3•
Auf dem Nachhauseweg überlegte ich mir fieberhaft einen Plan für Sam. Sie wollte ihrem Ex zeigen, was er verpasste.Wenigstens war diese Aufgabe relativ leicht. Es war schwerer,eine Kundin davon zu überzeugen, dass sie ihren Ex loslassen musste, als ihr klar zumachen, dass sie etwas Besseres verdient hatte.Ich wollte gerade die Haustür öffnen, als mich ein drängendes Klingeln meines Handys daran hinderte. Ich warf einen schnellen Blick auf den Bildschirm und beeilte mich dann, in die Wohnung zu kommen. Es hatte bereits angefangen zu regnen, und da ich kein Regenschirmmensch war,klebten meine Haare inklusive meiner Kleider an mir wie ein Tintenfisch an seiner Beute.Die Nachrichten waren von Sam. Sie schickte mir einen Daumen nach oben und etliche Bilder, wie sie ein paar wenige Dinge in einen Karton gepackt hatte.Ich schickte ihr einen Daumen zurück.»Lowa!«, erklang die Stimme meiner Mutter aus der Küche.Seufzend beeilte ich mich, meine Schuhe auszuziehen, und ging zu ihr.»Liebes, bitte geh zu Frau Seidler und hol mir noch zwei Eier!«Ich streckte den Kopf in die Küche. Meine Mutter hatte sich das lange schwarze Haar hoch gebunden und trug eine rote Schürze mit der Aufschrift Ma backt am besten.Zu gerne hätte ich diesen Schriftzug mit einigen Buchstaben erweitert wie Sollte sie aber nicht oder ... während die Küche brennt.Das war etwas Weiteres, das typisch für meine Mutter war.Sie liebte es zu kochen. Rezepte aus aller Welt, meist passend zu der Deko. In der Zeit, als das Badezimmer noch grasgrün strahlte, gab es grüne Teigwaren und grüne Kuchen.»Haben wir keine mehr?«, fragte ich zögerlich und öffnete den Kühlschrank. Gähnende Leere kam mir entgegen.»Nein, sei bitte so lieb.«Ich nickte und verließ eilig die Küche, ehe ihr noch weitere Dinge in den Sinn kamen.Der Regen wurde immer stärker. Wenigstens war ich bereits nass. Frau Seidler wohnte direkt neben uns. Sie lebte mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in demselben Hausmodell wie wir. Jedoch hing bei ihnen niemals an Halloween ein toter Mann vor dem Fenster.Ich erreichte das Haus, noch bevor ich endgültig als lebender Schwamm durchging. Zaghaft klopfte ich gegen die schwere Tür und wartete einen Moment.Als nach dem fünften Klopfen immer noch niemand öffnete,gab ich es auf. Ich lief wieder zurück zur Straße und wählte dann den Weg nach rechts. Wenn ich meiner Mutter diese beiden Eier nicht bringen würde, würde sie irgendeinen Ersatz dafür finden, womöglich Bananen oder Äpfel, was ihr halt in den Sinn kam.Ich musste ein kleines Stück die Straße entlanglaufen, ehe ein neues Haus in Sicht kam. Es war ein wenig kleiner als unseres,hatte hellgelbe Wände und einen Garten. Ein riesiger Baum stand genau in der Mitte des Anwesens und versperrte mir jegliche weitere Sicht.Ich huschte über das schmale Tor und verschaffte mir so Zutritt zu der grünen Fläche. Ich war ein sehr neugieriger Mensch. Hinter dem Baum ging es ein wenig bergab. Dort begann wieder ein kleiner Weg, der direkt zu einer Garage führte. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich auch einfach außen herumlaufen hätte können. Meine Schuhe waren nun auch nass und dreckig, dank der aufgeweichten Erde und dem vom Regennassen Gras.Aus der Garage erklang ein ziemlicher Lärm. Neugierig lief ich näher. Der Regen war mir nun egal, genau wie die Tatsache,dass meine neuen Converse so ziemlich durchgeweicht waren.Das Tor war geöffnet. Ganz leise schlich ich mich hinein.Die Garage entpuppte sich als ein großer Arbeitsraum. