Chapter Twenty One
Unsicher betrat ich meine High School und lief zu meinem Spind. Es hatte vor wenigen Minuten geklingelt und die meisten Schülerinnen und Schüler waren schon in ihren Klassenräumen. Die Tatsache, dass ich nun Sport hatte, machte es mir leichter unbemerkt zu spät zu kommen. Ich nahm meine Sportsachen aus dem Spind und stopfte meinen Rucksack hinein, bevor ich mich auf den Weg zu den Umkleidekabinen machte.
„Du kommst zu spät." Ein Arm legte sich um mich und zog mich näher zu sich heran. Ein Grinsen legte sich auf meine Lippen, als ich mit hochgezogener Augenbraue zu Toby sah.
„Allen Anschein nach bin ich nicht die Einzige."
Kurz vor den Umkleidekabinen, löste sich Toby von mir und grinste mich an, als er die rechte Tür ansteuerte. „Oh, wie ich dich liebe, Lola." Die Ironie und seine übertriebenen Bewegungen, brachten mich zum Lachen. Auch ich öffnete die Tür zu der Mädchenkabine. Mein Lachen verstummte und endete in einem Hustenanfall, als ich durch die einzelnen schmalen Gänge lief. Unmengen an Parfum, Deo und Bodyspray und was wusste ich noch alles, vernebelten mir die Sicht und erschwerten mir die Atmung.
Ich setzte mich zu zwei anderen Mädchen aus meinem Kurs, mit denen ich mich relativ gut verstand und begrüßte sie kurz.
„Geht es dir besser?", fragte Amber. Sie band gerade ihre schwarzen Haare zu einem hohen Zopf und sah durch einen kleinen Spiegel in meine Richtung.
„Ja, soweit kann ich mich nicht beschweren." Ich stand auf und wechselte mein Shirt und die Hose, bevor ich mich aufrichtete. „Gott, dass stinkt hier widerlich..."
Sophie, ein etwas kleineres Mädchen, schloss ihren Spind und lachte.
„Honey." Dann verdrehte sie ihre Augen und band sich die Schnürsenkel. Honey war mir immer noch suspekt. Ich wollte sie wirklich verstehen und nicht in einer dieser klischeehaften Kategorien einordnen, aber sie machte es mir nicht leicht.
Auf den Fluren flirtete sie um die Wette und nicht nur einmal hatte ich sie auf irgendeinem Schoß sitzen sehen. Aber es konnte mir auch eigentlich egal sein. Ich hatte mit ihr nichts zu tun und es lag auch nicht in meinen Absichten, mit ihr zu reden. Mir reichten ihre Blicke, die mich töten wollten. Seufzend folgte ich den beiden Mädels in die Sporthalle. Sie war riesig. Und dennoch nicht unsere einzige. Es gab zwei weitere für die Basketballspieler und für die Wettbewerb-Kämpfer.
Ich liebte den Sportunterricht. Solange wir mit Bällen spielten und keine Runden laufen mussten. Doch unser Lehrer sah es anders und so begannen wir mit einem Rundlauf. Mir wurde schlecht und ich biss die Zähne zusammen, um die restlichen Minuten hinter mich zu bringen, als er schließlich laut pfiff und wir uns um ihn versammelten. Ich stellte mich neben Toby, der immer noch leicht auf und ab hüpfte und gespannt zu unserem Lehrer starrte. Ich hingegen stemmte mich auf meine Oberschenkel und versuchte meine Atmung zurückzuerlangen.
„Du bist verdammt unsportlich, Cane." Toby sah zu mir herunter und grinste. Böse schaute ich zurück und versuchte mich etwas aufzurichten.
„Halt die Klappe."
„Toby und Nick, ihr wählt." Toby zwinkerte mir zu, bevor er an die Seite unseres Lehrers joggte und sich mit Nick duellierte, wer beginnen würde.
Es wunderte mich nicht, dass ich nicht gewählt wurde. Zumindest niemand der Ersten war. Das nahm ich weder Nick noch Toby böse. Dennoch stöhnte ich erleichtert auf, als Toby mich in sein Team nahm.
„Du bist der Beste!" Euphorisch stellte ich mich aufrecht neben ihn und sah, wie er zu grinsen begann. „Enttäusch mich nicht." Er tätschelte meinen Kopf und fokussierte sich wieder auf die letzten Schüler und Schülerinnen.
„Was spielen wir eigentlich?", hakte ich leise nach und runzelte die Stirn.
