Chapter Thirty One
Kyle hinterfragte mich nicht. Und er ließ mich am nächsten Morgen schlafen, während er sich zu meinen Eltern an den Frühstückstisch setzte. Mir war bewusst, dass es ein Traum gewesen war. Doch es war so real gewesen. Liams Wärme und seine Stimme waren mir so verdammt nah gewesen. Und seine Worte.
Verschlafen seufzte ich auf und drehte mich auf die Seite, um Kyle anzuschauen, der gerade in das Zimmer trat. Seine Schritte waren leise, doch das Schloss verriet ihn. Er blickte mich an und lächelte. Dann setzte er sich zu mir auf die Bettkante und strich über mein Gesicht. Ein leichter Schauer lief mir über den Rücken.
„Bist du bereit, aufzustehen?, fragte er und beugte sich runter, um mir einen Kuss auf das Ohr, welches von meinen wirren Haaren verdeckt war, zu küssen.
Ich zog die Bettdecke etwas höher und nickte. „Gleich." Kyle stand auf und wollte sich auf das Sofa setzen, als ich meine Hand ausstreckte und ihm am Arm festhielt. „Kannst du dich zu mir legen?" Demonstrativ klopfte ich mit der anderen Hand neben mir unter die Decke, sodass es bloß ein dumpfes Geräusch war.
„Natürlich." Er trat sich auf die Fersen, drückte den Schuhe von sich, um sie dann achtlos in die Ecke des Raumes zu kicken, und legte sich zu mir unter die Decke.
Sofort drückte ich mich an ihn. Mein Bein hatte ich über seines gelegt und mein Arm ruhte auf seiner Brust, als ich mich in seiner Umarmung entspannte.
„Möchtest du über letzte Nacht reden?", fragte er sanft und keinesfalls drängend.
Um mich etwas abzulenken, sah ich auf und legte grinsend den Kopf schief.
„Über den Sex?" Es war mir unangenehm, es laut auszusprechen. Aber ich hatte keinen Grund zur Scham. Menschen hatten andauernd Sex. Genau, wie sie sich andauernd verliebten. Da gab es auch keinen Grund, sich zu schämen. Obwohl Liebe viel intensiver war.
Überrascht blickte Kyle mich an, doch dann verzogen sich seine Mundwinkel und auch er begann zu grinsen. Manchmal katapultierte mich sein schmales Grinsen in eine andere Welt. Es löste in mir ein wohliges Gefühl von Sicherheit aus. Und manchmal, da brachte es mich wortwörtlich um den Verstand. Positiv. Negativ.
„War es schön? So, wie du es dir vorgestellt hast?", fragte er und löste mich damit aus einer Starre. Ich sah überrascht auf und spürte, wie sich eine Wärme in meinem Gesicht ausbreitete. Ich vergrub es an seiner Schulter und nickte schlicht. Allerdings schien dies, Kyle nicht zu reichen. Er bewegte sich etwas unter mir und schließlich lag er über mir gebeugt, sodass ich mich nicht mehr verstecken konnte.
„Wirklich?", fuhr er fort und strich meine Taille hinab, bis er sich an meiner Hüfte zwischen mich und die Matratze drängte, seine Hand auf meine Hinterpartie legte und leicht zukniff. Erschrocken sah ich ihn an und öffnete meine Lippen, um etwas zu erwidern, doch er drückte seine in diesem Moment auf diese und schloss sie damit. Sein Kuss schmeckte süß.
Leicht drückte ich mich von ihm. „Kyle, ich habe mir noch nicht die Zähne geputzt."
Meine Worte schienen, ihn wenig zu beeindrucken, denn seine Lippen fuhren meinen Hals entlang und schoben das Shirt, welches ich in der Nacht aus seinem Koffer genommen hatte, etwas herunter, sodass er mein freies Schlüsselbein küssen konnte.
Ich spürte die Wölbung in seiner Jeans, als er sich leicht an mich drückte, und schloss lächelnd meine Augen. Es war ein schönes Gefühl, diese Auswirkungen auf Kyle, seinen Körper und auf seine Gefühle zu haben.
„Danke, für die Nacht", murmelte ich seufzend und drückte Kyle etwas von mir, damit ich ihm ins Gesicht sehen konnte. Mit seinen Armen stützte er sich neben mich und sein Grinsen wich einem leichten Lächeln.
„Ich liebe dich." Er drückte mir einen Kuss auf die Lippen und stand dann auf, um mir die Hände zu reichen.
„Deine Eltern haben vorgeschlagen, heute an den Pier zu fahren."
