Kapitel 16

Nur ein paar Sekunden später war Youngjun bei mir und schob sich schützend vor mich. Sein Blick galt Caleb. „Fass sie noch einmal an...", drohte er rau und seine tiefe Stimme bebte bedrohlich vor zurückgehaltenem Zorn. „... noch einmal... und ich breche dir jeden Finger einzeln" Überrascht und mit vor Angst geweiteten Augen, taumelte Caleb ungeschickt ein paar Schritte rückwärts. „S-sie wo-wo-wollte es...", stotterte er, stolperte und landete auf seinem Hintern. „Sie hat nein gesagt...", fuhr Youngjun dazwischen – immer noch in diesem Tonfall. Er wirkte sehr einschüchternd. „Was an dem Wort nein hast du nicht verstanden?!" 

Caleb griff sein Handy, rappelte sich auf und klopfte sich den Po ab. „N-n-na gut okay. E-e-entschuldige Nayla. H-hier, ich lösche das Foto, ja? B-bitte nicht böse sein" 

„Ich will sehen, wie du es löscht", sprach ich, plötzlich ganz ruhig, obwohl bereits Sterne am Rande meines Sichtfeldes tanzten. Langsam trat ich einen Schritt an Youngjun vorbei, der sich sofort hinter mich stellte – nur für den Fall der Fälle. Mit zitternder Hand löschte Caleb das Foto. „D-da, siehst du? Alles weg...", sein ganzer Körper zitterte vor Angst. Ich nickte und machte wieder einen Schritt zurück.

Sofort baute Youngjun sich wieder schützend wie eine Mauer vor mir auf. „Ich glaube, du solltest jetzt nach Hause gehen...", sprach er tonlos zu Caleb. Dieser ließ sich das nicht zweimal sagen. Prompt drehte er sich um und lief stolpernd davon. Nachdem er um die Ecke in den Park verschwunden war, drehte Youngjun sich mit besorgter Mine zu mir herum. „Geht es dir gut, Nayla?" Benommen sah ich ihn an. Ich spürte, wie ich zu schwanken begann. „Mhm...", murmelte ich und kämpfte gegen die Sterne vor meinen Augen an. „Nayla, was ist los?", drang seine Stimme plötzlich von weit her zur mir rüber. „Bitte rede mit mir" Seine Stimme hallte, als würden wir in einer riesigen Kathedrale stehen – 15 Meter voneinander entfernt. Ich spürte nur noch, wie mich das letzte bisschen Kraft verließ und ich schließlich in mich, wie eine leblose Puppe, zusammensackte. „Nayla!" Die Dunkelheit verschluckte mich.


Als ich wieder zu mir kam, war es warm um mich herum. Jemand hielt mir einen Kühlbeutel an meine Handgelenke und hatte meine Beine hochgelagert. Noch hatte ich nicht wieder die Kraft, mich zu bewegen, doch ich begann damit zu kämpfen, meine Augen im ersten Schritt zu öffnen. Meine Lider zuckten schwerfällig. „Nayla?" Das war Youngjun. „Mmmhh", war alles, was ich herausbrachte, bevor sich meine Augenlider widerwillig öffneten.

Ich fand mich im Wohnzimmer wieder. Da sonst nichts weiter an meinem Körper wehtat, ging ich davon aus, dass Youngjun mich noch aufgefangen haben musste, bevor ich auf den harten, mit Schotter ausgestreuten Gehweg aufgeschlagen war. Youngjun saß vor der Couch. An der Wanduhr über dem Fernseher hinter ihm erkannte ich, dass es kurz nach Mitternacht war. Sacht streichelte Youngjun mir über den Kopf. „Hey...", sprach er und meine Augen suchten seine. „Du kannst ganz schön angsteinflößend sein, wenn du willst...", waren die ersten Worte, die gemurmelt über meine Lippen kamen. Ein erleichtertes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht und er ließ den Kopf kurz auf das Polster sinken. Als er wieder hochkam schmunzelte er leicht und nahm eine meiner Hände in seine. „Und du kannst einen ganz schön erschrecken, wenn du plötzlich einfach so nichtssagend ohnmächtig wirst" Matt lächelte ich.

