Kapitel 11

In den folgenden Wochen wurde Manuel zu einem festen Bestandteil meines Lebens nach der Schule. Es schien fast so, als würden wir beinahe jeden Tag etwas miteinander unternehmen. Unsere gemeinsamen Aktivitäten waren so vielfältig wie unsere Gespräche. Obwohl ich normalerweise Perfektion und strikte Regeln in meinem Training anstrebte, war es seltsam befreiend, wenn ich mit ihm einfach Spaß hatte. Meist machten wir Sport zusammen, und auch wenn es nicht immer so ernsthaft war wie mein übliches Training, fühlte es sich gut an, gemeinsam aktiv zu sein.

Ab und zu gingen wir in Restaurants, obwohl das gegen meine gewohnten Ernährungsgewohnheiten verstieß. Die Gesellschaft von Manuel war es jedoch wert, hin und wieder gegen meine eigenen Regeln zu verstoßen. Er hatte die Fähigkeit, mich dazu zu bringen, das Leben ein wenig lockerer zu sehen. Seine ungezwungene und fröhliche Art war ansteckend, und er brachte mich immer wieder zum Lachen.

Manchmal unternahmen wir einfach Spaziergänge und unterhielten uns über alles Mögliche und Unmögliche. Es war erfrischend, all diese Gedanken mit jemandem zu teilen, der die Welt so anders sah als ich. Manuel hatte diese besondere Leichtigkeit an sich, die mich regelrecht ansteckte. Er half mir, die Sorgen des Alltags zu vergessen, und jedes Mal, wenn ich mich auf unsere Treffen freute, spürte ich ein Lächeln auf meinem Gesicht.

Die Veränderungen in meinem Gemütszustand waren offensichtlich für meine Freunde und sogar für Blue, die oft genug versuchte, meine Stimmung zu trüben, aber letztendlich wenig Erfolg dabei hatte. 

Ich saß gerade mit Manuel in der gemütlichen Pizzeria, die wir vor einiger Zeit schon einmal besucht hatten. Der Duft von frisch gebackenem Teig und würziger Tomatensauce umgab uns. Das gedämpfte Licht der Leuchten an den Wänden tauchte den Raum in eine warme Atmosphäre. 

Plötzlich, wie aus dem Nichts, erschien ein blondes Mädchen. Sie setzte sich an unseren Tisch, ihr Lächeln strahlte förmlich. "Hey, du musst Alice sein! Es freut mich, dich kennenzulernen." Ihre Augen glänzten vor Aufregung und Neugier.

Verwirrt sah ich sie an und suchte unauffällig nach Manuel im Raum, der kurz zuvor zur Toilette gegangen war. Die Überraschung über ihre plötzliche Erscheinung spiegelte sich sicherlich auf meinem Gesicht wider. "Äh, ja, das bin ich. Und wer bist du?" Ich konnte die Frage, die auf meiner Zunge lag, nicht zurück halten .

Bevor das Mädchen antworten konnte, kehrte Manuel zurück, seine Augen schienen genauso überrascht wie meine zu sein. "Oh, hey Lilly", begrüßte er sie und schien selbst ein wenig aus der Fassung gebracht.

Die Fremde, die sich als Lilly herausstellte, wirkte sehr erfreut, ihn zu sehen. Mit einem freudigen Aufspringen von der Bank eilte sie auf Manuel zu. "Manuel, ich habe dich so vermisst!" Ihre Stimme klang spielerisch süß, sie umarmte ihn herzlich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Mir blieb fast die Spucke weg. Manuel hatte eine Freundin?

Warum hatte Manuel nie von ihr erzählt? In diesem Moment schienen all die verwirrenden und unerklärlichen Handlungen, die er in meiner Gegenwart gezeigt hatte, plötzlich Sinn zu ergeben. Die Erinnerung an seinen hastigen Rückzug bei dem versuchten Abschiedskuss wurde klarer, und ich begriff, dass er wohl ein schlechtes Gewissen hatte.

Die Gedanken schossen nur durch meinen Kopf. War es überhaupt möglich, dass jemand so freundlich und zuvorkommend zu einem Mädchen war, wenn er bereits in einer Beziehung war? Ich hatte Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass das der Fall war. Und was ist mit unserer gemeinsamen Zeit im Club? Wir hatten eng miteinander getanzt, und das war sicherlich nicht etwas, was man in einer Beziehung tun würde.

