36. Kapitel

Luke's P.o.V.

Die Tage zogen ins Land und der Donnerstag brach herein. Es war nicht irgendein allerwelts Donnerstag, es war der Donnerstag, der mir die Volljährigkeit bescheren sollte. Die meisten Jugendlichen wünschen sich ihren Achtzehnten Geburtstag sehnlichst herbei. Ich nicht. Ich hasste meine Geburtstage, dieser würde da auch keine Ausnahme bilden.

Zudem war es der dritte Tag nach Zacks und meinem ersten Date und auch schon zwei Tage her, dass wir Händchenhaltend über den Schulhof gelaufen waren und immer noch hatte ich keine klare Antwort, ob wir nun ein Paar waren. Zwei Tage waren vielleicht nicht die Welt, aber trotzdem zerrte diese Ungewissheit an meinen Nerven. Wir benahmen uns zwar wie ein Paar und jeder ging davon aus, das wir eins waren, nur hatten wir es nie ausgesprochen.
Ich wusste nicht, ob ich warten sollte bis es das Thema aufbräche oder selber die Initiative ergreifen sollte.

Damals als ich mit Vanessa zusammen gekommen war hatte sich die ganze Geschichte nicht Mal halb so problematisch gestaltet. Drei SMS im Anschluss an unser erstes Treffen und schups waren wir ein Paar. Der Sms-Verlauf verlief ungefähr wie Folgt:

Luke:             Sind wir jetzt eigentlich zusammen?

Vanessa:       Weiß nicht. Entscheide du.

Luke:             Gut, dann sind wir jetzt zusammen.

Fertig, Aus, Ende. Simpel und unkompliziert.

An diesem Morgen hatte ich mich heimlich aus dem Haus geschlichen, die ganzen Beglückwünschungen könnte ich auch später noch entgegen nehmen, am frühen Morgen brauchte das doch wirklich kein Schwein. Als ich Max von weitem bei unserem Treffpunkt stehen sah, versuchte ich ihm mit einem eindringlichen Blick zu verdeutlichen, dass er bloß still sein sollte. Unsere mentale Verbindung, die wir im Laufe unserer langjährigen Freundschaft aufgebaut hatten, schien heute mal wieder defekt zu sein. Ein strahlendes Lächeln thronte auf seinen Lippen, selbst mein vernichtender Blick konnte es nicht von dort verdrängen.

„Da ist er ja! Der Mann des Tages!" Er schloss mich in eine enge freundschaftliche Umarmung.

„Das hört sich so an, als hätte ich den Nobelpreis gewonnen oder wenigstens die Welt gerettet."

„Naja fast. Immerhin ist der kleine Luke heute endlich achtzehn geworden!"

„Keine besonders große Leistung, ich hab nichts weiter getan, als am Leben zu bleiben. Den schwierigsten Teil, der mit der Geburt, hat ja zum Glück jemand anderes übernommen."

„Unglaublich! Du versuchst echt mir deinen Geburtstag mies zu reden. Aber das wirst du nicht schaffen! Also schweig und lass dir alles Liebe und Gute von deinem besten Freund wünschen!"

„Na, wenn es denn sein muss."

„Und ob das sein muss!" Er räusperte sich affektiert. „Du, meine kleiner dummer Freund, bist mit Abstand mein ältester und bester Kumpel. Und das liegt nicht nur daran, dass du frühzeitig meine Fantastischheit erkannt und bewundern gelernt hast, sondern auch daran, dass ich dich nicht komplett beschissen fand. Nur son bisschen halt. Auf jeden Fall sind wir zusammen durch dick und dünn gegangen und werden es hoffentlich auch in Zukunft noch eine ganze Weile tun. Zum Ende hin kann ich dir eigentlich nur einen weisen Spruch mit auf deinen Weg ins Erwachsenenleben geben:  Eine in die Wand geschlagene Schraube hält besser wie ein reingedrehter Nagel."

„Wow. Das war wirklich... bewegend."

„Das war der Sinn dahinter."

