1. Kapitel
Luke's P.o.V
Das Wummern des Basses verursachte mir Kopfschmerzen. Der Geruch von Schweiß und Alkohol hing in der Luft und mein Magen zog sich krampfhaft zusammen. Was machte ich hier eigentlich? Ich sollte nicht hier sein.
Und doch ging ich weiter.
Ich hatte ihr versprochen, dass ich mich heute mal amüsieren würde und das bedeutete, ich würde wenigstens bis elf auf dieser Party bleiben müssen. Ich ging in das überfüllte Wohnzimmer, das wohl als Tanzfläche diente. Man konnte sich kaum bewegen so voll war es, doch trotzdem schafften es die Leute ihre Hüften, mehr oder weniger, im Takt der Musik kreisen zu lassen. Die Mädchen rieben sich laszive an den Jungs, denen das mehr als deutlich zu gefallen schien. Die Luft hier drinnen war noch stickiger als im Flur und auch die Temperatur war noch einmal gestiegen.
Das war definitiv nichts für mich. Vielleicht sollte ich mir erst einmal etwas Mut antrinken. Ich drehte mich um und ging in die Küche. Zum Glück war gerade niemand hier, ich griff in den Kühlschrank und nahm mir ein Bier. Gegen den Küchentresen gelehnt starrte ich gedankenverloren aus dem Fenster, hinaus in die Dunkelheit, während ich große Schlucke des kühle Getränks meinen Rachen hinunterlaufen lief.
Ich war schon seit Ewigkeiten auf keiner Party mehr. Ich hatte einfach zu viel zu tun und keine Zeit abzuschalten und zu feiern. Mein Leben war nicht wie das der meisten siebzehn Jährigen. Ich trug Verantwortung, nicht nur für mich, auch für meine Familie. Naja, das was von meiner Familie noch übrig war.
„Oh mein Gott! Ich kann's nicht fassen, Alter. Du bist wirklich hier." Die Stimme meines besten Freundes Max holte mich aus meinen Gedanken. Er war heute Abend der Gastgeber. Ich drehte mich lächelnd zu ihm um und erkannte sofort, dass er schon einiges intus hatte. Doch da er fast jedes Wochenende auf irgendwelchen Partys rumhing und Alkohol trank, vertrug er recht viel davon. Er zog mich in eine kurze aber feste Umarmung. Das Grinsen auf seinem Gesicht schien wie fest getackert zu sein.
„Ich bin so froh, dass du da bist. Aber warum versteckst du dich in der Küche?" fragte er mich.
„Ich hab mir nur was zu Trinken geholt." Ich hob meine Flasche an, um meine Worte zu bestätigen, auch wenn es nichts bracht.
Ich wusste, dass er wusste, dass ich log. Ich hatte mich versteckt, es war einfach zu lange her, dass ich auf solchen Partys gewesen war.
„Schon klar." Erwiderte er nur mit einem wissenden Lächeln.
„Ich glaube ich bin ein bisschen eingerostet. Ist schon längere Zeit her das ich auf einer Party war."
„Das kannst du laut sagen. Ich habe ja versucht dich zu animieren aber du hattest immer eine andere Ausrede." Er klang nicht vorwurfvoll, dennoch hatte ich ein schlechtes Gewissen.
Im letzten Jahr hatte ich kaum noch Zeit für meine Freunde. Neben der Schule und meinen zwei Jobs blieb nicht viel Freizeit und die verbrachte ich meistes damit mich um meine Mutter zu kümmern. Max und meine anderen Freunde wussten nicht, dass meine Mutter krank war.
Es war nicht so, dass ich ihnen nicht vertraute, doch ich wollte nicht dass sie mich anders behandelten. Sie würden versuchen mir zu helfen, doch dass konnten sie nicht und am Ende würde ich sie nur von mir stoßen. Das war etwas, was ich nur alleine tun konnte. Ich konnte niemanden gebrauchen, der sich einmischte.