Bald darauf schaffte ich es, mich aufzusetzen. Da es schon spät und sowohl Youngjun als auch ich ziemlich müde waren, beschlossen wir, uns bettfertig zu machen. Ich zog Youngjun die Couch im Wohnzimmer aus und bezog sein Bettzeug, während er unter der Dusche stand. Als er in einem blauen weiten T-Shirt mit V-Ausschnitt und langen Boxershorts das Wohnzimmer betrat, brachte er mich aus dem Konzept und kurz zum Stocken. Bevor ich mich an ihm feststarren konnte, legte ich mir schnell die Kette, die er mir geschenkt hatte, um den Hals, wünschte ihm eine gute Nacht und umarmte ihn noch einmal kurz. „Ich bin so froh, dass du hier bist", hatte ich in den Stoff seines T-Shirts gemurmelt und die Wärme, die von ihm ausging in mich aufgenommen. Er hatte die Umarmung erwidert und mich ein wenig enger an sich gedrückt. Unter seinem Shirt spürte ich die Konturen und Muskeln seines Körpers und ich musste mich zusammenreißen, um nicht mit meinen Fingern unter den dünnen Stoff zu gleiten und an seinem Bauch hinaufzufahren. Stattdessen lief ich, nachdem wir uns erneut gute Nacht gewünscht hatten, in mein Zimmer, legte mich ins Bett und schlief mit klopfendem Herzen und Gedanken an Youngjun im Nebenzimmer ein.


Als ich am Morgen erwachte, trafen goldene Sonnenstrahlen auf mein Gesicht und blendeten mich. Ich gähnte und streckte mich ausgiebig. Dann fluteten die Erinnerungen an gestern auf mich ein und augenblicklich saß ich im Bett aufrecht. Ein Blick zur Spiegeltür verriet mir, dass meine Haare ein einziges verknotetes Nest waren, das bitte schnell wieder in Ordnung gebracht werden wollte. Ich stand in meinem weiten weißen Schlafshirt auf und tappte zur Zimmertür, die ich gestern noch sicherheitshalber geschlossen hatte. Vorsichtig öffnete ich sie und spähte den Flur hinunter. Alles still. Mein Herz klopfte, als wollte es einen Marathon laufen. Auf Zehenspitzen schlich ich den Flur hinunter zum Wohnzimmer und stellte fest, dass meine Erinnerungen mich nicht betrogen hatten.

Youngjun schlief in Rückenlage auf der Couch – die Decke halb runter gestrampelt, als wäre ihm im Schlaf zu warm geworden. Sein linker Arm lag über seinem Kopf und die rechte Hand lag am Übergang vom Hosenbund zu der entblößten nackten Haut, wo sein T-Shirt etwas hochgerutscht war. Fasziniert schlich ich mich noch ein Stück weiter an und griff zum Rand seines T-Shirts, um es wieder runterzuziehen. Dabei bemerkte ich seine Bauchmuskeln, die, obwohl sie entspannt waren, sich mit leichten Konturen unter der makellosen Haut abzeichneten. Als mein Blick weiter über diesen anziehenden schlafenden Mann glitt, bemerkte ich plötzlich außerdem, eine beträchtliche Beule in seiner Hose. Plötzlich war mir heiß. Ich biss mir auf die Lippen und zog schnell den Stoff des Shirts wieder runter. Jetzt brauchte ich eine kalte Dusche...dringend!


Nachdem ich mich in alter Gewohnheit in meinem Zimmer entkleidet und den hauchdünnen Morgenmantel angelegt hatte, tappte ich hinüber ins Bad und schloss mich ein. Ich drehte die Brause auf und ließ das Wasser erst warm – zum Einschäumen – über mich fließen und drehte dann auf Kalt zum Abbrausen. Ich quietschte kurz auf, als das Wasser wie Eis über meinen Körper lief. Doch es half, mich von meinen Gedanken an einen gewissen sexy schlafenden Youngjun in meinem fucking Wohnzimmer abzulenken. Nachdem ich das Wasser abgestellt hatte, trocknete ich mich grob mit dem Handtuch, das über dem Heizkörper hing, ab, schlang mir wieder den dünnen Stoff meines Morgenmantels über und kämmte meine Haare mit einem breiten Kamm durch. Dann trug ich noch ein wenig Feuchtigkeitscreme im Gesicht auf, verrieb es und schloss den Spiegelschrank über dem Waschbecken wieder. Jetzt schnell zurück ins Zimmer!