Auch die Anderen ließen es sich nicht nehmen mir zu gratulieren. Wir hatten uns auf einen Kompromiss geeinigt, ich hatte ihnen fünf Minuten gegeben um das ganze überschwängliche Gedröhns los zu werden, dafür ließen sie mich den restlichen Tag mit diesem Thema in Ruhe. Da Vanessa mich vier Minuten mit geknuddelt, gequietschte und Monologe, was ich denn jetzt alles tun dürfte, in Beschlag genommen hatte, mussten die anderen drei ihren Text in einer Minute rüberbringen, was sie zu meiner Erleichterung auch schafften. Zack war heute nicht in die Schule gekommen, selbst Robin wusste nicht wieso.
Ich hoffe nur, er würde wenigstens zum Kaffe trinken heute Mittag kommen. Er hatte es mir  ja immerhin versprochen.
_____

Um halb vier war Marco gekommen, wir hatten uns alle zusammen an den Tisch in der Küche gesetzt und derweil schon einmal angefangen den selbstgebackenen Kuchen von Caro und Mia zu verspeisen, da ich keine Ahnung hatte, wann genau Zack vorhatte hier aufzukreuzen. Meine beiden Schwestern hatten Gott sei danke die Backkünste von meiner Mutter geerbt, ein Gen das an mir Spurlos vorüber gegangen war.

Gegen viertel vor fünf klingelte es erneut. Ich ging an die Tür, wie zu erwarten stand dort Zack. Er hatte einen Blumenstrauß in der einen und ein kleines Päckchen in der anderen Hand.

„Hey du!" begrüßte er mich strahlend. Es war das erste Mal an diesem Tag das ich das strahlende Lächeln einer Person nicht nervig oder übertrieben fand. Er gab mir einen kleinen Begrüßungskuss und flüsterte anschließend in meine Ohr: „Du solltest öfters Volljährig werden, steht dir."

„Wenn du das sagst... Aber jetzt komm erst einmal rein. Ich geh mal davon aus das die Blumen nicht für mich sind." 

„Gut erfasst. Die hab ich deiner Mutter mitgebracht. Aber das hier ist für dich." Er hielt mir das kleine Päckchen vor die Nase.

„Danke. Ich mach es später auf." Ich nahm das Geschenk lächelnd entgegen. Wir beraten die Küche, ich legte das Geschenk schnell auf die Küchenzeile und kramte die einzige Vase die wir besaßen, aus einem der unteren Küchenschränken.

„Hallo Zack! Es freut mich dich wieder zusehen!" begrüßte meine Mutter ihren bereits auserwählten Schwiegersohn, unter dessen ich die Vase mit Wasser füllte.

„Die Freude ist ganz meinerseits. Ich habe ihnen etwas mitgebracht." Zack hielt ihr wie zum Beweis den Blumenstrauß hin.

„Der ist wirklich wunderschön. Danke dir." Ich nahm Zack den Strauß ab, steckte ihn in die Vase und stellte es auf den Tisch.

„Setz dich ruhig. Es ist noch genug Kuchen da." Ich deutete auffordernd auf den Stuhl zu meiner Linken. Er setzte sich und begann das Stück Kuchen zu essen das ich ihm bereits auf den Teller gelegt hatte.

„Mhh... Der ist wirklich köstlich!" schwärmte  er bereits nach dem ersten Bissen.

„Kleiner Schleimer." Raunte ich ihm leise genug zu das nur er es hörte. Auf meine Bemerkung hin begann er zu grinsen.

„Den Kuchen hab ich gebacken!" verkündete Mia stolz wie Oskar.

„Wirklich? Ganz alleine?" staunte Zack übertrieben.

„Naja, Caro hat auch ein bisschen geholfen. Aber ich durfte den Teig rühren!"

„Wow." Ich musst lachen, Zacks gespielt erstaunter Blick war zu amüsant. Mia platze fast vor lauter Stolz, sie strahlte von einer Backe zur anderen.

Es wurde ein netter Nachmittag. Wir unterhielten uns, lachen über Marcos Ärzte Witze, Mia erzählte aus dem Kindergarten, Caro aus der Schule. Mir fiel auf das auffällig oft der Name Benjamin in Caros Erzählungen genannt wurde. Bei Gelegenheit würde ich da mal nachharken, vielleicht war das ja der mysteriöse Freund zu dem sie immer ging, über den sie aber nie etwas Genaueres sagte.