Toby stöhnte auf. Ich hatte ihn bereits vor Spielbeginn enttäuscht. „Fußball."
Dann stöhnte ich auf. Denn der Lehrer hatte mich maßlos enttäuscht.
In Ballspielen, wo es um Fangen und Werfen ging, war ich wirklich super. Aber einem Ball hinterherzurennen, lag nicht in meinem Bemessen.
„Honey", sagte Toby plötzlich und erst irritiert, dann fassungslos starrte ich zu ihm rauf.
„Wieso?" Dann sah ich auf die übrig gebliebenen Schülerinnen und Schüler. Es gab keine weiteren. Das würde ein Spaß werden.
Der Anpfiff ertönte und gleichzeitig rannten beide Teams auf dem Ball zu. Unsicher drängte ich mich dazwischen, um mich einzubringen. Es war schwerer als gedacht, einem kleinen Ball hinterherzurennen. Ich biss mir auf die Lippe, als ich dem Ball näherkam und gab mein Bestes, etwas schneller zu rennen, als ich über etwas hinwegstolperte und mit meinem Knie auf dem Hallenboden aufprallte.
Ich schaute auf, um zu wissen, über was ich gestolpert war, als sich eine lachende Honey vor mich aufstellte. „Spinnst du?"
Wütend starrte ich sie an und sah dann auf mein geschwollenes Knie, welches ungesund rötlich war. Vorsichtig fuhr ich mit meinen Fingern über die Haut und zischte, als sich ein Schmerz durch mein Bein zog.
„Ich habe dir jetzt schon zwei Chancen gegeben, dich von Kyle fernzuhalten." Sie blickte auf ihre Fingernägel. „Das war Nummer drei."
Immer noch wutentbrannt wollte ich aufstehen und Honey zur Rede stellen, die unbeteiligt im Raum stand, als mein Lehrer sich zu mir herunterbeugte. „Kannst du das Knie bewegen?" Der Versuch scheiterte unter Schmerz und mühselig unterdrückte ich meine Tränen. Wenn es um körperliche Schmerzen - ließ man die psychischen außen vor - ging, war ich ein kleines Kind. Sobald mich jemand fragte, ob es wehtat oder ob es mir gutging, fing ich an zu weinen. Doch das würde ich Honey nicht im Geringsten gönnen. „Amber bringt dich zu der Krankenschwester. Du bist des Weiteren vom Unterricht entlassen."
Er stand auf und wandte sich mit einem strengen Blick an Honey. „Ab auf die Bank."
Toby und Amber halfen mir auf. Vor Schmerz kniff ich die Augen zusammen und bedankte mich, bevor ich mit Amber in der Umkleidekabine verschwand, um meine Tasche zu holen.
„Dieses Biest. Ich hoffe Mr. Rodriguez lässt sie Runden laufen, bis sie umfällt."
Amber hing sich die Tasche um und stützte mich, als wir langsam durch die leeren Gänge humpelten. Ich humpelte zumindest.
„Das kommt davon, wenn man sich in Kyle verliebt", nuschelte ich so leise vor mich hin, dass Amber es nicht verstand und konzentrierte mich auf jeden Schritt.
Im Krankenzimmer sah sich eine junge Frau mein Knie an. Sie desinfizierte die Stelle, an der meine Haut aufgerissen war, und klebte ein kleines Pflaster drauf.
„Es ist halb so schlimm. Deine Kniescheibe ist noch dort, wo sie sein sollte."
Erschrocken riss ich die Augen auf. Ich hatte nicht daran gedacht, dass sie hätte verrutschen können. Umso erleichterte war ich, als sie weitersprach. „Es ist stark angeschwollen. Heute wird es nichts mehr mit dem Spazierengehen."
Sie drückte mir ein Glas Wasser und eine kleine Schmerztablette in die Hand.
„Ich stelle dir ein Entlassungsschreiben aus. Sobald du Zuhause bist, kühl das Knie. Am besten über den gesamten Tag hinweg." Sie rollte auf dem Hocker zu einem breiten, weißen Holztisch, der an der Wand lehnte und kritzelte etwas auf ein kleines Papier. Dann wandte sie sich mit einem Lächeln zu mir.
„Kann dich wer abholen?"
Der Schmerz in meinem Knie war vergessen, als ich an meine Eltern dachte. Ich wusste schon gar nicht mehr, wann ich sie das letzte Mal gesehen hatte.
