Kapitel 6

Hermione arbeitete sich in Rekordzeit durch ihre Memos. Als ihre Uhr Mittagspause anzeigte, hatte sie beinahe schon die ganze Arbeit erledigt, die sie sich für diesen Tag vorgenommen hatte. Sie ignorierte die Uhr trotzdem, arbeitete weiter und beantwortete Fragen, die eigentlich erst im Laufe der nächsten Woche beantwortet hätten werden müssen.

Irgendwann wurde ihr etwas schwummrig. Ach ja, richtig. Sie hatte das Frühstück ausgelassen, in der Hoffnung, noch etwas produktives tun zu können, bevor Malfoy ankam. Sie stand auf und ging zu der Tür ihres Büros, erstarrte dann und ließ ihren Kopf mit einem Seufzen gegen den Rahmen sacken.

Sie wusste nicht, wie sie anfangen sollte, die Szene die sich in ihrem Büro abgespielt hatte zu entschlüsseln.

Zuallererst war da Theo gewesen, der sie geküsst hatte. Es hatte sich... nett angefühlt. Auch wenn da nicht dieser gewisse Funke gewesen war, den sie erwartet hatte. Vielleicht lag das auch nur daran, dass es so überraschend gekommen war. Er hatte nie den Eindruck von jemandem gemacht, der ein Mädchen küssen würde, ohne sie vorher zu fragen. War es möglich, dass sie irgendwelche Anzeichen übersehen hatte? Sie glaubte nicht, dass es so war. Und dann... er hatte keineswegs überrascht ausgesehen, als Malfoy ihn quasi in der Luft festgehalten hatte. Als er behauptet hatte, dass er an ihr interessiert wäre, hatte er dabei nicht einmal in ihre Richtung gesehen. Es war eher so, als wäre das Ganze ein Schauspiel für Malfoy gewesen und sie selbst war nichts weiter als ein Requisit.

Ihr Magen drehte sich bei dem Gedanken um.

Und dann war da noch Malfoy, der in ihr Büro gestürzt war, während sie ein „Meeting" mit einem Arbeitskollegen gehabt hatte. Er hatte ihren Kuss auf eine geradezu spektakuläre Art und Weise unterbrochen. Noch nie hatte sie ihn so wütend erlebt. Und dann war da noch sein Entsetzen gewesen, als er sie gefragt hatte, ob sie Theo mochte. Im Eifer des Gefechts hatte sie es als Abscheu interpretiert, dass sein Freund mit ihr ausgehen könne, aber in der Retrospektive schien das doch nicht ganz zuzutreffen. Sein Augenmerk lag mehr darauf, dass sie Theo mögen könne und nicht umgekehrt. Aber warum? War es vielleicht möglich, dass er sie mochte?

Hermione musste bei dem Gedanken beinahe lachen. Nein. Und selbst wenn er es tat, würde das nicht das Ausmaß seiner Reaktion erklären.

Es fehlte ein Teil in dem Puzzle. Sie war sich nur nicht sicher, was es sein könnte. Irgendwie wünschte sie sich, dass jemand für sie da wäre, mit dem sie über all das reden konnte. Aber viele ihrer Freunde waren so beschäftigt, dass es schwer war, Zeit für ernste Gespräche mit ihnen zu finden.

Sie kaute auf ihrer Lippe herum. Vielleicht sollte sie Ginny via Flohnetzwerk anrufen, wenn James im Bett war. Dann verwarf sie den Gedanken. Ginny wegen Männerproblemen anzurufen, erschien ihr irgendwie trivial. Und Ginny wäre natürlich überzeugt davon, dass die ganze Situation mit dem Klatsch zu tun hätte, dass Malfoy mit ihr in der Cafeteria gegessen hatte und das war nur... Hermione seufzte und rieb sich ihre Schläfen.

