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Dienstag, 28. Mai
--> 7:00 Uhr
Yokohama

Fettige blondgefäbrte Haare, leere braune Augen, am ganzen Oberkörper Schrammen und blaue Flecken. Das sah Kenma, als er sich an diesem Morgen im Spiegel ansah. Sein Vater war sehr sauer gewesen, als der Siebzehnjährige erst um sechs Uhr Abends nach Hause kam. Jedes normale Kind hätte jetzt ein wenig Ärger bekommen und dann wäre alles gut gewesen, doch bei seinem Vater lief das alles anders. Er nahm sich seinen Sohn und schlug ihn mehrmals in den Bauch und boxte ihn hart. Wie immer saß seine Mutter daneben. Ängstlich, verstört, kreidebleich. Kenma hatte das alles einfach so über sich ergehen lassen, bis er irgendwann auf sein Zimmer geschickt wurde.

Das warme Wasser der Dusche lief über seinen Körper und ließ die verspannten Muskeln etwas entspannen. Kenma schloss die Augen und genoss das Gefühl von Ruhe.
Nach dem Duschen zog er sich an. Einen blutroten Hoodie, schwarze Jeans mit Löchern drinnen und weiße Socken. Seine Haare band er in einem normalen Pferdeschwanz zusammen.

Normaler Alltag. Aufwachen, Schule, gemobbt werden, nach Hause kommen, geschlagen werden, schlafen. Für Kenma war das normal. Ein Aussenstehender hätte ihn sicher für verrückt erklärt, diesen Alltag als normal anzusehen, aber Kenma war mehr oder weniger so aufgewachsen. Er wollte sich auch keine Hilfe holen. Sicher hätte er zu einem Lehrer gehen können und mit ihm sprechen, aber was hätte dieser tun können?

Er hätte das Jugendamt eingeschaltet und dann? Sein Vater hätte die perfekte Vorzeigefamilie gespielt, so wie immer, wenn das Jugendamt bei ihnen aufkreuzte. Es wurde schon oft von seinen Lehrern geschickt, da sie das Gefühl hatten, dass etwas nicht mit ihm stimmte. Doch dann spielte sein Vater eine Familie aus dem Kinderbuch und Kenma musste sein Fakelächeln aufsetzten, was sogar das Jugendamt für echt hielt.

Wenn sie schon eine so einfache Maske für echt hielten, konnten sie nichts tun. Aber bisher hatte es auch niemand geschafft seine Masken zu durchschauen. Nach dem Besuch wurde er nur noch stärker geschlagen, da sein Vater ihm die Schuld dafür gab. Dann sagte er, er solle sich gefälligst Freunde suchen, damit seine Lehrer nicht immer aufmerksam auf ihn wurden. Doch darauf hatte der Blonde keine Lust. Was brachten einem Freunde, wenn sie nicht halfen? Wenn man ihnen etwas vorlog und selbst sie seine Masken nicht durchbrachen? Die Masken, die eigentlich jeder wahre Freund sehen müsste. Solche Freunde gab es nicht.

Kenma klickte sich mit der Maus durch die Seiten. Schon lange überlegte er, ob er sich an der Universität Tokio einschreiben sollte. Am liebsten wollte er direkt nach seinem Abschluss nach Tokio ziehen und studieren, um so schnell wie möglich von zu Hause weg zukommen. Einfach raus aus dieser Hölle. Doch dazu brauchte er eine Wohnung. Und zwar so schnell wie möglich.

Sein Blick schweifte zu dem rosanen Sparschwein, welches auf seinem kleinen Nachttisch stand. Außer diesem Nachttisch gab es in seinem kleinen Zimmer nur ein hartes Bett, einen quaotischen Schreibtisch mit einem altmodischen Computer und ein quadratisches Fenster. In besagtes rosa Sparschwein sparte er seit fünf Jahren. In ihm befanden sich ein paar Cent Taschengeld seiner Eltern und sonst Geld, das er sich selbst in Nebenjobs in Restaurants und Cafes verdiente.

Inzwischen musste es genug Geld für seinen Traum sein. Seinen Traum von einer eigenen Wohnung in Tokio, wo er Fotografie studieren wollte. Für sein Studium musste er dort sicher wieder einen Job annehmen, aber das war es für ihn wert. Hauptsache weg von hier. Er füllte das Anmeldeformular aus.

Name: Kenma Kozume

Alter: 17

Geburtstag: 16. Oktober

Wieso schreibst du dich an dieser Univetsität ein?

Kenma überlegte. Eigentlich wollte er nur von zu Hause weg. Aber vielleicht gab es noch einen anderen Grund. Einen Grund, der nichts mit seinen Eltern zu tun hatte, sondern mit ihm selber. Mit ihm, Kenma Kozume, und nicht mit seinen Eltern.

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Kenma klickte auf abschicken. Er lehnte sich nach hinten und starrte auf den Bildschirm. Jetzt gab es kein zurück mehr und er musste sich nur noch um eine Wohnung kümmern. Seufzend stand er auf und ging an das Fenster. Die Sonne begann den Himmel rotorange zu färben. Vögel flogen am Horizont entlang. Es schien als könnten sie dort, über den Wolken, einfach alles loslassen und frei sein.

>>Bald. Bald bin ich frei.<<

Fortsetzung folgt

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