Ich spürte einen leichten Stich in meiner Brust, den ich hartnäckig zu ignorieren versuchte. Das hatte wahrscheinlich nichts zu bedeuten, dachte ich mir. Es war wahrscheinlich einfach das unschöne Gefühl, das Manuel mir Lily verschwiegen hatte. Warum hatte er mir das verschwiegen?

Ich zwang mich, meine aufgewühlten Gefühle hinter einem Lächeln zu verbergen, als Manuel sich mit Lily an den Tisch setzte. "Ich weiß, du kannst es dir wahrscheinlich denken, das ist Lilly, meine Freundin", stellte er sie vor. Mein Lächeln wirkte möglicherweise etwas zu breit, meine Stimme vielleicht eine Oktave zu hoch. Ich spielte die Gelassene, aber es fühlte sich an, als würde ich eine Schauspielrolle übernehmen. Ein Alltagsgefühl, das bei ihm bisher ferngeblieben war, bis jetzt. "Oh, wie schön, freut mich, dich kennenzulernen", erwiderte ich. Zum Glück schien Manuel meine Nervosität nicht zu bemerken, aber Lilly betrachtete mich mit einem leichten Zweifel in ihren hellblauen Augen. Hatten hier eigentlich alle blaue Augen?

Lilly gab Manuel einen Kuss und murmelte etwas von ihrer Arbeit, bevor sie in Richtung des Tresens verschwand. Als sie außer Hörweite war, konnte ich einen erleichterten Seufzer nicht unterdrücken. Die Tatsache, dass sie hier arbeitete, machte die Situation nur noch unangenehmer. Alles schien sich auf unerwartete Weise zu verflechten.

„Warum hast du mir nie von deiner Freundin erzählt?", ich sah fragend zu Manuel, der scheinbar völlig in Gedanken war, ich musste ihn an stupsen damit er reagierte. Er fuhr sich durch die Haare, ein sichtbares Zeichen seiner Unbehaglichkeit. Auf der Bank wirkte er steifer, und sein nervöses Durchstreifen seiner Haare war ein klarer Indikator für Stress, den er zu verbergen versuchte.

„Ach so, äh? Weil ich mir nicht sicher war, ob du mit ihr klarkommen würdest, und es ist nun mal nicht zur Sprache gekommen. Ist das schlimm?" Seine Worte klangen leicht unsicher.

„Warum sollte ich sie denn nicht mögen? Sie ist deine Freundin. Ich bin mir sicher, wenn du sie magst, wird sie wundervoll sein."

Ich wollte das Thema nicht so einfach fallen lassen und ignorierte bewusst, dass er sich offensichtlich unwohl dabei fühlte. „Ja, ich weiß. Sie ist auch ein absoluter Engel. Ich kenne keine Person, die gutherziger und liebevoller ist als Lilly. Eigentlich kenne ich auch niemanden, der sie nicht mag."

Ich war verwirrt. Wenn alle Lilly mochten, warum sollte ich dann eine Ausnahme sein? Oder sorgte sich Manuel mehr darum, dass Lilly mich nicht mögen könnte?

Dieser Gedanke nagte hartnäckig an mir, doch ich schob ihn schnell beiseite. Schließlich war ich liebenswert – jeder mochte mich. In einem zwanghaften Versuch, mich selbst zu beruhigen, redete ich mir ein, dass das die Realität war, auch wenn ich tief im Inneren wusste, dass die wenigsten Leute mich mochten.

Wir beendeten unsere Essen in angespanntem Schweigen. Seit dem Moment, als Lilly sich zu uns gesellt hatte, schien irgendetwas mit Manuel nicht zu stimmen. Es war, als hätte sich eine unsichtbare Barriere zwischen uns aufgebaut, und ich konnte nur raten, was der Grund dafür war.