Dann griff sie nach dem Türknauf und erstarrte erneut. Malfoy war auf der anderen Seite der Tür. Sie konnte ihn quasi fühlen. Dabei hatte sie keine Ahnung, wie sie gerade mit ihm interagieren sollte. Sie drehte sich um und war versucht, zurück zu ihrem Schreibtisch zu gehen, als sie eine Welle des Hungers erfasste. Sie sollte essen. Sie wünschte sich, dass sie Süßigkeiten in ihrem Schreibtisch gebunkert hätte, aber Ron hatte sie das letzte Mal alle aufgegessen, als er und Harry sie hier besucht hatten. Zwar hatte sie vorgehabt, sie wieder aufzufüllen, aber leider hatte sie es immer wieder vergessen.

Kaum dass sie der Tür zum zweiten Mal ihren Rücken zugewandt hatte, hörte sie Parvatis Stimme aus der Glaskugel.

„Pansy Parkinson ist hier um sie zu sehen."

Hermione eilte zu ihrem Schreibtisch. Sie hatte ganz vergessen, dass sie einen Termin für ein Interview hatte.

„Lass sie rein", rief sie.

Einen Moment später kam Pansy herein.

„Guten Abend Granger", grüßte Pansy sie.

„Hallo Pansy."

„Was macht Draco eigentlich vor deinem Büro?", wollte Pansy wissen und hob ihre Augenbrauen.

Hermione verdrehte nur ihre Augen.

„Ein paar Flausen von Lucius", sagte sie abwehrend, „er ist offensichtlich besorgt, dass jemand das GWR in der letzten Minute sabotieren könnte. Also hat er Malfoy angewiesen, bei mir abzuhängen, bis es in trockenen Tüchern ist."

„Das klingt tatsächlich wie etwas, das den Malfoys Sorgen bereiten würde", schnaubte Pansy.

Pansy war zu einer der Spitzenreporterinnen des Tagespropheten avanciert. Nach dem Krieg hatte es bei der Zeitung eine Generalüberholung aller Angestellten gegeben, um das öffentliche Vertrauen wiederherzustellen. Statt der wertlosen Boulevardzeitung, die sie einst gewesen war, wurden neue Schwerpunkte gesetzt, mit starkem Fokus auf journalistische Integrität. Dabei hatte sich herausgestellt, dass Pansy eine hervorragende, investigative Journalistin war.

Anders als Rita Kimmkorn, deren Büro nun Pansy gehörte, blieb die ehemalige Slytherin allen gegenüber extrem fair; sie prüfte ihre Quellen gründlich und zeigte immer beide Seiten auf. Sie hatte bereits zwei internationale Preise für magischen Journalismus bekommen und sogar einen von Muggeln für einen Zusatzartikel, den sie beim durchqueren eines Kriegsgebietes verfasst hatte.

Außerdem war Pansy die führende Journalistin der Werwolfartikel, was dazu führte, dass sie und Hermione regelmäßigen Kontakt hatten. Aktuell brachte der Tagesprophet einen kleinen Artikel heraus, der über die anstehende Abstimmung des Zaubergamotts berichtete.

Hermione erkannte die Gelegenheit.

„Ich hoffe dass es dir nichts ausmacht", fing sie an, „aber ich habe es noch nicht geschafft Mittag zu essen. Wäre es für dich in Ordnung, wenn wir das Interview in die Cafeteria verschieben?"

Pansy warf einen Blick auf ihre Uhr.

„Es ist 4:30", stellte sie fest.

Hermione errötete leicht.

„Ja, ich habe mich wohl etwas in meiner Arbeit verloren."

„Sicher...", Pansy zuckte mit den Schultern.

Hermione griff nach ihrer Tasche und verließ mit Pansy ihr Büro.

„Parvati, ich bin für heute fertig", verkündete sie und zwang sich dazu, Malfoy dabei nicht anzusehen, während sie ihrer Assistentin einige Rollen Pergament gab. „Kannst du diese für mich zu Hastings bringen? Es sind Überarbeitungen seiner Verordnungen über den Import von Zauberstabkernen. Und hier sind einige Anmerkungen für die Abteilung der magischen Strafverfolgung Betreff der Anwendung von Veritaserum auf Dämonen im Dawling Fall. Wo wir schon dabei sind: Hast du schon etwas Neues aus der Aurorenabteilung gehört - brauchen sie mich nächste Woche in Devon als Vermittlerin in dem Vampirproblem oder nicht?"

Noch bevor Parvati antworten konnte, ging Malfoy dazwischen.