„Nein", flüsterte ich trocken. „Meine Eltern sind arbeiten."
„Kyle", schnipste plötzlich Amber neben uns. Ein schlechtes Gewissen breitete sich in mir aus. Ich hatte sie völlig vergessen. „Kyle wohnt doch in deiner Nähe." Es musste sich herumgesprochen haben, dass wir Nachbarn waren. Vielleicht war das ein weiterer Grund für Honeys Nummer drei.
„Gut." Ohne auf meine Antwort zu warten, lächelte die Krankenschwester Amber an.
„Kannst du bitte im Sekretariat nachfragen, wo er sich befindet?"
Das musste sie gar nicht. „Er ist im Physikunterricht."
Überrascht sah Amber mich an, aber nickte nur und verabschiedete sich von mir. Es war unfassbar, dass ich Kyles Stundenplan auswendig konnte, doch unbeschreiblicher war, dass er jeden Moment vor mir stehen würde. Ich hatte ihn über eine Woche nicht gesehen und meine letzten Worte waren, dass ich Zeit bräuchte. Ich sträubte mich gegen diese Gedanken und gegen den Augenblick, in dem er vor mir stehen würde.
„Hast du Schmerzmittel Zuhause?"
„Ja, habe ich", antwortete ich abweisend.
Plötzlich klopfte es an der Tür und Kyle trat ein. Amber war anscheinend zurück in den Sportunterricht gegangen, was ich ihr keinesfalls übelnahm. „Entschuldigen Sie die Störung-", wandte er sich an die Krankenschwester und sah dann zu mir. „Hey, geht es dir gut?" Sofort stand er vor mir und beugte sich etwas herunter, um mir in die Augen zu schauen. Seine Stimme war so sanft und besorgt.
Ich wollte meine Arme um seinen Nacken legen und ihn nie wieder gehen lassen. Ich wollte seine Wärme spüren und sein Aftershave riechen. Ich wollte seine Stimme hören, die mir vergab.
„Kannst du laufen?", fragte er mich weiter und immer noch gefesselt von seinem gesamten Erscheinungsbild, zuckte ich mit den Schultern.
„Es tut weh", flüsterte ich. „Aber ich denke es geht."
Vorsichtig rutschte ich nach vorn, um von der Liege runterzukommen, als Kyle mir unter die Arme griff und mir half. Unsicher lächelte ich ihn an und bedankte mich noch einmal bei der Krankenschwester, bevor ich den Raum verließ. Kyle stützte mich. Es war mir peinlich. Bei jedem Schritt biss ich die Zähne zusammen, um den Schmerz auszuhalten. Ich hoffte, dass die Tabletten einfach wirken würden und ich so schnell wie möglich wieder laufen könnte.
„Ich müsste noch zu meinem Spind." Dort hatte ich meinen Schlüssel in meinem Schulrucksack. „Der ist am anderen Ende der Schule, Lola." Es war kein Vorwurf. Es war Sorge, die in seiner Stimme mitschwang. Doch ich wehrte ab. Ohne meinen Schlüssel könnte ich wohl kaum meine Haustür aufschließen.
„Okay. Du setzt dich in das Auto und ich gehe deinen Rucksack holen."
Ich drehte den Kopf weg, damit Kyle mich nicht lächeln sah. Seine Forderungen hatten mich anfangs wahnsinnig gemacht. Doch inzwischen waren sie ein Teil von Kyle, den ich liebte. Und ich verstand nicht, wieso. Aber so war es einfach. Kyle schloss sein Auto auf und half mir auf dem Beifahrersitz, bevor er kurz auf das Dach klopfte und sich noch einmal runterbeugte. Sein Mund war leicht geöffnet, als wollte er mir etwas sagen, doch schließlich schüttelte er seinen Kopf und lief zurück zum Eingang der Schule.
Ich beobachtete jede seiner Bewegungen, bis er hinter den Türen verschwand. Dann lehnte ich meinen Kopf zurück und seufzte.
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Kyle wiederzusehen, seine Berührungen, seine Stimme, einfach seine Art und Weise zu sein brachten mich um den Verstand. Zuhause hatte ich alles ausgeblendet, soweit ich es konnte. Doch nun kam alles wieder zum Vorschein.
Ich liebte und hasste es zugleich.