Nickend schlug ich die Decke beiseite und streckte mich, bevor ich meine Hände in Kyles legte und mich von ihm aus dem Bett ziehen ließ.
Im Badezimmer wusch ich mein Gesicht und putzte mir die Zähne, bevor ich mich umzog und meine Haare zu einem einfachen Zopf band.
Zu jetzt zog ich mir einen längeren, leichten Stoffmantel über und schlüpfte in meine Sneaker, bevor ich mit Kyle gemeinsam zu meinen Eltern stieß.
„Kyle hat gesagt, dir ging es heute Nacht nicht gut. Geht es dir besser?" Mein Vater musterte mich von oben bis unten und tastete meine Stirn entlang. Nickend lächelte ich.
„Ja, mir war ein wenig Unwohl."
Meine Mutter trat an die Seite meines Vaters und lächelte mich an. „Dann holen wir dir unterwegs etwas zum Essen und Tabletten."
Wir nahmen uns ein Taxi und fuhren an den Pier. Hier war ich lange nicht mehr gewesen, umso mehr stieg meine Aufregung, als ich den Strand erahnen konnte und das Wasser schließlich in mein Blickfeld geriet. Ich presste beinahe meine Nase an das abgedunkelte Fenster und lauschte dem Gespräch, welches meine Eltern mit Kyle führten. Ich war ihnen dankbar, dass sie nicht zu sehr auf mein Unwohlsein eingegangen waren und Kyle auch, weil er die Gespräche mit meinen Eltern auf seinen Schultern trug.
Es waren erste Versuche, sich in mein Leben einzubringen.
„Wie alt bist du, wenn ich dich das fragen darf?", fragte meine Mutter neugierig und musterte Kyle aufmerksam. Kyle räusperte sich, bevor er zu einer kurzen Antwort ansetzte. „Ich werde in zwei Wochen 18, Ma'am."
In mir stieg auch die Neugier und ich widmete meine Aufmerksamkeit dem Gespräch zwischen meinen Eltern und Kyle, als das Taxi hielt und wir gemeinsam ausstiegen. Die Sonne strahlte auf uns hinab und mit Reue sah ich auf den Mantel, der meine Arme umschlang.
„Du hast mir gar nicht erzählt, dass du schon in zwei Wochen Geburtstag hast."
Vorwurfsvoll sah ich zu Kyle, der die Augen leicht zusammengekniffen hatte und mit seinen Schultern zuckte.
„Du hast mich nicht gefragt."
„Gibt es etwas, das du dir wünscht?", fragte ich schließlich und schloss meine Hand um seine, während wir die Promenade entlangliefen.
In diesem Moment wurde mir bewusst, dass es noch viele Sachen gab, die wir voneinander nicht kannten. Ich spürte Freude und Trauer zu gleich. Ich würde Kyle mit den Tagen und Monaten kennenlernen, aber es gab Dinge wie diese, die mir Zeit raubten. „Nicht wirklich. Ich bin glücklich. Ich habe all das, was ich mir im Leben erträumt habe." Er drückte meine Hand und lächelte mich an, bevor sich ein schelmisches Grinsen auf sein Gesicht schlicht.
„Natürlich meine ich damit mein Auto."
Empört schubste ich Kyle etwas zur Seite und lachte.
Den Nachmittag mit meinen Eltern zu verbringen, war ein seltsames Gefühl. Weder mein Vater, meine Mutter noch ich waren es gewohnt, miteinander zu reden und zu lachen. Kleine Wunden heilten in diesen Stunden. Wir aßen gemeinsam ein Eis und meine Eltern erzählten Geschichten aus meiner Kindheit.
Es war schön, den gemeinsamen Geschichten mit Liam zu lauschen. Und etwas über mich und mein Verhalten zu erfahren. Es war anders, als eine Selbsteinschätzung.
„Auf jeden Fall-", begann mein Vater und nahm sich eine Servierte, um sich seine Finger abzuwischen, auf denen etwas Eis getropft war. „-wollte ich Lola gerade die Windel wechseln, o Gott, sie war ein so kleiner Wurm. Als plötzlich das Puder nur so durch die Gegend schoss. Sie hatte doch tatsächlich gepupst."
Mit offenem Mund blickte ich meinen Vater an und ließ beinahe den Becher in meiner Hand fallen. „Dad! Gott", protestierte ich und hielt Ausschau nach einer Flucht.
„Wir nannten sie Pupsbacke", kicherte meine Mutter und beugte sich etwas vor, als sei es ein Geheimnis, welches sie Kyle nun anvertrauen würde.