„Granger, auf ein Wort, bevor du gehst..."

Hermione erstarrte.

Parvatti sagte etwas, aber Hermione hörte nicht wirklich zu.

„Ich hab es gerade etwas eilig Malfoy. Eigentlich sollte ich gerade schon in einem Interview mit Pansy stecken."

„Nimm dir Zeit", meinte Pansy trocken, „das ist heute sowieso mein letztes Interview."

„Schön", stimmte ihm Hermione kurz angebunden zu. Sie fühlte sich wirklich noch nicht dazu bereit mit ihm zu reden. Genau genommen war sie selbst noch nicht einmal sicher, was da vorhin wirklich passiert war. Aber auf gewisse Weise hatte er es dennoch geschafft, sie erneut in die Ecke zu drängen. Also reckte sie ihr Kinn vor und zeigte in Richtung ihres Büros.

Als die Tür geschlossen war, wartete sie. Er hatte darum gebeten mit ihr reden zu dürfen, also würde sie ihm den Anfang gewähren. Vielleicht würde, was auch immer er zu sagen hatte, alles in ein klareres Licht rücken.

Er dagegen schien darauf zu warten, dass sie anfing zu sprechen.

„Also?", wollte sie schließlich wissen und hob eine Augenbraue.

„Ich... wollte mich entschuldigen, wegen dem vorhin...", kam es schließlich von ihm.

Hermione glaubte nicht, dass sie jemals mitbekommen hatte, dass Malfoy sich formell für etwas entschuldigte.

„Welchen Teil?", fragte sie vorsichtig.

„Ich... habe überreagiert, als...", es schien, als würde ihm die Stimme versagen. „Ich habe einen falschen Schluss gezogen. Mir war nicht klar, dass du und Theo...", wieder brach er ab, um schließlich mit einer festen Stimme fortzufahren: „Ich habe mich in dein Privatleben eingemischt und überreagiert. Und dafür entschuldige ich mich."

Hermione starrte ihn an. Das Gefühl blieb, dass ihr ein wichtiges Teil im Puzzle nach wie vor fehlte. Dennoch nickte sie.

„Entschuldigung akzeptiert", sagte sie einen Moment später, „es tut mir Leid, dass ich dich angeschrien habe. Ich war wohl etwas geschockt..." Sie brach ab. „Theo und ich... wir sind nicht zusammen", fuhr sie endlich fort.

„Oh. Wärst du es gerne?"

Hermione blinzelte. Das war eine seltsam persönliche Frage, die Malfoy ihr stellte.

„Ich...", sie stockte, „vielleicht davor. Aber, ich denke nicht, dass er mich geküsst hat, weil er in mich verliebt war. Es fühlte sich irgendwie mehr an, als hätte er es getan, um etwas auf den Punkt zu bringen. Ich glaube, dass egal was auch zwischen uns hätte entstehen können, es jetzt nicht mehr klappen wird."

„Es tut mir Leid, Granger."

„Warum?", sie zwang sich dazu zu lachen, „es ist wohl kaum dein Fehler."

Etwas glitzerte in Malfoys Augen.
„Naja, er ist mein Freund und er war dir gegenüber ein Arsch. Dafür kann ich mich doch schlecht fühlen."

„Normalerweise bist du mir gegenüber mehr ein Arsch als er", erklärte Hermione, „aber zumindest hast du mich noch nie geküsst."

Der Gedanke allein schien genug zu sein um Malfoy zum Erschauern zu bringen.

„Malfoy", fragte sie, „warum bist du in mein Büro gekommen als Theo hier war?"

„Oh... ich dachte, ihr würdet euch wegen des GWR unterhalten. Also bin ich hereingekommen um zu fragen, ob ich mitmachen könne", sagte er, als wäre es offensichtlich.

„Ach ja, richtig", erwiderte Hermione.

„Granger?"

„Ja?"

„Du solltest wirklich essen gehen. Wenn dein Bauch noch ein bisschen lauter knurrt, dann müssen wir mit Zeichensprache kommunizieren."

„Nunja. Ich vermute, dass wir uns dann am Montag wiedersehen. Ich schreib dir eine Eule, wenn über das Wochenende irgendwelche Probleme mit dem GWR aufkommen sollten. Pass auf dich auf, Malfoy."