Gerade als wir gehen wollten, rief Lilly meinen Namen. "Alice, wie wäre es, wenn du morgen mit uns feierst? Wir treffen uns alle am Dockweiler Strand." Die Einladung überraschte mich ein wenig. Bisher hatte ich nur etwas mit Manuel allein unternommen, und er hatte mich noch nie zu seinen Freunden eingeladen. Dennoch, obwohl ich spürte, dass Manuel das nicht unbedingt wollte und sie verbissen ansah, sagte ich zu. Aus irgendeinem unbekannten Grund verspürte ich das Bedürfnis, mehr über ihn und seine Freunde zu erfahren. Wenn das bedeutete, dass ich dazu an diesen Strand musste, war ich bereit, das in Kauf zu nehmen.

In Gedanken machte ich mir eine Notiz, Desinfektionsmittel zu kaufen. Obwohl ich noch nie am Dockweiler Strand gewesen war, hatte ich Gerüchte über viel herumliegenden Müll gehört. Außerdem lag er direkt am Flughafen, was auf ziemlichen Lärm schließen ließ. 

Manuel fuhr mich gerade zu meinem Auto, als er die Stille brach. "Blue wird morgen auch dabei sein. Sie gehört zu meinem Freundeskreis, das bedeutet auch, dass Cody kommen wird. Er hängt in letzter Zeit viel mit uns ab." Er sah mich an, und ich konnte bereits erahnen, dass er dachte ich würde wegen Blue nachgeben und zuhause bleiben. 

"Ich bin mir dessen bewusst. Aber es wäre unhöflich von mir gewesen abzulehnen. Ich werde Blue schon einen Abend ertragen. Ich gehe ihr einfach aus dem Weg", sagte ich ruhig und etwas elitär. Manuel erwiderte nichts mehr, wahrscheinlich hatte er bereits bemerkt, dass ich von meinen Entscheidungen nicht leicht abzubringen war.

Großartig, jetzt musste ich nicht nur einen möglicherweise schmutzigen Strand ertragen, sondern auch noch Blue. Und Cody würde ebenfalls von unserem Strandabenteuer erfahren. Doch wenn ich unsere Freundschaft vertiefen wollte, musste ich wohl oder übel mit seinen Freunden klarkommen. Blue konnte ich ja einfach ignorieren. Cody würde allerdings erst morgen Abend von unserem Ausflug erfahren, sobald er mich mitnehmen musste. Das würde mir hoffentlich eine weitere Diskussion ersparen.

Scheinbar hatten Manuel und Lilly Blue nichts erzählt, denn sie war heute in der Schule wie immer und versuchte mich nicht davon abzubringen und auch Cody hatte nichts erwähnt.

Es schien, als hätten Manuel und Lilly Blue nichts von meiner Anwesenheit am Abend erzählt, denn weder Blue noch Cody hatten mich in der Schule darauf angesprochen.

In Vorbereitung auf alle Eventualitäten, darunter auch spontanes Schwimmen, trug ich bereits meinen edlen Bikini unter meiner legeren, aber sorgfältig kuratierten Kleidung. Das Outfit war bewusst gewählt: Ein einfaches, aber hochwertiges weißes Seidentop, dazu eine lässige, königsblaue Shorts und ein leichter, grauer Kaschmir-Cardigan von Design-Ikone Stella McCartney, für den Fall, dass die Meeresbrise abends etwas frisch werden sollte. Mit meiner Strandtasche bewaffnet, begab ich mich zu Codys Auto, um dort auf ihn zu warten. 

 Cody kam mit seinem üblichen leichten arroganten Lächeln an, sah mich aber plötzlich verdutzt an. "Alice, was verschlägt dich hierher? Ich habe keine Zeit, dich heute herumzufahren. Du hast schließlich dein eigenes Auto", verkündete er und schob mich beiseite, um einzusteigen. Gleichgültig umrundete ich das Auto und nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Wenn Cody dachte, er könnte mich so leicht abwimmeln, hatte er sich geirrt.

„Du sollst mich auch nicht wegbringen, Cody. Ich komme mit!" Er schüttelte den Kopf. „Alice, steig aus, ich meine es ernst. Ich habe jetzt keine Lust auf deine Spielchen!" Sein Blick wurde grimmig, und er beugte sich über mich, um die Autotür zu öffnen. Ich schloss sie einfach wieder und lächelte ihn mit einer gewissen Überlegenheit an.