„Ich glaube ich werde dann mal ins Bett gehen." Teilte uns meine Mutter mit. Wir nickten alle. In den letzten Tagen ging meine Mutter immer früher ins Bett, es war keine Seltenheit mehr das sie bereits um sechs in ihrem Bett lag und schlief. Mittlerweile war es  viertel vor sieben und demnach schon relativ spät für meine Mutter. Man merkte ihr an das ihr Körper immer schwächer wurde, das viele Schlafen war nur ein weiteres Symptom.  Wackelig stand sie auf.

„Soll ich dir helfen?" fragte Marco besorgt.

„Nein alles gut." Winkte sie ab. Sie versuchte normal zu laufen, strauchelte jedoch und musste sich  auf die Küchentheke stützen um nicht umzufallen. Ich stand vom Stuhl auf.

„Komm ich helfe dir." Sagte ich und wollte nach ihrem Arm greifen.

„Lass das!" fuhr sie mich an und zog ihren Arm weg. Erschrocken hielt ich in der Bewegung inne. Sie seufzte zittrig. „Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht anfahren. Ich bin nur so müde, weißt du mein Schatz. Ich schaff das kleine Stück schon alleine." Zum Schluss schenkte sie mir ein kleines Lächeln.

„Okay." Ich erwiderte es leicht. Ich wusste wie stur sie war. Es setzte ihr zu dass sie ihre Mobilität verloren hatte und selbst für kurze Stücke Hilfe braucht. Deshalb wollte sie sich hiermit wohl selber etwas beweisen.

Ich setzte mich wieder, es herrschte unangenehme Stille bis meine Mutter mit kleinen Schritten die Küche verlassen hatte.

„Du solltest es nicht persönlich nehmen, die letzten Tage haben ihr zugesetzt."

„Ich weiß. Es ist nur schwer, wenn sie sich nicht helfen lassen will."

„Ja das stimmt schon, aber..." Ein dumpfes Poltern unterbrach Marco bei seiner Antwort. Erschrocken sahen wir uns einige Sekunden an, sprangen dann alle gleichzeilig von unseren Stühlen und rannten in Mam's kleines Schlafzimmer. Meine Mutter lag bewusstlos auf dem Boden. Sie rührte sich nicht.  Mia war die Erste die bei ihr war. „Mami! Mami! Wach auf! Mami! Was ist denn los? Mami!" Mit ihren kleinen Händchen schüttelte sie ihre Schulter.

Marco trat an meine Mutter heran und schob die Kleine behutsam weg. Mia stand auf und sah mit Tränen in den Augen auf unsere am Boden liegende Mutter hinunter. Caro neben mir war zu einer Salzsäule erstarrt und blickte ebenso ängstlich drein. „Ruft einen Krankenwagen." Befahl Marco. Zack der hinter mir stand holte sein Handy aus der Tasche und begann darauf herum zu tippen. Er trat aus dem Zimmer heraus um ungestört im Flur telefonieren zu können, ohne dass Mia jedes Wort mithören könnte. Sie sollte nicht noch mehr Angst haben als so schon.

Mia rannte auf mich zu und schlang ihr Arme um meine Beine.

„Luki, was ist mit Mami?" fragte sie leise. Kleine Tränen rollten ihre kindlichen Paust Bäckchen hinab. Sie vergrub ihr Tränen nasses Gesicht in dem Stoff meiner Jeans, während ich ihr behutsam über den Kopf strich.

„Ich weiß es nicht, meine Kleine. Ich weiß es wirklich nicht."


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Okay, bevor ihr mich gleich einen Kopf kürzer macht... Ich weiß ich bin Scheiße! Aber ich muss ja irgendwie wieder ein bisschen Spannung aufbauen nach dem ganzen Geschnulze und dem Batzen an Harmonie in den letzten Kapiteln.

Kleine Anmerkung wegen den Quellen: Die Rechte an dem SMS-Verlauf liegen bei meinem Bruder. Der kleine Kazanova.

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