„Tschüß Granger."

Hermione starrte ihm nach als er ging. Da war... etwas... zwischen ihnen. Sie war sich sicher. Nur konnte sie nicht ihren Finger drauflegen, was genau es war. Es fühlte sich so an, als wäre die Antwort direkt vor ihrer Nase. Wie ein Wort, dass einem auf der Zunge liegt, an das man sich aber nicht erinnerte.

Uuuh. Sie würde später darüber nachdenken. Pansy wartete.

Hermione fragte sich, ob es einen geheimen Slytherinkurs in der Schule gegeben hatte, wie man sich über Essen lustig machte. Pansys Ausdruck, als sie die Biscuits untersuchte, die mit dem Tee serviert wurden, erinnerte stark an den von Malfoy, als er das erste Mal den Wildauflauf gesehen hatte.

Es brachte sie zum Kichern.

Pansy sah auf und legte das Biscuit, das ihren Geschmacksinn beleidigte, zurück auf den Tisch.

„Das ist nicht lustig. Ich hatte bessere Biscuits, als ich vorgab ein Muggel zu sein, um einen Artikel über das Blutgefängnis im Schwarzwald zu schreiben. Wie zur Hölle kommt das Ministerium damit durch, dass sie so grauenhaftes Essen servieren?"

„Vielleicht solltest du einen Artikel darüber schreiben", witzelte Hermione.

„Sollte ich. Das hier ist unzumutbar."

„Die Ministeriumsküche wird von einem Geist heimgesucht", informierte Hermione sie, „ um genau zu sein, von einer Hexe aus dem dreizehnten Jahrhundert. Es scheint so, als können sie sie nicht loswerden. Sie haben es schon oft probiert. Die Hauselfen hassen sie ganz besonders, aber jedes mal, wenn sie sich weigern den Speiseplänen der Hexe zu folgen, wird sie zum Poltergeist."

„Aaah", kam es von Pansy, als sie begann das Biscuit weiter zu inspizieren, „vielleicht sollte ich wirklich eine Geschichte darüber schreiben. Wahrscheinlich würde es das Interesse von ein paar ambitionierten Exorzisten wecken."

Ein Gewissenskonflikt bahnte sich in Hermione an. Sie wusste, wie sehr die Hauselfen Beatrice Birgersdottir verabscheuten, aber der Gedanke, dass die Geisterfrau aus ihrem Heim vertrieben würde, verunsicherte sie dennoch.

„Ach bitte Granger, sag mir nicht, dass dir die Hexe leid tut, die das Ministerium für Merlin weiß wie lang schon heimsucht. Denke an die emotionalen Qualen, die sie den Hauselfen zufügt." Pansy sah an ihrer Moppsnase vorbei zu Hermione.

„Vermutlich", sagte Hermione langsam.

Pansy und sie hatten eine seltsame Beziehung. Sie waren nicht wirklich Freunde, aber irgendwann hatte sich etwas in ihren Interaktionen eingeschlichen, dass beinahe herzlich genannt werden konnte. Abgesehen von ihren vielen Meinungsunterschieden, sowohl aus der Vergangenheit als auch in der Gegenwart, hatten sie einen Punkt erreicht, an dem sie unterschiedlicher Meinung sein konnten, ohne es persönlich zu nehmen.

„Soll ich jetzt mit meinen Fragen anfangen?", wollte Pansy wissen.

Hermione nickte und Pansy wedelte mit ihrem Zauberstab, woraufhin ein Notizbrett und eine Feder erschienen.

„Lass uns mit etwas einfachem beginnen. Wie zuversichtlich bist du, dass das Gesetz am Dienstag ratifiziert wird?"

„Ziemlich hoffnungsvoll", kam es vorsichtig von Hermione, die mit ihrer Vermessenheit kein böses Omen heraufbeschwören wollte. „Es scheint so, als würde es genug Stimmen geben. Und die Unterstützung der Allgemeinheit ist wirklich unglaublich. Wir haben Donnerstag die endgültige Version raus geschickt und bisher haben wir keine Anzeichen dafür gesehen, dass die Legislative Versuche unternimmt, das Gesetz in Geiselhaft zu nehmen. Und wegen weil die Allgemeinheit es so sehr unterstützt, ist es auch zu einem Prestigeprojekt des Ministers geworden. Ich denke, dass wir durch das Zaubergamot sehr viel Zustimmung erfahren werden."