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals hoch. Es standen einige Autos in der Garage. Keines war noch ganz. Bei einem fehlten die beiden Türen, und das nächste war aufgebockt und ohne jegliche Reifen. Abgesehen davon galt meine Aufmerksamkeit dem Typ,der sich über den Motorraum des ersten Autos beugte. Ich sah nicht viel, außer einem gut aussehenden Körper, ein paar ölverschmierten blauen Hosen und einem schwarzen Oberteil.»Verzeihung«, sagte ich und klopfte an das Garagentor.Anscheinend hatte der Typ nicht bemerkt, dass er nicht mehr alleine war. Er zuckte erschrocken zusammen und ließ irgendetwas fallen. Fluchend tauchte sein Kopf auf. Er war etwa in meinem Alter, hatte blondes Haar, welches ein wenig länger war, und irgendwie kalte graue Augen. Er klopfte sich die Hände an den dreckigen Hosen ab und sah mich misstrauisch an.»Was willst du?«, fragte er etwas zögerlich. Er schien nicht wirklich erfreut darüber zu sein, mich hier zu sehen.»Ich wollte nur Hallo sagen«, behauptete ich und stellte mich direkt vor ihn hin.»Du reparierst Autos?« Ich deutete auf die vielen Autos in der Garage. Er musterte mich von oben bis unten, ehe er sich das blonde Haar aus der Stirn strich. Er gab mir keine Antwort darauf, sondern widmete sich wieder dem Auto.Ich kniff meine Augen zusammen und stieß ein leises Seufzen aus.»Ich repariere auch«, sagte ich nach einer Weile.»Ach und was?«, fragte er spöttisch und drehte sich wiederzu mir um. Seine Augen blickten mich abschätzig an. Für einen kurzen Moment hielt ich den Atem an.»Kaputte Herzen.«Mehr als ein spöttisches Lächeln erhielt ich dafür nicht.»Aber sicher doch«, murmelte er und wandte sich erneut von mir ab.Wahrscheinlich dachte er, ich wäre eines dieser kleinen Mädchen, das sich schnell wieder aus dem Staub machen würde, sobald man ihm keine Aufmerksamkeit schenkte.Er öffnete die linke Vordertür des Wagens und beugte sich hinein.»Ich bin auf der Suche nach zwei Eiern.«Überrascht schlug er sich den Kopf am Dach des Wagens an. »Bitte was?«, fragte er und blickte mich verwirrt an.»Zwei Eier zum Backen. Keine Sorge, ich will dir nichts abnehmen«,sagte ich schnell und drehte mich dann zu einem der anderen Autos in der Hoffnung, mein Gesicht würde nicht allzu rot anlaufen.»Lässt du mich dann in Ruhe?«, fragte er zögerlich. »Ich sehe keinen Grund, noch länger hierzubleiben«, gab ich zur Antwort und schenkte ihm denselben kalten Blick, welchen er mir noch vor wenigen Minuten zugeworfen hatte.»Das ist interessant«, meinte er nur und kam einen Schritt näher. »Was?«, fragte ich und versuchte seinem Blick standzuhalten. Wir lieferten uns ein regelrechtes Blickduell. Am Ende gewann ich, und er wendete seine Augen ab.»Vergiss es.«Seufzend klopfte er sich erneut die Hände an den Hosen ab und drängte sich dann an mir vorbei.»Mein Name ist übrigens Lowa«, rief ich hinterher.»Jasper Raven«, gab er zur Antwort, ehe er im Regen verschwand.Jasper Raven? Na toll!Das war der Moment, in dem ich einfach wie eine Irre aus der Garage hinaus- und durch den strömenden Regen rannte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top