Ich drückte leise die Klinke der Tür herunter und öffnete sie langsam. Dann trat ich rasch hinaus auf den Flur, bog um die Ecke und prallte prompt gegen Youngjun. „Upsi!", entfuhr es mir und meine Wangen begannen rot zu glühen, als ich mich beeilte, meinen Morgenmantel um meine Oberweite rum wieder zu richten. Denn wenn dieser seidenweiche Stoff einen Nachteil hatte, dann den, dass er schnell verrutschte. Verdammt! Ein Lachen unterdrückend und wie ein Gentleman zur Seite schauend sprach Youngjun: „Ich wollte gerade an deine Tür klopfen" Ich glaubte ihm, denn er stand wirklich vor meiner Zimmertür. „Tja... da bin ich...tadaa", trällerte ich und versuchte damit meine Verlegenheit zu überspielen. Er gluckste kurz. Dann richteten sich seine verschmitzt glänzenden Augen wieder auf mein Gesicht. „Hast du gut geschlafen?" Nachdem ich noch für einen kleinen Moment verlegen auf meine Füße geschaut hatte, hob ich jetzt den Blick, nickte und strahlte ihn an. „Jap! Wunderbar. Und du?" „Auch", entgegnete er, atmete einmal scharf ein und sah dann zur Decke. Mit einem Kopfnicken in Richtung Küche fragte ich: „Wollen wir frühstücken?" Er schnaubte lachend auf – sein Blick blieb weiterhin an die Decke geheftet. „Sehr gerne, aber ich glaube, du solltest dir erst einmal etwas Blickdichteres anziehen...das heißt, wenn du möchtest... für mich könntest du... auch so bleiben", neckte er dann. Ich sah an mir herunter und sah, wie meine Brustwarzen spitz unter dem dünnen Stoff hervorstanden. „Oh Gott!", entfuhr es mir und mit tomatenrotem Kopf beeilte ich mich an ihm vorbei in mein Zimmer zu gehen und die Tür hinter mir zu zumachen. Draußen lachte Youngjun amüsiert mit tiefer Stimme – ein Geräusch, dass mir einen angenehmen Schauer durch den Körper jagte.

Nachdem wir gefrühstückt hatten, machten wir einen Spaziergang durch den verschneiten Park und liefen von dort aus in Richtung Bezirksmitte mit seinen vielen Geschäften, die Feuerwerkskörper anboten. Wir kauften uns ein paar bengalische Lichter und Wunderkerzen. Als wir am Nachmittag wieder nach Hause kamen und alles abgeladen hatten, zeigte ich ihm dann nochmal in aller Ruhe mein Zimmer. Es fühlte sich zwar irgendwie merkwürdig an, Youngjun einen solchen Einblick in meine Privatsphäre zu gewähren, doch ich wiederholte immer wieder im Geiste, dass es in Ordnung war. Wir blieben bei meinen Zeichnungen hängen. Widerwillig hatte ich ihm meine mittlerweile vollendete Zeichnung von ihm gezeigt. Sie gefiel ihm immer noch so sehr vom Stil her, wie am Anfang, als einem damals nur Augen, Nase, Wangenknochen und Lippen vom Blatt entgegengeblickt hatten. Neugierig inspizierte er dann weiter meine Buchsammlung, wobei ihm Ein ganzes halbes Jahr von Jojo Moyes in die Hände rutschte. „Das habe ich auch gelesen...", hatte er gedankenverloren kommentiert und in sich hineingelächelt. Daraufhin schlug ich vor, uns heute Abend die Verfilmung des Buchs anzusehen. Er stimmte zu.


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