„Gibt es etwas, das dir Sorgen bereitet? Oder gäbe es etwas, das du gerne in dem Gesetz aufgenommen hättest, das bisher keine Erwähnung fand."

Hermione und Pansy verbrachten einige Minuten damit, verschiedene technische Aspekte des GWR durchzugehen. Dann wechselte Pansy plötzlich das Thema.

„Die Prima Verde Apotheken haben gerade erst den Umsatzbericht für dieses Jahr herausgebracht. Es gab einen signifikanten Abfall der Einnahmen, wegen der großen Menge an Wolfsbann Tränken die sie produziert haben. Glaubst du, dass Wolfsbann Tränke die Beste Nutzung für Ministeriumsressourcen als Langzeitlösung wären oder würdest du eher befürworten, dass das Geld besser in der Erstellung von mehr Werwolf-Tranformationszonen angelegt wäre?"

Hermione blinzelte.

„Was?", fragte sie verwirrt.

Pansy wedelte mit ihrem Zauberstab und einen Moment später hatte sie eine Schriftrolle in der Hand, die sie geschickt aufrollte.

„Hier. Du kannst deutlich den Abfall der Gewinne im Vergleich zu den Vorjahren sehen. Wenn du ihre Profite ansiehst, fallen diese und zwar exponentiell in Abhängigkeit zu der Menge an produzierten Wolfsbann Tränken. Wenn man es ein bisschen analysiert, ist das auch wenig überraschend. Man muss nur die Kosten der Zutaten, die Komplexität des Brauvorgangs und die Fehlbraurate in Betracht ziehen, die auch erfahrene Zaubertrankmeister haben.

„Aber", Hermione runzelte ihre Stirn, als sie die Graphen und Nummern vor sich studierte. Sie steckte nicht in den ganzen technischen Aspekten drin, die den Teilbereich der Wolfsbann Tränke im Gesetz betrafen. Ihre Spezialität, der rechtliche Teil, hatte sie voll und ganz eingenommen. Deshalb hatte die Ausformulierung des Absatzes über Tränke die Abteilung für Zaubertrankregulation übernommen - und zwar zusammen mit der Heilerunion und Prima Verde. „Das ist sicher eine Folge von Forschung und den dazugehörigen Kosten, um eine Massenproduktion von Wolfsbanntränken zu ermöglichen. Diese Verluste sind sicher nicht dauerhaft."

Pansy wies auf eine Stelle weiter unten auf dem Pergament hin.

„Schau, hier. Das sind die Kosten für Forschung und die Ausgaben, die letztes Jahr damit verbunden waren. Die Zahl ist dieses Jahr wesentlich geringer ausgefallen als im Vorjahr, also kann es kaum für die hohen Verluste verantwortlich sein."

Hermione rechnete die Zahlen im Kopf durch und musste Pansy zustimmen.

„Du hast recht", schloss sie.

Pansy sah mit einem unergründlichen Blick zu ihr auf.

„Granger, hast du das nicht gewusst?"

„Nein. Es ist nicht wirklich etwas, worauf ich spezialisiert bin. Also habe ich es der Heilerunion und der Zaubertrankabteilung überlassen, diesen Teil des Gesetzes zu verfassen. Prima Verde hat sich ebenfalls mit dem Preis für Wolfsbann Tränke einverstanden erklärt, als das Ministerium einen Notfallvorrat benötigt hat, um der Bevölkerungsexplosion Herr zu werden. Sie haben nicht einmal versucht günstigere Vertragskonditionen für das GWR auszuhandeln, also habe ich angenommen, dass es bereits sehr profitabel sein muss."

Hermiones Verstand raste. Die Prima Verde Apotheken gehörten den Malfoys. Der Langzeitvertrag für Wolfsbanntränke mit dem Ministerium war angeblich der Grund, warum Malfoy das GWR mit Hermione durchbringen wollte. Sie hatte immer angenommen, dass dabei große Renditen abfallen würden. Dass dem nicht so war, schockierte sie nun gewissermaßen.