„Mom!", wandte ich mich nun auch an sie.
Kyle grinste mich an und nahm einen weiteren Löffel seiner Eiscreme in dem Mund.
„Das ist interessant, Pupsbacke." Er betonte sein letztes Wort und biss sich auf die Lippe, um ein Grinsen zu unterdrücken. Warnend sah ich ihn an und legte meinen Kopf in den Nacken.
„Die Promenade entlang soll eine kleine Kirmes sein." Meine Mutter biss in das Hörnchen und sah uns lächelnd an. Ich erwiderte ihr Lächeln und wandte mich aufgeregt Kyle zu. „Hättest du Lust?"
Es waren wenige Minuten, bis zu der kleinen Kirmes. Meine Eltern hatten beschlossen, etwas am Strand zu spazieren, während wir die Promenade mit den Geschäften und verschiedenen Ständen entlangliefen.
„Kyle?", fragte ich, als es zwischen uns still wurde. „Pupsbacke?", erwiderte er ernst.
„Lass das!"
„Was?"
„Das!" Ich fuchtelte mit meinen Händen herum und sah beleidigt zur Seite. Kyle zog mich näher an sich heran, was uns erschwerte, vernünftig zu laufen, und seufzte.
„Sitzt da etwa ein Pups quer?" Er lachte auf und beleidigt stieß ich ihn von mir und lief etwas vor. Doch ich konnte nicht vermeiden, dass auch ich zu grinsen begann.
Auf dem Rummel tummelten sich viele Familien und Jugendliche, weswegen es etwas schwerer war, eine Übersicht zu bekommen.
„Lass uns zu dem Schießstand." Kyle drückte meine Hand fester, um mich nicht zu verlieren und dirigierte mich in die Richtung eines Standes, an dem auf der Theke Waffen drapiert waren. „Was finden Männer nur an diesen Ständen?", murmelte ich und lächelte im selben Augenblick, als Kyle wie ein kleines Kind zu Grinsen begann und dem Mann hinter der Theke etwas Geld reichte.
„Wir leben im 21. Jahrhundert, Pupsbacke. Equality." Er fasste um das Gewehr und hob es an, bevor er sich auf die kleinen runden Plättchen an der Wand fokussierte und abdrückte. Er traf.
„Hast du schon einmal geschossen?", fragte ich neugierig, als auch der zweite Schuss ein Plättchen zerspringen ließ. Er sah kurz über seine Schulter zu mir, bevor er sein Auge leicht zu kniff und sich konzentrierte.
„Ich war öfter mit meinem Dad an solchen Ständen." Er legte das Gewehr ab und stützte sich auf das Holz, bevor er sich mir zuwandte.
„Er hat meiner Mutter und mir immer den Gewinn überlassen." Plötzlich wirkte er abweisend, als schwelge er in Erinnerungen.
„Das Zielen und Treffen liegt wohl in meinen Genen." Er zwinkerte mir zu und wandte sich dem Mann zu, der die Plättchen zählte.
Seine Worte sickerten langsam zu mir durch und mit einem Mal schoss mir die Röte ins Gesicht. „O Gott, Kyle!", zischte ich und hörte ihn lachen.
Er verabschiedete sich von dem Mann und streckte seine Hand aus, in der er einen kleinen Teddybär hielt. Dieser trug ein weißes T-Shirt mit einem Herz auf der Brust.
„Danke", sagte ich leise und nahm ihn in meine Hände.
Die Zeit mit Kyle war unberechenbar. Es waren Momente, in denen die Zeit stehen zu bleiben schien und es waren Momente, in denen die Zeit nur so davonraste. Es dämmerte leicht, als wir uns auf die Mauer, die den Strand von der Kirmes abgrenzte, setzten und auf das Meer schauten. Meine Eltern hatten mir geschrieben, dass sie uns entgegenlaufen würden. Und so hielt ich den Teddybären fest in meinen Händen und dachte zurück an die letzten Stunden.
Wir waren noch an einigen kleinen Ständen gewesen und während Kyle sich an jedem bewies, verlor ich selbst bei einer Entenjagd. Meinen Trostpreis hatte ich einem kleinen Mädchen geschenkt, das vor Freude strahlend zu seinen Eltern gerannt war.
„Das war ein schöner Tag." Ich lehnte meinen Kopf auf Kyles Schulter und genoss die letzten Strahlen der Sonne, die langsam unter ging.
Mein Handy begann zu vibrieren und als ich die Nachricht von Jacob las, lächelte ich. „Und allem Anschein ist er noch lange nicht vorbei."
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