Kapitel 17

Gesättigt vom Fondue, das wir uns genehmigt hatten, saßen wir auf der Couch und sahen uns Ein ganzes halbes Jahr an. Youngjun saß entspannt zurückgelehnt da, ein Bein runterhängend, das andere auf dem Polster aufgestellt. Sein rechter Arm lag locker neben ihm, der linke ruhte in meine Richtung oben auf der Lehne. Ich hatte mich gemütlich in meine Ecke gekuschelt – beide Beine zu einem Schneidersitz zusammengelegt und den Kopf auf dem rechten Arm abgestützt. Wir waren gerade bei der Szene, in der Lou Will den Vorwurf machte, es nicht einmal zu versuchen weiterzuleben anstelle in die Schweiz zu fahren und dort sein Leben zu beenden.

Ein paar Tränen kullerten über meine Wangen und ich seufzte schwer. „Das ist so unfair!", beschwerte ich mich und warf einen Blick rüber zu Youngjun. Er sah abwartend zurück. Wie ein trotziges Kind wischte ich schnell die salzigen Tropfen weg und wandte mich ihm zu. „Alles nur, weil er gelähmt ist. Weil manche Menschen im Straßenverkehr einfach nicht aufpassen" Jetzt drehte sich Youngjun komplett zu mir um. „Aber, dass er es nicht noch einmal versuchen kann mir ihr... ihr zu Liebe...", ich ließ den Satz einfach in der Luft hängen und schnüffte noch einmal. Ruhig blickte Youngjun einen Moment auf die kleine Lücke auf dem Sofa zwischen uns. „Ich kann beide Seiten verstehen", murmelte er leise. Fragend sah ich ihn an. Er schwieg noch einen kleinen Moment. Dann setzte er wieder an und ich lauschte gebannt seiner ruhigen, dunklen Stimme. „Ich verstehe sie, weil für sie das Leben mit ihm eigentlich erst so richtig angefangen hat..." Er warf einen kurzen Blick zum Fernseher. „Und ich verstehe ihn..." Abwartend sah ich ihn an, weil ich nicht wusste, worauf er hinauswollte. „Jemanden zu lieben, jedoch nicht in der Lage zu sein, diesen Jemand in die Arme zu nehmen, mit ihm Dinge erleben...gewisse..." Er räusperte sich „...Sachen anzustellen..." Sein Blick heftete sich auf meine Augen. „...diesen Jemand im Notfall verteidigen und beschützen zu können, nicht die Initiative in bestimmten Momenten ergreifen können...das würde mich auch fertig machen. Wenn ich meinen Körper nicht mehr gebrauchen könnte...wozu sollte ich dann noch leben? Um anderen zur Last zu fallen? Bestimmt nicht." Obwohl mich seine letzten Sätze erschütterten und schockierten, konnte ich es dennoch nachvollziehen.

Nach kurzem Zögern krabbelte ich zu ihm und lehnte mich an ihn. Sein Arm, der auf der Lehne geruht hatte, legte sich schützend um mich. „Nayla...?", begann er und ich blickte zu ihm auf. Seine Züge waren weich und entspannt, dennoch glomm in seinem Blick die Vorsicht. „Ja?", fragte ich. Er sah mir weiter in die Augen und wartete noch einen Moment. „Vielleicht ist das ein unpassender Zeitpunkt..." Er stockte kurz. „... aber mittlerweile gehst du mich was an..." Mein Herz hüpfte. „...und ich denke...", sprach er vorsichtig weiter. „... nachdem, was gestern passiert ist..." Ich ahnte, worauf er hinauswollte. „...ich denke, es wäre gut, wenn du ihn anzeigen würdest" Ich atmete seufzend aus – ich wusste, er hatte recht. Caleb war mir mittlerweile unzählige Male nachgestellt. Gestern hatte er alles vorherige in den Schatten gestellt und es war ein Wunder, dass nicht noch Schlimmeres passiert war...

Prüfend sah ich Youngjun in die Augen. Er machte sich wirklich Sorgen um mich. Ich schluckte einmal und atmete noch einmal tief durch, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. Sacht streichelte Youngjun's Hand meine Schulter, während er meinem Blick standhielt. „Ja", brachte ich schließlich heraus. „Du hast recht... Wer weiß, wozu er künftig sonst noch fähig sein wird..." Mir schauderte es bei dem Gedanken. „Danke", sprach er nach einem Moment der Stille und fragend hob ich die Augenbrauen. „Wofür?" Behutsam zog er mich noch ein wenig näher zu sich heran. Mein Gesicht legte sich auf seine Brust, durch die ich seinen Herzschlag spürte. Seine Hand legte sich an meinen Kopf und drückte ihn sanft gegen sich. In meinem Bauch flatterten die Schmetterlinge. „Dafür, dass ich mir weniger Sorgen um dich machen muss, wenn ich wieder zuhause bin" Ich legte nun auch meine Hand an seine Brust und sah wieder zu ihm auf. Langsam neigten sich unsere Köpfe einander zu. Ich weiß noch, wie ich mich fragte, ob ich jemals so intensive Vertraut- und Verbundenheit für jemanden empfunden hatte und ob dieses wohlige Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit auch in Zukunft weiter anhalten würde, als Youngjun seinen Kopf ein wenig zu mir neigte und ich mich ihm leicht entgegenstreckte, um die letzten Zentimeter zu überbrücken.

Das Gefühl, als seine weichen warmen Lippen auf meine trafen, verursachte bei mir Gänsehaut und ein Feuerwerk an Gefühlen gleichermaßen. Youngjun zu küssen war besser, als ich es mir hätte ausmalen können. So zärtlich, so warm, so weich war alles an dieser erstmaligen Berührung unserer Lippen, dass mir augenblicklich der Kopf zu schwirren begann. Die Luft zwischen uns knisterte wie Wunderkerzen. Meine Hand streichelte zaghaft über seine Wange und fuhr in sein Haar – es war weich und voll. Youngjun seufzte in den Kuss und die tiefe Stimme ließ es bei mir zwischen den Schenkeln kribbeln. Seine Hand streifte meinen Unterarm und fuhr ihn langsam zum Oberarm hinauf, wo sie schließlich an meiner Schulter zum Liegen kam. Die Welt um uns herum verschwand aus meinem Fokus. Es gab nur noch ihn, mich, uns. Behutsam schob ich mein Bein über seines, um noch ein wenig näher bei ihm zu sein. Wir rutschten an der Lehne langsam runter, bis Youngjun auf dem Rücken und ich an seine Seite geschmiegt dalagen. Er richtete sich nur etwas auf, um sich mir besser zudrehen zu können. Dann glitt seine Hand von meiner Schulter zu meiner Taille, ließ an dieser Stelle die Haut kribbeln und blieb dort liegen, als wir uns ein weiteres Mal innig küssten.

Als es draußen plötzlich knallte und bunte Farben vor dem Fenster am Nachthimmel explodierten, lösten wir den Kuss und blickten von der Couch aus nach draußen. Lächelnd wand sich Youngjun wieder zu mir um. „Frohes neues Jahr", raunte er und lächelte mich mit seinem Grübchen-Lächeln an. „Frohes Neues, Youngjun...",wisperte ich zurück. Seine Augen funkelten, als er zu mir hinabblickte. Dann hauchte er mir zu: „Jetzt wünsch dir was"


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top