„Also", drängte Pansy weiter, „Glaubst du, dass Wolfsbann Tränke wirklich die Beste Nutzung für Ministeriumsressourcen sind oder ob das Geld in Zukunft nicht besser in der Erstellung von mehr Werwolf-Tranformationszonen angelegt wäre?"

„Ich weiß es nicht", gab Hermione zu, „ich müsste erst mehr Details dazu sammeln und die Daten analysieren. Außerdem muss der Werwolfbevölkerung mehr Zeit gegeben werden, um ihre Anzahl zu stabilisieren, bevor man herausfinden kann, was das Beste für sie ist."

Pansy nickte und kritzelte ein paar weitere Notizen.

„Naja, das wär's dann für heute auch schon. Mach dir nichts aus der letzten Frage. Es war nicht für die Wochenendausgabe. Tatsächlich habe ich vor, eine tiefgehende Analyse darüber zu schreiben, wenn das GWR erst einmal durchgewunken wurde. Aber als ich den Umsatzbericht gesehen habe, musste ich einfach fragen."

Sie stand auf, schrumpfte ihre Notizen und die Schriftrolle in die Größe eines Knuts und ließ sie in ihre Tasche gleiten. Hermione nickte abwesend.

„Wir sehen uns am Dienstag, Granger", kam es von Pansy, „und viel Glück."

Dann schritt sie auch schon, unter dem lauten Klacken ihrer High-Heels, davon.

Irgendwann stand auch Hermione auf und ging in Richtung Lift. Ihr Gehirn fühlte sich an, als wäre es an dem kritischen Punkt angekommen, an dem eine Überlastung drohte und würde möglicherweise in der nächsten Sekunde explodieren?

Wolfsbanntränke waren unglaublich unprofitabel für die Malfoys. Das war Fakt und sie schaffte es kaum diesen in ihren Kopf zu bringen. Aber, wenn das der Fall war, warum halfen sie dann so entschlossen, das GWR durch die einzelnen Instanzen zu bringen? Es musste irgendetwas geben, das sie die ganze Zeit übersah.

Ihre Ohren dröhnten und sie fühlte sich soweit, dass sie nur noch schreien wollte. Die schiere Anzahl der Dinge in ihrem Leben, die gerade keinen Sinn machten, war genug, um sie verrückt werden zu lassen.

Sie schaute finster drein, als sich die Türen des Lifts öffneten und Blaise Zabini im nächsten Moment vor ihr stand.

Er hob seine Augenbrauen und sie versuchte ihre Gesichtszüge zu glätten, während sie ungeschickt in den Lift trippelte.

Sie fühlte sich immer zutiefst unwohl, wenn Zabini in der Nähe war. Dafür, dass er ihr damals den Hinweis gegeben hatte, mit dessen Hilfe sie schließlich das GWR ins Rollen hatte bringen können, war sie ihm immer noch eine ganze Menge schuldig. Bis heute verstand sie nicht warum er das getan hatte. Er versuchte nicht einmal zu verbergen, wie sehr er sie verabscheute. Es überstieg sogar Malfoys Verachtung um einiges, was das ganze noch viel verwirrender machte, da sie Zabini kaum kannte.

Sie standen gerade still nebeneinander, als Zabini plötzlich gereizt zischte und ihr vorwarf: „Weißt du, dafür dass du angeblich die intelligenteste Hexe unserer Zeit bist, bist du wirklich verdammt dumm."

„Was?", kam es von Hermione, die erschrocken aus ihren Gedanken auftauchte.

„Ich weiß nicht, ob du wirklich so begriffsstutzig oder du einfach nur so gefühllos bist, dass es dich nicht kümmert. Aber ich hoffe dass, wenn du es eines Tages herausfindest, es dich bei lebendigem Leib auffrisst."

Hermione starrte ihn verwirrt an. Und noch bevor sie irgendetwas antworten konnte, öffneten sich die Türen und er stürmte davon.

Hermione stand einfach nur da, die Räder in ihrem Gehirn rasten um das Rätsel zu knacken.