Und dann war da noch der Aspekt rund um Honey. Wenn sie wüsste, dass ich gerade ihretwegen in Kyles Auto saß, würde ihr Kopf vermutlich so rot sein, wie ihr Lippenstift. Mein Grinsen wurde größer und schließlich lachte ich. Ich hätte nicht vorgehabt, mich in irgendeiner Weise zu rächen. Aber das Schicksal tat es trotzdem. Und damit konnte ich zufrieden leben.
Als Kyle zurückkam, verstummte ich und beobachtete einfach lächelnd, wie er wegen der Sonne leicht die Augen zusammenkniff und in seiner Hand den Autoschlüssel drehte. Er schmiss meinen Rucksack zu seinem eigenen in den Kofferraum und setzte sich dann auf den Sitz neben mir.
Es war während der gesamten Fahrt still zwischen uns. Bis wir vor Kyles Einfahrt anhielten. „Es tut mir leid, dass du meinetwegen den Unterricht verlassen musstest."
Es war ein miserabler Versuch einer Unterhaltung. Das wurde mir noch im gleichen Augenblick, als Kyle zu lachen anfing, bewusst.
„Ich denke, das werde ich verkraften können." Er schaltete den Motor aus und sah dann aus dem Fenster. „Außerdem bin ich froh, dich zu sehen. Ich habe mir Sorgen gemacht."
„Es tut mir leid, Kyle." Ich drehte mich leicht in meinem Sitz, um ihn besser ansehen zu können. Er wandte seinen Kopf zu mir, weg von dem Fenster und lächelte leicht.
„Vielleicht haben wir beide Fehler gemacht." Dann fuhr er sich durch die Haare.
„Ich wohl mehr als du."
Nun lächelte auch ich und nickte. „Lass es uns vergessen, okay?" Er nickte ebenfalls. „Okay."
Kyle half mir in meinem Haus die Treppen hoch und erleichtert legte ich mich auf mein Bett. Es war gerade einmal 11 Uhr am Morgen und ich hatte schon genug für diesen Tag erlebt. „Ich hol' dir etwas zum Kühlen." Dabei deutete Kyle auf mein Knie und verschwand schließlich aus dem Raum.
„Was stellst du bloß mit mir an." Ich fuhr mir durch mein Gesicht und seufzte. Mein Bauch kribbelte und wieder legte sich ein Lächeln auf meine Lippen.
Erwachsen werden war anstrengend. Meine Gefühle tobten unaufhörlich, meine Gedanken standen auf dem Kopf. Mein Körper kribbelte, Tränen flossen und dann wiederum grinste ich. Es war einfach schrecklich. Aber doch wunderschön.
„Hier." Kyle legte das Kühlkissen auf mein Knie, sodass ich erschrocken zusammenzuckte und mich aufrichtete.
„Danke." Ich drückte meine Hand auf das Kühlkissen und strich dabei über Kyles Finger. Er setzte sich neben mich auf die Bettkante und betrachtete mein Knie, bevor er mich ansah und die Stirn runzelte.
„Was ist überhaupt passiert?"
Ohne es zu wollen, lachte ich kurz und freudlos auf. Dann legte sich aber ein ehrliches Grinsen auf meine Lippen. „Honey."
Ich erzählte Kyle die aufregende Geschichte über meine Sportstunde und schließlich lagen wir beide mit dem Rücken auf meinem Bett.
„Gott, dieses Mädchen." Er rieb sich, wie ich es Minuten zuvor getan hatte, über sein Gesicht und stöhnte. Dann drehte er sich zu mir. Unsere Gesichter waren sich so nah, dass ich mich nur etwas hätte vorbeugen müssen, um meine Lippen auf seine zu legen.
„Mir ist etwas klar geworden." Unauffällig rutschte ich etwas näher an Kyle heran und nahm seine Hand in meine. Unsere Finger verschränkten sich miteinander und lösten eine Gänsehaut auf meinem gesamten Körper aus. „Ach ja?" Kyle hob eine Augenbraue und bettete seinen Kopf auf meinem Kissen, sodass seine Nasenspitze beinahe meine berührte. Ich schloss meine Augen und lächelte.
„Ja." Dann biss ich auf meine Unterlippe. „In deiner Nähe fühle ich mich, als sei ich ein Stück weit Zuhause."
Ich legte meine Lippen auf seine und gab mich diesem Moment hin. Ich fühlte mich endlich wieder angekommen. Auch wenn es wenige Tage waren, in denen wir nicht miteinander sprachen, für mich waren es Schmerzen von Jahren.
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