Kapitel 20

Als ich heute gegen 15:45 Uhr von meinem Job in der Bibliothek – ich konnte meinen Vertrag bis auf nach dem Sommer verlängern – nach Hause kam, sprang ich rasch unter die Dusche und machte mich frisch. Heute war der Tag, an dem ich die anderen Member von E4U kennenlernen würde. Deswegen setzte ich alles daran, nicht zu stark abgearbeitet auszusehen. Ich hatte versucht, mir die Gesichter zu ihren Namen einzuprägen, doch es misslang mir derzeit noch etwas.


Warum lernte ich E4U kennen? Nun... offenbar hatten die Member Youngjun schon längere Zeit mit Fragen in den Ohren gelegen, wer das mysteriöse Mädchen war, von dem neuerdings der Großteil ihrer Songs handelte. Nachdem Youngjun mich gefragt hatte, ob ich die Jungs kennenlernen würde wollen, hatte ich freudig zugestimmt.


Mit trocken geföhnten Haaren stürmte ich ins Zimmer, setzte mich an den Schreibtisch und schaltete meinen Laptop ein. Es dauerte nicht lang und bald darauf öffnete sich Skype. Noch wurde Youngjun als offline angezeigt. Nervös fuhr ich mir durchs Haar und knabberte an meiner Unterlippe. Da leuchtete plötzlich der grüne Punkt neben seinem Namen auf. „Hey", schrieb er. „Wir wären jetzt da. Wie sieht es bei dir aus?" Aufgeregt und mit klopfendem Herzen ließ ich den Mauszeiger zum Video-Call-Button fahren. Ich atmete noch einmal tief durch, dann klickte ich den Button und die Verbindung baute sich auf.


Womit ich nicht gerechnet hatte, war ihre offizielle Begrüßung als Gruppe. „Hi, mein Name ist Park Youngjun" „Hi, ich heiße Jeon Yunsoo" „Hallo, ich bin Park Minjun" „Hey ho, ich bin Lee Junseo" Mir schwirrte bereits der Kopf ein wenig, da ich mich noch nicht an diese für mich ungewöhnlichen Namen gewöhnt hatte, doch die Vorstellung ging noch weiter. „Hi, ich heiße Kim Myung" „Ich bin Choi Teamin" „Und ich bin Cho Joonseok", erwähnte nun auch der letzte von ihnen seinen Namen und Youngjun knüpfte nahtlos an. „Und zusammen sind wir..." „E4U", beendeten sie dann alle im Chor und verbeugten sich zur Begrüßung.

„Wow.", sprach ich sowohl staunend als auch etwas überrumpelt. „Das war ja wie im Fernsehen" Die Jungs lachten und Youngjun lächelte mit seinen Grübchen in die Kamera. Jetzt setzte ich zu einer kleinen Verbeugung an, um die Begrüßung zu erwidern. „Hi, ich bin Nayla Miles. Ich freue mich sehr euch kennen zu lernen" In ihren Gesichtern erkannte ich daraufhin unterschiedliche Emotionen: von links nach rechts waren Stolz, Freude, Vorsicht, Neugier, Staunen, Begeisterung und Zurückhaltung abzulesen.

„Cool, dich endlich kennenzulernen", begann der, von dem ich glaubte, dass er sich als Myung vorgestellt hatte. Er saß rechts von Youngjun, welcher ganz links im Bild war. Die Haare waren weißblond gefärbt und von hellblauen Strähnen durchzogen. Er hatte ein freundliches Gesicht, dass nun verschmitzt lächelnd in die Kamera blickte. „Unser Leader hat uns schon viel von dir erzählt", verriet er dann und lachte, als Youngjun ihn mahnend von der Seite ansah. „Wirklich, ist das so?", schmunzelte ich, bevor mir eine andere Tatsache erst richtig bewusstwurde. „Moment, du bist der Leader eurer Gruppe?", fragte ich Youngjun schockiert. „Warum hast du mir das nicht gesagt?", fuhr ich vorwurfsvoll fort, verschränkte die Arme vor meinem Körper und schob die Unterlippe vor. „Oh oh Jun, das gibt später was auf den Hintern", meldete sich Taemin. Junseo und (ich glaube es war) Joonseok lachten daraufhin. Nur die beiden anderen in der Gruppe – Yunsoo und Minjun – wirkten ein wenig ruhiger. Vielleicht lag es daran, dass sie zu den älteren Mitgliedern der Gruppe zählten – vorausgesetzt, ich erinnerte mich richtig. Vielleicht hatte es aber auch einen anderen Hintergrund, der mir allerdings unbekannt war.

Youngjun zuckte ergeben mit den Schultern und hob die Hände. „Da kann ich leider nichts zur Verteidigung vorbringen und nur um Vergebung bitten", sprach er theatralisch. Ich grinste.

„So... du und unser Bücherwurm also...", ergriff Yunsoo schließlich das Wort. Ich fummelte unter der Tischplatte an meinen Fingern herum. „Was hat dich denn an ihm überzeugt?" Sein ernster Unterton in der Stimme entging mir nicht und machte mich ein wenig nervös, doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und hörte auf mein Herz. „Seine ruhige, ehrliche Art, sein Lächeln..." Ich sah Youngjun an. „...seine Augen" Minjun blickte weiterhin forschend in die Kamera. „Seine Art, die Welt zu sehen, mich in den Arm zu schließen und mir damit ein Gefühl von Sicherheit zu geben" Jetzt lächelte Minjun ein wenig freundlicher.