Es musste sich um Malfoy drehen. Theo, Prima Verde und Zabini; ihr gemeinsamer Faktor war Draco.

Theo hatte sie geküsst um irgendetwas zu beweisen. Und Malfoys Antwort schien zu beinhalten, dass er sie irgendwie schützen wollte. Aber auf der anderen Seite glaubte sie nicht, dass Draco wirkliches Interesse an ihr hatte. Er hatte nie auch nur irgendeine Anstrengung unternommen um ihre Beziehung über die Jahre zu verbessern. Und wenn sie versucht hatte, vorsichtige Annäherungsversuche im Bezug auf Freundschaft zu machen, hatte er sie sofort abgewehrt. Es hatte immer eine klare, professionelle Linie zwischen ihnen gegeben. Und Malfoy war eifrig darauf bedacht gewesen, dass keiner von ihnen sie je überschritt. Zudem erinnerte er sie immer wieder daran, dass er nur auf Anordnung seines Vaters handelte und wenn es nach ihm ginge, er nichts mit ihr zu tun hätte. Also, warum kümmerte es ihn überhaupt, wenn Theo sie küsste?

Irgendwie mussten auch die Prima Verde Apotheken mit ins Bild passen. Aber sie konnte sich nur schwer vorstellen, dass Lucius Malfoy die Profite seines Unternehmens senken und seinen Erben anweisen würde, mit ihr eine Werwolfreform durchzuboxen, wenn er nicht auf irgendeine Art einen Vorteil daraus ziehen konnte. War es vielleicht nur ein Versuch den Familiennamen wieder aufzubessern indem er sich mit ihr verbündete, in einer Angelegenheit, die im Widerspruch zur Reinblutidiologie stand?

Aber das erklärte weder das Verhalten von Theo, noch von Zabini.

Zabini hatte gewirkt, als wäre es etwas dringendes. Etwas, das Konsequenzen mit sich brachte, die so gravierend waren, dass es ihr beider Leben betraf. Aber was konnte das sein?

Hermione ging alles, was sie die letzten Tage gemacht hatte, noch einmal im Detail durch. Etwas musste passiert sein, dass den Schlüssel zu allem darstellte. Malfoys dauerhafte Anwesenheit war nicht wirklich bedingt durch irgendeine hypothetische Gefahr für das GWR - das war ihr klar. Und dann, Theo... Zabini...

Irgendetwas übersah sie... wenn sie nur...

Ihr Kopf schmerzte, aber sie ignorierte es. Da war etwas. Als ob ihr Unterbewusstsein es wisse, aber ihr die Antwort verweigerte.

Sie schloss ihre Augen und seufzte. Möglicherweise war es besser, es für den Moment auf sich beruhen zu lassen. Vielleicht würde sich am Wochenende eine Erklärung finden, wenn sie sich selbst etwas Entspannung gönnen konnte.

Und vielleicht würde sie auch Narzissa besuchen. Mrs Malfoy war viel zugänglicher als Draco. Wenn irgendetwas mit ihm nicht stimmte, würde sie es sicher wissen.

Sie sah sich um. Bis gerade eben war sie ziellos durch das Ministerium gewandert und nun vor dem Brunnen im Atrium angekommen. Sie sah zu den Statuen auf, die dort standen. Harry, Ron und sie selbst.

Sie hasste es. Harry auch. Ron war der einzige, dem es nichts ausmachte. Immer wenn er hier anhielt und einen Blick nach oben warf, zierte ein zufriedenes Lächeln sein Gesicht.

Die Figurengruppe sollte zeigen, wie sie unter Harrys Tarnumhang hervortraten, der als dünne Wasserschicht hinter ihnen dargestellt wurde. Harry führte sie an und posierte, als wäre er gerade mitten dabei einen Zauberspruch sprechen. Ron war im Hintergrund, drehte sich schützend zur Seite und erweckte den Anschein bereit zu sein einen Angriff abzuwehren. Und dann war da noch ihre eigene Darstellung, die zwischen den beiden stand, ein riesiges Buch mit ihrer Zauberstabhand an ihre Brust gedrückt. Sie sah bescheuert aus. Wer würde sich in einen Kampf begeben, während man ein Buch hielt?