„Lilly, Manuels Freundin, hat mich eingeladen, falls du es nicht weißt, weil Blue es dir nicht erzählt hat. Ich habe in letzter Zeit häufiger etwas mit Manuel gemacht. Du kannst ihn fragen, oder ich zeige dir den Chat", erklärte ich ruhig und zückte mein Handy. Cody starrte fassungslos auf die Bildschirmanzeige, auf der die Nachrichten von Manuel zu sehen waren, die Details zu unserem heutigen Treffen enthielten.

Nach einem weiteren Kopfschütteln und einem sichtbaren Ausdruck der Genervtheit startete Cody endlich den Motor, und wir fuhren los. Innerlich zufrieden lehnte ich mich zurück und ließ die Landschaft an mir vorbeiziehen. Nach etwa vierzig Minuten Fahrt erreichten wir den Strand, und Cody führte mich zu den anderen. Bereits von Weitem konnte man das Licht eines Lagerfeuers erkennen, um das sich die Gruppe versammelt hatte.

Als wir die Gruppe um Manuel erreichten, durchschnitt meine Anwesenheit die gesellige Atmosphäre wie eine scharfe Klinge. Stille legte sich über die Runde, und alle Augen richteten sich auf mich. Ich war nicht darauf vorbereitet, an einem Ort zu sein, an dem meine Präsenz so offensichtlich nicht willkommen war. Doch anstatt meine Unbehaglichkeit zu zeigen, blieb ich selbstbewusst neben Cody stehen und ertrug den scharfen Blick der anderen.

Grace, das unscheinbare, schüchterne Mädchen in der Gruppe, stieß Blue, die mit etwas anderem beschäftigt war, an, damit sie sich zu uns umdrehte. Blues Augen weiteten sich vor Überraschung, und dann wandelte sich ihr Gesichtsausdruck zu purem Unmut.

„Was zum Teufel macht sie hier? Braucht deine Schwester einen Babysitter, oder warum hast du sie mitgeschleppt?" keifte Blue, ihre Stimme schneidend und voller Missbilligung. Sie warf mir einen Blick voller Abscheu zu und starrte dabei wütend auf Cody. Mein Bruder trat einen Schritt zurück, versuchte die Wogen zu glätten, aber sein Ausdruck verriet, dass er genau diese Reaktion erwartet hatte.

Meine Reaktion war ein ebenso abwertender Blick, begleitet von einem theatralischen Augenrollen. Auch wenn ich vielleicht genauso reagieren würde, befand ich mich gerade nicht in ihrer misslichen Lage.

„Blue, das ist meine Schuld. Alice hat sich in letzter Zeit mit Manuel angefreundet, also dachte ich, ich lade sie mal ein", erklärte Lilly ruhig und legte Blue beruhigend eine Hand auf die Schulter. Ihr Blick entschuldigte sich fast bei Cody. „Oh, schon gut, Lilly. Tut mir leid, Cody", gab Blue schließlich nach, wenn auch widerwillig.

Mein Bruder nahm Blue aufmunternd in den Arm, eine Szene, die ich kurz beobachtete, bevor ich meinen Blick schnell abwandte. Es war besser für meine Nerven, mich nicht weiter darüber aufzuregen. Ich versuchte, meine gewohnte selbstbewusste Haltung beizubehalten, doch das war schwieriger als gedacht. Überall spürte ich den kalten Wind der Ablehnung.

Während sich Cody um Blue kümmerte und Manuel von Lilly in Anspruch genommen wurde, stand ich allein da. Die Gruppe war in ihre eigenen Gespräche vertieft, und keiner schien ein Interesse daran zu haben, mich einzubeziehen. Als Lilly Manuel für einen Moment allein ließ, nutzte ich die Gelegenheit, zu ihm zu gehen. In seiner Nähe fühlte ich mich sicher, zumindest vorerst.

„Ich habe dich gewarnt, Blue ist mindestens genauso schlecht auf dich zu sprechen wie du auf sie", sagte Manuel, als ich mich ihm näherte. Ich zuckte mit den Schultern, entschlossen, mich durch diese unangenehme Situation zu kämpfen. Auch wenn es mir nicht gefiel, würde ich es heute Abend überstehen.



Ich wollte mal fragen, wie euch das Buch, bis jetzt, gefällt?

•Wie findet ihr die Charaktere?

•Was sagt ihr zu Alice?

Habt ihr Verbesserungsmöglichkeiten?

Überarbeitet: 29. Dezember 2023

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