„Nahw, wie romantisch! Süß! Ich liebe sowas!", erwiderte Junseo daraufhin und blickte kurz verspielt zur Decke. Scheinbar war er einer der Spaßvögel der Gruppe. Zumindest war es, als würde bei seinem Lächeln die Sonne aufgehen.

„So, nun aber genug der Peinlichkeiten", rief Youngjun aus und angelte nach vorne. „Ich glaube, ich zieh mich nun mit dir zurück, Nayla" Schon hatten seine Hände den Laptop angehoben und er hielt mich nochmal der Gruppe hin. Ich grinste und winkte. „Bis hoffentlich bald dann" „Bye, Nayla!", kam es im Chor zurück und als Youngjun der Gruppe den Rücken kehrte, hörte ich noch, wie Myung rief: „Mach ihn nicht zu sehr fertig und lass noch ein paar Nerven für uns übrig!"

Youngjun betrat seinen Streaming-Raum. „Gehst du nicht in dein Zimmer?", fragte ich verwundert und er grinste. „Nein" Ich legte den Kopf schief. „Warum?" „Weil ich mir derzeit ein Zimmer mit Junseo und Taemin teile. Glaub mir, da wären wir nicht ungestört. Die anderen gehen auch immer hier rein, wenn sie persönliche Gespräche führen." Ich verzog kurz den Mund und hob die Augenbraue. Stimmt, er hatte vor Monaten mal etwas in die Richtung erwähnt, ich hatte es nur verpeilt. „Achso, stimmt, da war ja was..." Youngjun schnaubte belustigt.

Youngjun rückte etwas näher an den Desktop. „So, jetzt erzähl mal: Wie läuft es bei dir?" Ich pustete kurz aus. Wo sollte ich anfangen? 

„Ich habe die letzte Prüfung und nun auch meine Thesis bestanden!" Stolz lächelte er. „Wirklich? Glückwunsch!" „Danke...ähm, das bringt mich auch schon zu einer Frage, die ich dir stellen wollte...", fuhr ich rasch fort und schon hoben sich fragend seine Augenbrauen, während er sein Kinn auf seine linke Hand stützte. „Ja?", fragte er dann ermutigend. Ich biss mir kurz auf die Unterlippe. „In ein paar Wochen findet die Abschlussfeier statt und ich wollte fragen, ob es deine Zeit zulässt, zusammen mit mir und meinen Freunden zu feiern?" „In ein paar Wochen?", hakte er nach und ich nickte. „Genauer gesagt am 27.03." Gequält verzog er sein Gesicht. „Ich glaube, wir drehen um diese Zeit das Musikvideo für unseren nächsten Song"

Richtig... beinahe hatte ich vergessen, dass E4U versuchten, durchzustarten. Seit It hurts stiegen die Aufrufzahlen auf YoutTube - zwar langsam, aber stetig. Ich überlegte, wie lange es noch dauern würde, dass sie ohne Bodyguard vor die Tür gehen konnten. „Ich werde es versuchen, okay?", sprach er und blickte bedauernd in die Kamera. „Ich verspreche dir, dass ich versuchen werde, da zu sein" Ich lächelte dankbar. „Ok"

Dann richtete ich mich ein wenig in meinem Stuhl auf. „So, und du bist also der Leader von E4U, ja?" Zerknirscht lächelte er. „Najaaa...ich... ja, bin ich." Er kratzte sich kurz am Hinterkopf. Mich ließ das kalt. „Warum hast du mir das nicht erzählt?" „Ich wusste nicht, dass das eine Rolle für dich spielt", entgegnete er und verschränkte die Arme vor seiner starken Brust. „Tut es auch nicht. Ich war vorhin nur überrascht, es von deinen Kollegen mitzubekommen", antwortete ich daraufhin. Er nickte wissend. Dann herrschte kurze Stille zwischen uns.

„Mal was anderes: Hast du schon etwas Neues wegen der Anzeige gehört mittlerweile?", fragte er dann schließlich. Ich blies die Wangen kurz auf. „Der Prozess zieht sich wie Kaugummi. Mein letzter Stand ist, dass sie nun Zeugenaussagen sammeln, bevor das Beweismaterial an die Staatsanwaltschaft übergeben wird. Ich kenne mich leider nicht gut genug aus, um zu wissen, wie lange es noch dauern wird, bis ich hier Gewissheit habe"

Wir redeten noch bis in die späteren Abendstunden über Gott und die Welt. Dann verabschiedeten wir uns und ich klappte den Laptop zu. Müde trat ich aus meinem Zimmer und lief ins Bad. „Und?", fragte Kim plötzlich hinter mir, als ich gerade im Türrahmen stand. Mein Herz setzte einen Moment lang aus. „Kannst du bitte aufhören, mich immer so zu erschrecken?" „Was kann ich dafür, wenn du so schreckhaft bist?", verteidigte sie sich und ich sah sie mahnend an. Sie lachte kurz. „Also was ist? Wird er kommen?", fragte sie dann und ich legte – wieder einmal auf der Leitung stehend– den Kopf zur Seite. Sie verdrehte die Augen. „Youngjun...unsere Abschlussparty?" In meinem Kopf schaltete sich endlich die Glühbirne ein.„Achso, ja... das heißt jein. Er versucht es, aber wahrscheinlich wird er beim Videodreh sein" Kim lächelte still. „Was?" „Ach nichts...", winkte sie ab und wandte sich um. „Schlaf gut, Ny" „Du auch", erwiderte ich und sah ihr einen Moment verdutzt nach. Dann griff ich zu meiner Zahnbürste und während ich mich im Badbettfertig machte, wurde mir plötzlich erst richtig bewusst, dass ich in ein paar Wochen doch tatsächlich meinen offiziellen Abschluss erhalten würde...


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