„Komm wir gehen zu den Andern. Die freuen sich bestimmt auch, dich mal außerhalb der Schule zu sehen." Er grinste und ich wusste, dass es nur ein Scherz war, doch ich fühlte mich trotzdem schlecht. Es war ja nicht so, dass ich mich nicht mit meinen Freunden treffen wollte um Spaß zu haben, aber ich konnte meine Mutter nicht einfach im Stich lassen. Wir konnten uns kein Pfleger für sie leisten, dafür hatten wir einfach kein Geld. Und meine Schwestern konnten sich auch nicht ganz alleine um sie kümmern, schließlich war Carolin erst vierzehn und Mia fünf. Das heute war eine absolute Ausnahme.
Die Schwester meiner Mutter war überraschend für eine Nacht zu Besuch gekommen. Sie wohnte auf der andern Seite der Welt in Australien und war wegen einer Geschäftsreise hier. Meine Mutter und meine Tante hatten darauf bestanden, dass sowohl ich als auch meine Schwestern heute ausgehen und Spaß haben sollten. Wir sollten einfach mal abschalten und normale Teenager und Kinder sein. Meine Schwester Caro war zu einer Freundin gegangen und veranstaltete eine Übernachtungsparty. Mia übernachtete bei einem Kindergarten Freund. Tja, und ich hatte spontan entschlossen auf die Party meines besten Freundes zu gehen, doch mittlerweile bereute ich es.
Max legte seinen Arm in einer brüderlichen Geste auf meine Schulter und schob mich in den Keller. Hier waren zum Glück nicht so viele Leute wie oben und die Musik war nur gedämpfter zu hören.
„Seht alle her, wen ich aus seinem Versteck locken konnte!", rief Max fröhlich, sobald wir die Sofaecke erreich hatten. Ich sah in die Runde und erkannte, dass meine ganze Clique hier war.
„Leute, ich glaub ich sehe ein Einhorn!" rief Vanessa gespielt erschrocken aus. Eher ich hätte reagieren können, war sie von ihrem Platz auf und auf mich drauf gesprungen. Ich musste, wegen ihrer dramatischen Begrüßung lachen. Typisch Vanessa. Sie war laut, schrill und total durchgedreht, doch sie war die beste Freundin, die man sich wünschen konnte. Wir waren schon seit dem Kindergarten beste Freunde und eine kurze Zeit in der siebten Klasse sogar ein Paar. Bis ich erkannt hatte, dass ich Jungs bevorzugte. Ich hatte große Angst vor ihrer Reaktion gehabt, doch sie war total verständnisvoll und hatte mir geholfen mich so zu akzeptieren wie ich war. Dafür war ich ihr bis heute dankbar. Keiner meiner Freunde hatte ein Problem damit gehabt, dass ich mich auf dem anderen Ufer bewegte. Ich konnte mich wirklich glücklich schätzen solch tolle Freunde zu haben.
Vanessa hielt mich immer noch fest umklammert und machte keine Anstalten sich von mir zu lösen. „Du tust ja gerade so, als hätten wir uns Wochen lang nicht mehr gesehen.", lachte ich. „Ich meine, ich weiß, ich bin alles was dein Leben lebenswert macht, dazu auch noch extrem gutaussehend, unglaublich intellektuell und einfach nur liebenswert..."
„Ach, halt doch die Klappe!" Unterbrach sie mich selbstverliebtes Geschwafel. Sie löste sich von mir und verdrehte die Augen. „Da freut man sich einmal dich zu sehen und du machst alles kaputt indem du deinen Mund aufmachst." Sie dreht sich um und ging zu ihrem Platz zurück, doch das amüsierte Lächeln auf ihren Lippen hatte ich ganz genau gesehen.
