wohl mit der offiziellen Vorstellung, die ich geplant hatte..." Daraufhin lachte er leise und bei diesem Geräusch öffnete sich mein Herz. Dann wurde sein Blick weich. Seine Hand griff wieder meine. „Ich habe dich so vermisst", wisperte er und küsste meine Hand. Ich lächelte schüchtern. „Und ich dich"
Nach ungefähr 15 Minuten unserer Zweisamkeit, stießen Mum und Kim zu uns ins Zimmer. Weinend war meine Mutter mir um den Hals gefallen und auch Kim schloss mich fest in die Arme. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie nicht bei mir geblieben war und mich somit auf der Party mir selbst überlassen hatte. 13 Stunden war ich laut Kim ausgeknockt gewesen. Sie hatte meine Nachricht ungefähr 20 Minuten, nachdem ich sie verschickt hatte, abgehört, sofort die Polizei gerufen und sich selber auf den Weg nach Hause gemacht. Als sie mich dann nackt und bewusstlos im Bett gefunden hatte und von Caleb keine Spur zu sehen war, hatte sie noch die Feuerwehr gerufen.
Das brachte plötzlich Fragen in mir auf. Was war eigentlich passiert? Kim erzählte mir, dass ein Drogentest durchgeführt worden war und man K.O.-Tropfen in meinem Blut nachweisen konnte, Spuren einer Vergewaltigung seien jedoch nicht festgestellt worden. Nur Speichel-DNA. Sofort hatte ich beschämt auf meine Decke gestarrt, bemerkte jedoch, wie Youngjun's Miene sich am Rande meines Sichtfeldes vor Wut verzerrte und seine Fingerknöchel, mit denen er sich um die Streben an der Seite meines Bettes klammerte, weiß hervortraten. Es war mir mehr als unangenehm die Geschehnisse in Youngjun's Gegenwart aufbereitet zu bekommen und vermied es, ihm direkt in die Augen zu sehen. Als die Polizei nochmal auftauchte, um Kims Aussage zu validieren, verließ meine Mutter mit ihr das Zimmer und ich blieb mit Youngjun allein.
Angstvoll begann ich an meinen Fingernägeln herum zu kratzen und mied jedweden Blickkontakt. Der gestrige Abend fühlte sich wie ein vager Fiebertraum an. Ich war auf der Party... Caleb hatte sich entschuldigt... mir begann es komisch zu gehen und ich wollte nach Hause...Caleb bot mir seine Hilfe an... doch was war dann passiert?
Ich fühlte mich plötzlich, als hätte ich Youngjun betrogen und mein Magen verknotete sich. „Heey...", drang seine einfühlsame, dunkle Stimme durch meinen Tränenschleier und verwirrten Gedanken. Er nahm meine Hand in seine Hände und strich über ihren Rücken. „Was ist los?" Ich sah ihn an. „Ich...", ich schluckte schwer und versuchte die Tränen zurückzuhalten, obwohl sie bereits liefen. Schnell sah ich weg. „Ich fühle mich so schmutzig", schluchzte ich und begann am ganzen Körper zu zittern. Sofort kletterte er aufs Bett neben mich, nahm mich in den Arm und drückte mein Gesicht an seine Brust. „Ich hätte ihm nicht glauben dürfen! Ich habe darauf vertraut, dass er..., dass er..." Ja..., dass er was, eigentlich?... ehrlich zu mir gewesen war? Sich geändert hatte?! ...Ich war so dumm und naiv gewesen! Ich schluchzte erneut, fühlte mich schuldig und wand mein Gesicht beschämt von Youngjun ab.
„Wie kannst du mich überhaupt noch ansehen und im Arm halten?" Krampfartig und hektisch schnappte ich nach Luft. „Wie kannst du noch bei mir sein? Ich bin so widerwärtig, ich..." „Nayla, stopp!", unterbrach er mich, legte seine Hand unter mein Kinn, drehte mein Gesicht zu sich herum und sah mich an. In seinen Augen glitzerte es verdächtig. „Sag das nicht!", begann er eine Spur zu schroff und sein Blick war so verzweifelt, wie mein eigener. „Es ist nicht deine Schuld, hörst du?! Nicht. Deine. Schuld!" Augenblicklich verstummten meine Schluchzer und ich sah ihn gebannt an, begann mich in seinem Anblick zu verlieren. Mein Mund stand leicht offen. Ich spürte, wie sein Daumen über meine Wange streichelte und wartete ab, ob er weitersprechen würde. Er atmete seufzend aus und schloss dabei für einen Moment die Augen. Musste er sich sammeln? Doch schon fand sein Blick wieder meinen. „Nayla...", fuhr er nun leiser und weicher fort. „... es wird eine Weile dauern diesen Abend zu verarbeiten. Aber Nayla... du musst da nicht alleine durch, hörst du?" Sprachlos und fragend starrte ich ihn mit aufgerissenen Augen an. „Ich bin für dich da. Verstehst du mich?" Wie betäubt nickte ich. „Wenn es etwas... irgendetwas gibt, das ich tun kann, dann sag es mir...bitte.", sprach er beinahe flehentlich. „Warum?", wisperte ich atemlos, festgestarrt von seinen dunklen Augen, die mich besorgt musterten. „Weil ich dich liebe", sprach er sanft und seine Hand strich mir eine Strähne hinters Ohr. Es war das erste Mal, dass er die Worte aussprach und mein Kopf begann augenblicklich zu schwirren. Mein Herz flatterte. „Du...du findest mich also nicht abstoßend oder bist von mir angewidert nach dem Ganzen?", fragte ich leicht ungläubig und deutete mit einer ausladenden Geste auf den Raum um uns.
Einen Moment zuckte verärgert seine linke Augenbraue. Aber dann lehnte er langsam seine Stirn gegen meine. Ich schloss die Augen und lauschte seinem Atem. „Jetzt wird es aber beleidigend, Nayla...", wisperte er.
Im nächsten Moment spürte ich seine Lippen warm auf meinen, während sich seine Hand sanft in meinen Nacken legte. Nachdem ich mich noch einen Moment kurz versteift hatte, ließ ich mich vorsichtig und mit einem seufzen in den Kuss fallen. Seine Arme legten sich nun schützend um mich und für diesen Moment konnte ich die Welt und was geschehen war um uns herum vergessen.
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