Harry war vehement gegen den Brunnen gewesen, nachdem seine Anfrage abgelehnt wurde, dass die Figurengruppe um Dobby, Remus, Tonks, Fred, Snape, Colin Creevy und Lavender Brown erweitert werden solle.

Hermione hatte sich allem angeschlossen, was Harry gewollt hatte. Also war es genau genommen ihre eigene Schuld, dass sie die Entwürfe wie sie dargestellt werden würde, nicht begutachtet hatte. Erst als der Brunnen der Öffentlichkeit enthüllt wurde, hatte sie herausgefunden, wie sie portraitiert wurde. Aber... uuuhh... es auch nur anzusehen grämte sie bereits.

Und doch... dies war immer der Platz gewesen, den sie aufsuchte, wenn sie Harry und Ron am meisten vermisste. Sie hatten sich über die Jahre auseinander gelebt. Harry war der oberste Feld-Auror und bekam deshalb ständig Aufträge, in denen er durch das ganze Land reisen musste. Ron hatte sich dafür entschieden, sich in Georges Geschäft mit einzubringen und verwaltete nun einige Bereiche in Weasleys Zauberhafte Zauberscherze. Währenddessen saß Hermione hinter einem Ministeriumsschreibtisch und wühlte sich durch Memos und Gesetze. Keiner von ihnen schien noch viel Zeit für die anderen übrig zu haben.

Während der Schul- und sogar der Kriegszeit, war es einfach gewesen zusammenzubleiben. Es hatte sie unvorbereitet erwischt, dass das Erwachsenenleben sie dazu brachte, auseinander zu driften. Aber, wenn man sah, was aus ihnen wurde... Hermione war dabei, die wohl größte und bedeutungsvollste Gesetzesreform ihrer Karriere durchzubringen, während Harry als Repräsentant in Amerika im internationale Auroren-Symposium war. Ron hatte sich dafür sogar die Zeit genommen, ihn dorthin zu begleiten.

Ron hatte immer einmal nach Amerika gewollt.

Sie versuchte nicht verletzt zu sein. Es war nicht so, als ob Harry das Symposium irgendwie geplant hätte oder für die Termingestaltung verantwortlich gewesen wäre. Und er hatte sich trotzdem schrecklich gefühlt und ihr einen riesigen Entschuldigungsblumenstrauß geschickt, der sich in einen Berg an Büchern verwandelt hatte, als er sich zurück transfigurierten. Ron hatte sie gefragt, ob sie wolle dass er blieb, ein Wort von ihr würde reichen, damit er nicht ging. Sie hatte es nicht von ihm verlangen können. Trotzdem hatte sie sich tief in ihrem Innersten gewünscht, dass sie es bemerkten würden, wie viel ihre Anwesenheit bedeutet hätte, ohne dass sie es ihnen hätte sagen müsse.

Seufzend machte sie sich auf den Weg zum Flohnetzwerk und flohte heim.

Kaum, dass sie in ihrer Wohnung angekommen war, hastete sie in die Küche, um eine Tee aufzusetzen. Sie setzte die Kanne auf den Herd und wartete darauf, dass sie anfangen würde zu kochen. Sie hätte das Wasser einfach mit Magie erhitzen können, aber sie liebte das Ritual Tee auf Muggelart zu brauen. Es erinnerte sie an ihre Kindheit; ihre Mutter hatte nach der Schule immer Tee für sie gemacht, während Hermione am Tisch saß und ihr von ihrem Tag erzählte. Monica Wilkins hatte keine Kinder, also war es jetzt an Hermione, die Last der Vergangenheit zu tragen.

Hermione schloss ihre Augen und hörte den kochenden Wasser zu. Während sie das tat, durchzuckte sie plötzlich ein Art 'fremde Sorge' und Ärger durchströmte sie, wie ein elektrischer Schock. Sie riss ihre Augen auf.

Die letzten Tage hatte sie immer wieder solche Empfindungen verspürt, aber hatte nie Zeit gehabt, sich mit ihnen zu befassen. Also schloss sie ihre Augen und konzentrierte sich.

https://youtu.be/5q_44m7TJtU

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