„Ach, Nessi! Ich hab dich doch auch vermisst. Es waren immerhin mindestens sechs Stunden seit wir uns, nach der Schule, voneinander verabschiedet haben." Ich wusste, dass sie diesen Spitznamen hasste, was auch der einzige Grund war, warum ich sie so nannte. Sie streckte mir nur ihren Liebsten Finger entgegen und ließ sich dann mit vor der Brust verschränkten Armen zurück aufs Sofa plumpsen. Ich musste lachen und die Anderen stimmten mit ein, sogar Vanessa konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Ich begrüßte Robin und Alex mit einem Handschlag und zog Miriam von Alex Schoß in eine Umarmung. Alex und Miriam waren ungefähr seit einem Jahr ein Paar und ekelhaft süß zusammen. Sie harmonierten perfekt miteinander und selbst ein Blinder würde sehen wie sehr sie sich liebten.
„Hey! Das ist mein Mädchen!", zeterte Alex. „Gib sie wieder her!".
„Nö." War meine einzige Antwort, ich drückte die lachende Miriam noch fester an mich und grinste Alex über ihre Schulter hinweg provozierend an. Alle lachten, nur Alex versuchte seinen bösen Blick standzuhalten.
„Luke ist wohl doch hetero.", kam es lachend von Robin, der neben Alex auf dem Sofa saß.
„Och nö. Dann muss ich die ganzen Chickas mit ihm teilen! Reicht ja schon wenn Möchtegern-Casanova Robin mir die Tour versaut." erwiderte Max genervt, was ihm einige Lacher und ein schadenfrohes Grinsen von Robin einbrachte. Ich ließ Miriam los und Alex zog sie direkt wieder auf seinen Schoß.
„Sorry Luke, aber mit meinem Kuschelbärchen kannst du nicht mithalten. Ich steh nicht so auf Muskeln, ich habs lieber weich und gemütlich." Miriam grinste frech und schmiegte sich an Alex.
„Genau! Warte... Was? Was soll das den heißen? Ich hab voll die Muskeln! Und was meinste du bitte mit weich?", fragte er empört an Miriam gewandt. Diese kicherte nur und gab ihm einen kleinen Kuss. Ich musste laut los lachen, Alex eingeschnappter Gesichtsausdruck war einfach zu köstlich, den andere schien es nicht anders zu gehen. Alex schaute uns mit seinem Ihr-seid-alle-scheiße-Blick an und grummelte irgendwas Unverständliches. Mit einem breiten Grinsen ließ ich mich auf der gegenüberliegenden Coach zwischen Max und Vanessa fallen. Kaum, das mein Hinterteil die Polster berührt hatte, setzte Vanessa sich auch schon auf meinen Schoß und kuschelte sich an mich. Ich schlang meine Arme um sie und zog sie näher an mich. Vanessa im Arm zu halten war ein schönes Gefühl, nicht diese Art von Kribbeln-im-bauch-Herz-flattern-schönes-Gefühl. Sie war einfach meine beste Freundin und ihre Nähe gab mir manchmal so viel Kraft, ohne dass sie es merkte. Genau wie bei meiner Mutter und meinen zwei Schwestern.
„Warum suchst du dir den wahrscheinlich einzigen Schwulen auf dieser Party aus und setzt dich auf seinen Schoß? Bei mir wäre es viel bequemer." Robin grinste anzüglich und zwinkerte Vanessa zu. Diese verdrehte nur die Augen.
„Das glaub ich kaum. Bei Luke drückt mir nicht andauernd etwas Hartes in meinen Rücken. Obwohl das bei deinen Proportionen wohl nicht das Problem wäre, Little Rob." Ein engelsgleiches Lächeln komplimentierte ihre frechen Worte. Wir andern brachen in lautes Gelächter aus. Ich hielt Vanessa meine Hand hin und sie schlug grinsend ein.
„Wie ich sehe hast du immer noch kein Glück bei den Frauen, Robin." Die tiefe Stimme, der die scherzhaften Worte gehörte, erklang hinter der gegenüberliegenden Couch. Als mein Blick nach oben wanderte um den Neuankömmling zu betrachten, stockte mein Atem.
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